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Die Extreme berührten sich nicht

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Das siebente und letzte Konzert im Musica-N ova-Zyklus des österreichischen Rundfunks fand im Großen Konzerthaussaal statt und wurde — unter der Leitung von Piero Bellugi — von der Wiener Symphonikern ausgeführt. Wenn wir von dem unprofilierten, oberflächlichen und langatmigen Klavierkonzert von Lukas Foss aus Los Angeles (Jahrgang 1922) absehen, so bestand das Programm ausschließlich aus Zwölftonwerken verschiedenster Observanz.

Am konservativsten sind die 1936 bis 1937 entstandenen „Tre Laudi“ für Sopran und Kammerorchester von Luigi Daltapiccölk (ein Mariennymiius,* 'Wut

lichef7 ' Bußgesang), ih; deren“ lyrischexpressiver Tonsprache nicht nur Debussy und Berg, sondern auch Malipiero und Puccini nachklingen. — Die „Tre Poemi“ von 1949 auf interessante Texte von James Joyce, Michelangelo und Machado sind durch ihren Untertitel („Variationen über eine Reihe von zwölf Tönen“) bereits, was die Technik betrifft, charakterisiert. Ihr Reiz liegt in der feinen, durchbrochenen Arbeit, in den aparten Farben und dem poetischen Gehalt, der in der Interpretation Dorothy Dotows freilich keineswegs ausgeschöpft wurde. Eine betrübliche Fehlbesetzung.

Das Concerto für Violine, Streicher und Cembalo von Bruno Bartolozzi machte uns mit einem feinen und eleganten Florentiner Komponisten (Jahrgang 1911) bekannt, der trotz strenger Konstruktion seine Ecksätze leicht und unterhaltsam, den lyrischen, ein wenig an J. M. Häuer erinnernden Mittelteil zart und poetisch zu gestalten weiß. (Koji Tojoda spielte den Solopart technisch perfekt und ein wenig kühl.)

Nach der Hiroshimakantate hörten wir nun in Wien (zum erstenmal) auch ein älteres Werk Luigi Nonos, die dreiteilige Studie für Sopran, Bariton, kleinen Chor und Instrumente, „Espana en et cora-zon“. Nono, der stets „engagierte“ Musiker, liebt Lorca und kommt vom spanischen Bürgerkrieg, der auf ihm wie ein Trauma zu lasten scheint, nicht los.

Zwischen zwei lyrischen Stimmungsbildern, die das schlafende, träumende, sehnsuchtsvolle Land mit den Worten Garcia Lorcas beschwören, steht — auf einen Text Pablo Nerudas — eine klanggewaltige Schilderung der Schrecken des Bürgerkrieges. Im Ganzen erweist sich Nono hier als recht maßvoll im Ausdruck und ökonomisch im Einsatz der Mittel (fünf Bläser, Harfe, Celesta, Klavier und einige Streicher bilden das farbige Instrumentarium). Die Vokalpartien, teils gesungen, teils gesprochen, wurden von Dorothy Dorow, dem angenehmen und ausdrucksvollen Bariton Joan Holt--Holender und fem- Rundfunkchor aus-hgtiü}tftr&itT6'rBeilifgi'Vlii Leiter hat eine ebenso leichte wie sichere Hand, die dem Klavierkonzert von Foss (mit Frieda Valenzi als Solistin) freilich auch keine Feinheiten abzugewinnen vermochte. *

Verglichen mit den Klang- und Stimmungsreizen, die den Kompositionen auch der avanciertesten neuen Italiener einen Hauch von Poesie verleihen, wirkte, was man im Konzert der „österreichischen Gesellschaft für zeitgenössische Musik“ im Musikverein zu hören bekam, recht handwerklich-solid. Das Triptychon super „Veni creator Spiritus“ für Orgel von Dr. Erich Romanovsky, Lehrer an der Kirchenmusikalischen Abteilung der Staatsakademie, wurde von diesem selbst vorgetragen und litt empfindlich unter einem während der ganzen Komposition erklingenden Summton, so daß die Harmonik der auf einem gregorianischen Hymnus basierenden Komposition weniger auszunehmen war als die interessante und originelle Struktur.

Dr. Wilhelm Waldstein, bis vor kurzem Sektionschef im Unterrichtsministerium, versucht in seiner „Lyrischen Pas-sacaglia“ von 1963 diese ein wenig didaktische Form durch abwechslungsreiche Instrumentation (Streichsextett, Soloklavier), pikanten Taktwechsel und „freien Stil“ zu beleben, was in der konzisen, knapp zehn Minuten in Anspruch nehmenden streng-tonalen Partitur auch gut gelingt.

Alfred UM, Schüler Franz Schmidts und Professor an der Staatsakademie, hat sein „Kleines Konzert für Violine und 26 Bläser“ umgearbeitet, indem er nicht nur das Orchester um die Streichergruppe erweiterte, sondern den ein wenig etüdenhaften Charakter der ersten Fassung teils auflockerte, teils bereicherte. Aber ob die beabsichtigte „Straffung und Durchlichtung des Satzbildes“ gelungen ist? Das könnte nur ein Vergleich der beiden Versionen durch mehrmaliges Abhören entscheiden. Die barocken Titel Preludiö, Aria und Rondo lassen auch eine plastischere Form, vor allem der Begleitung, erwarten. (Den Solopart spielte Rudolf Kalup.)

Im vergangenen Jahr vollendete Leopold Mathias Walzel, ein gelernter Jurist, gegenwärtig als freischaffender Künstler lebend, seine Dritte Symphonie. Auch hier ist, wie in den vorangegangenen Kompositionen, das Haushalten mit den instrumentalen Mitteln lobenswert, und auch die Dauer des Werkes (zirka 35 Minuten) ist nicht exzessiv. Die im Grunde traditionelle Tonsprache wird klanglich durch die stereotype Verwendung von Quinten und parallel geführten Akkorden verschleiert, was dem Werk (auch durch das apart behandelte Schlagwerk) ein schwer definierbares, quasi exotisches Kolorit verleiht. Auch dieser Partitur wünscht man stellenweise mehr Konzentration. Und auch Walzel beherrscht, wie seine Komponistenkollegen, das Handwerkliche in erfreulichem Maß.

Kurt Rapf und das Tonkünstlerorchester dürfen das Verdienst für sich buchen, allen diesen Werken zur Uraufführung verholfen zu haben. Nun bleibt abzuwarten, ob, wann und wo wir ihnen wieder begegnen werden.

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