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Erstaunlicher Triumph

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Vor etwa hundert Jahren hatte der berüchtigte Kritiker Hans-lick seine Haßtiraden gegen das Werk geschleudert; 1920 erlebte Wien es als Gastspielproduktion in der Volksoper und in konzertanten Aufführungen: Umso erstaunlicher ist nun der Triumph, den Riccardo Muti mit dieser Produktion von Arrigo Boitos „Mefistofele” in der Staatsoper verbuchen konnte.

1995 hatte er sich dieses Schlüssel-werk der italienisch-deutschen Bo-mantik an der Mailänder Scala vorgenommen. Für die kleinere Wiener Bühne mußten die riesigen Bilder zwar zum Teil vereinfacht werden; aber der Eindruck der Zeitreise, des Sphärenspektakels zwischen Himmel und Hölle, gotischer Welt und antikem Arkadien, ist unbeschädigt erhalten geblieben.

Pier'Alli, Italo-Designer, Regisseur und Bühnenbildner, läßt den Zuschauer durch einen Tunnel - oder ein Fernrohr - hinauf zu Gottes Thron und in die höllischen Gefilde der Walpurgisnacht schauen: die Sphären und Sterne, bewacht von himmlischen Armeen, kreisen, die Hölle speit ihre Monstren aus. Und in diesem mystischen Spannungsfeld inszeniert Mefistofele seine - wie bei Goethe vergebliche - Seelenjagd durch Raum und Zeit. Pier'Alli setzt auf statische Bilder: Figuren fügen sich wie in Miniaturen ein in gewal tige Dekorteile; Bewegung erzeugen vor allem die Projektionen. Natürlich gefällt das nicht jedem. Aber es entspricht den - oft an Filmsequenzen erinnernden - Szenen.

Biccardo Muti zeigt das richtige

Gespür für imponierende Kraft, Monumentalität, Spannung: Sein leidenschaftliches Musizieren beflügelt die Phantasie und läßt einen immer wieder über die „modernen” Bezugspunkte staunen.

Der Wagnerianer Boito, der vor allem als Verdis genialer „Otello”- und „Falstaff'-Liberettist berühmt wurde, entfesselt ein Farben-Pandämoni-um, das Wagner, Mahler, Debussy ahnen läßt. Seine Klangphantasie und seine Instrumentationskünste gehö-

ren zum Aufregendsten im 19. Jahrhundert.

Die Aufführung beeindruckt durch die wie in einem Klangrausch spielenden Philharmoniker, durch Samuel Ramey als abgefeimten Mefistofele mit ausdrucksstarker Diktion und düster leuchtendem Baß, die herrlich sanfte Margarethe Miriam Gaucis und die feine Lyrik des Faust von Franco Farina. Sonderapplaus holte sich im allgemeinen Jubel der Staatsopernchor.

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