Die Poesie bleibt auf der Strecke

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Am Theater an der Wien hatte unter der musikalischen Leitung von René Jacobs eine neue Inszenierung der "Zauberflöte" Premiere. Oder sollte man besser sagen: eine Variation von Mozarts Original?

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Am Theater an der Wien hatte unter der musikalischen Leitung von René Jacobs eine neue Inszenierung der "Zauberflöte" Premiere. Oder sollte man besser sagen: eine Variation von Mozarts Original?

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Ein Glück, wenn sich Verlage nicht auf Opernführer allein spezialisieren. Sie müssten schier verzweifeln. Kaum eine Produktion in den letzten Jahren, die nicht vom Original abwich. Selbst wenn man es differenziert sehen muss. Einmal eine Partie mit einer anderen Stimmlage zu besetzen, ihr damit einen anderen Charakter zuordnen, lässt sich goutieren, wenn man es aus der Historie des Stücks oder einer spezifischen Interpretationskultur begründen kann. - Anders ist es schon mit Inszenierungen, die -entweder, weil der Regisseur nicht an das Stück glaubt, oder es sich ihm nicht entsprechend erschlossen hat -ein anderes wie das von Libretto und Musik vorgegebene Bild präsentieren. Da wäre es nicht nur fairer, sondern auch richtiger, im Programmzettel nicht das Stück als solches zu avisieren, sondern klar auszuweisen, dass dieses nur die Grundlage für diese szenisch-musikalische Darbietung ist.

Wesentliche Abweichungen vom Original

Zuviel verlangt? Offensichtlich, wie nun auch die Saison-Eröffnungspremiere am Theater an der Wien zeigte: Mozarts "Zauberflöte", immer noch das meistgespielte Werk des Opernrepertoires, dessen Vielfalt schon die Zeitgenossen vor Rätsel gestellt hatte. Berühmt ist Nikolaus Graf Zinzendorfs Urteil, nachdem er diese "Große Oper in zwei Aufzügen", wie sie der Komponist bezeichnet hat, in der Freihausbühne auf der Wieden gesehen hatte: "Die Musik und die Dekoration sind hübsch, der Rest eine unglaubliche Farce."

War dieser Satz Anlass für René Jacobs und seinen Regisseur Torsten Fischer - nachdem Jacobs sich mit der ursprünglich für diese Aufgabe vorgesehene Lotte de Beer nicht verstanden hatte -, für ihre Wiener "Zauberflöte" vom Original wesentlich abweichende Änderungen vorzunehmen? So strich oder änderte man einige von Emanuel Schikaneders Texten, verzichtete auf einige originale Opernmusik und fügte anstelle dessen die Freimaurer-Kantate "Die ihr des unermesslichen Weltalls Schöpfer ehrt" ein, mit der Tamino zu Beginn des zweiten Aktes aufwarten darf.

Sollte mit derartigen -nennen wir es freundlich Adaptionen - deutlich gemacht werden, dass man sich vom Titel dieses Stücks nicht irreführen lassen soll, da es um weit mehr als Zauber geht, was in Mozarts Geniestreich nicht entsprechend herauskomme? Folgerichtig haben in dieser Szenerie weder eine wirkliche Feuernoch Wasserprobe ihren Platz, schon gar nicht ausgelassene Papageno-Späße. Dafür kommt die Königin der Nacht, die im Finale mit Sarastro eng umschlungen (!) die Bühne verlässt, in einer Burka. Eine Klagemauer im zweiten Akt soll demonstrieren, dass es hier auch um ein Stück über alle Religionen geht. Ebenso um den Gegensatz von Mann und Frau, Tag und Nacht, Traum und Wirklichkeit. Vor allem um viel Symbolik.

In dieser Szenerie haben weder eine wirkliche Feuer-noch Wasserprobe ihren Platz, schon gar nicht ausgelassene Papageno-Späße. Dafür kommt die Königin der Nacht in einer Burka.

Mäßig inspiriert

Bedenkenswerte Assoziationen, die allerdings nur vage andeuten, was für den Regisseur diese "Zauberflöte" ist. Vor allem: Welche Botschaft will er überbringen? Darüber können eine noch so ausgeklügelte Ausstattung und ein mit raffinierten Spiegelungen und Fernand Khnopffs "Die Kunst oder die Liebkosungen" kokettierendes, suggestives Bühnenbild (Herbert Schäfer, der auch für die Dramaturgie verantwortlich zeichnet, und Vasilis Triantafillopoulos) nicht hinwegtäuschen.

Ein an Ai Weiwei erinnernder Sarastro mit wenig profunder Tiefe (Dimitry Ivashchenko), eine mehr auf Exaktheit als Natürlichkeit konzentrierte Pamina (Sophie Karthäuser), ein mäßig Leuchtkraft verstrahlender Tamino (Sebastian Kohlhepp), eine immerhin bagschierliche Papagena (Katharina Ruckgaber), ein unauffälliger Sprecher (Stephan Loges), aber auch ein farbloser Monostatos (Michael Smallwood) und eine mehr bemühte als brillante Königin der Nacht (Nina Minasyan) bildeten das Solistenensemble. Dazu ein um Kontur bemühter Priester (Florian Köfler) und die mit Brigitte Christensen, Kai Rüütel, vor allem Katharina Magiera rollendeckend besetzten drei Damen. Sie alle dominiert von Daniel Schmutzhards exzellentem Papageno.

Zu wenig für eine musikalisch überzeugende Darstellung, woran auch der wenig spannungsvoll, nur mäßig inspiriert dirigierende René Jacobs an der Spitze seiner auf ihn eingeschworenen qualitätsvollen Akademie für Alte Musik Berlin wesentlich Anteil hatte. Spielfreudig, auf gewohnt hohem Niveau der Arnold Schoenberg Chor, gut studiert drei St. Florianer Sängerknaben.

Zauberflöte Theater an der Wien 23., 26., 28. September

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