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Ein Fünfundachtzigjähriger am Pult

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Das letzte Abonnementkonzert der Wiener Philharmoniker leitete Pierre Monteux, der Altmeister unter den großen Dirigenten. Sein Name, mit Ur- und Erstaufführungen wichtigster Werke der neuen Musik verbunden, steht bereits im Ehrenbuch der Kunstgeschichte dieser ersten Jahrhunderthälfte. Monteux hatte Anno 1913 am Dirigentenpult von Diaghilews „Ballet russe“ in Paris den heftigsten Theaterskandal (bei der Premiere von Strawinskys „Sacre du Printemps“) durchzustehen. Er dirigierte die Premiere von Ravels Ballett „Daphnis und Chloe“, die erste konzertante Aufführung von „Petruschka“ und vieles andere. Nun, da er mit einem Debussy-Strawinsky-Programm im Großen Musikvereinssaal gastiert, schließt sich ein Kreis. — Dreißig Jahre nach ihrer Uraufführung im Palais des Beaux-Arts zu Brüssel erklingt zum erstenmal in einem philharmonischen Konzert, Strawinskys „Psalmensymphonie“, eines der repräsentativsten Werke der Musik unserer Zeit. Zum erstenmal werden hier auch die vor 25 Jahren geschriebenen vier symphonischen Meditationen über religiöse Themen mit dem Titel „L' A s c e n s i o'n“ von Olivier M e s-s i a e n gespielt. Nach längerer Zeit hörte man wieder einmal Debussys „Nocturnes“ vollständig, das heißt mit dem dritten Stück „Sirenes“ (mit Frauenchor), und die vollständige sechsteilige Konzertfassung von Strawinskys „Feuer-v o g e 1“ - Suite ist gleichfalls eine Rarität. — Man kann also sogar in philharmonischen Konzerten interessante, unkonventionelle Programme hören, nur muß eben der Mann kommen — hier war's ein Fünfundachtzigjährigerl —, der sich dafür einsetzt. Die Ausführung durch den Chor der Wiener Singakademie und das Orchester der Philharmoniker war so, daß man sich lebhaft wünschte, dem berühmten Orchester öfter im Dienste solcher Aufgaben zu begegnen. — Pierre Monteux, souverän und rüstig, im Aussehen und im Temperament dem großen Humanisten Aristide Briand sehr ähnlich, wurde mit herzlichem, langanhaltendem Beifall gefeiert. H. A. F.

Das 1714 entstandene (und seither nicht wieder aufgeführte) Oratorium „La fede sacrilega“ von Johann Josef F u x, ein abendfüllendes Werk, behandelt den Salome-Stoff in der Form des spätbarocken Oratoriums mit Rezitativen und Da-capo-Arien, jedoch ohne Erzähler, in dramatischer Dichte. Die musikalischen Einfälle sind von einer Frische, die Kontrapunktik von einem Fluß, die (wenigen) Chöre von einer Beweglichkeit, wie sie ein Meisterwerk legitimieren. Julius Patzak sang den Johannes, Roman Hencl den Aronte, der Altist Josef Maier den Herodes, Lois Laverty die Herodias und Laurence Dutoit die Salome, die hier Oletria heißt. Sie gaben ihr Bestes. Der Herodias, die männlicher Entschlußkraft erfüllter ist als ihr Mann, hätte eine dunklere Stimmer besser entsprochen. Die stimmlich beste Leistung bot Laurence Dutoit, in deren Gesang Ton, Wille und Ausdruck einheitlich beherrscht sind. Die Schalmei wurde durch eine Blockflöte, die Theorbe durch eine Gitarre (Karl Scheit) ersetzt. Kammerchor und Kammer Orchester musizierten beschwingt und präzise unter der Leitung von Paul A n g e r e r.

Im Strawinsky-Tschaikowsky-Zyklus der Gesellschaft der. Musikfreunde hörten wir Strawinskys 1908 entstandenes Scherzo fan-t a s t i q u e, die zweite Komposition für Orchester des jungen Strawinsky, die das Leben in einem Bienenkorb schildert und sich dabei mit allen Finessen der Instrumentation und des Orchesterklanges vertraut zeigt. Über dem Vorwurf des äufcttSiWWiganges eebeW%ir eW5p^iIJv%ll ^rsf: ufi*-Wftü iind stets in anderen Facetten leuchten-dett-lebenr - “Walter-;IK lieh war*'der SälW des Klavierkonzertes b-moll von Tschaikowsky, dessen anspruchsvollem Part er an Feuer, Kraft und tänzerischem Schwung gerecht wurde. Mit einer Wiedergabe der 6. Symphonie von Tschaikowsky klang der Abend aus, der unter Wolfgang S a w a 1-Uschs Führung die Spannung bis zum letzten Takt hielt. Es spielten die Wiener Symphoniker.

Lieder von Schumann, Gustav Mahler und Hugo Wolf sang Emmy Loose, die feine Despina und Serva padrona unserer Oper. Wir danken ihr, nach langem wieder Mahler-Lieder gehörf zu haben (selbst im Zyklus „Mahler—Schumann—Wolf“), wovon das „Rheinlegendchen“ vielleicht die Erfolgspitze des Abends gewesen ist. Daß ihr neckische, humorige Lieder besser liegen, als beispielsweise die geistlichen Gesänge von Hugo Wolf, entspricht ihrer musikalischen Persönlichkeit. Erik Werba war, wie immer, der ideale Begleiter.

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