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Feste der Peripherie

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Die Festspiele der südfranzösischen Stadt Aix-en-Provence, ein Festival sozusagen an Europas Peripherie, sind längst zu einer liebenswerten Institution geworden: sie ruhen auf dem Fundament der Mozart-Opern und auf der nicht weniger sympathischen Institution eines ewig wolkenlosen Sommerhimmels, der Freilichtaufführungen ohne Regenversicherung gestattet. Sie finden im Hofe neben der Kathedrale statt, der freilich durch die massive, auch einen Schnürboden besitzende Bühne und entsprechende Tribünen so verbaut ist, daß seine Architektur nicht zum integrierenden Bestandteil der Szenerie werden kann.

Der große Vorteil von Aufführungen unter dem Plafond des Sternenhimmels ist die Herstellung der ursprünglichen Klangverhältnisse: denn das Fehlen eines Resonanzraumes für das Orchester verdünnt dessen Klang auf die Ausmaße des historischen Mozart-Orchesters. Die Holzbühne anderseits gibt den Stimmen normales Volumen, so daß der Ausgleich zwischen Gesang und Instrumentalmusik geradezu ideal

wird. Uber so gute natürliche Bedingungen verfügt keine andere Mozart-Bühne.

Das Publikum, das zu den Aufführungen kommt, besteht aus Kurgästen der Bäderstadt, Besuchern des Kasinos, zum größten Teil aber aus Sommergästen der nahen Riviera. Es sind fast ausnahmslos Franzosen, die mit großer Aufmerksamkeit und bemerkenswerter Stille den Darbietungen lauschen.

Diese naDen auren aie uuiuiwcga gute Qualität der Sänger hohes musikalisches Niveau. Es sind erstklassige Kräfte unter ihnen, solche, die schon seit Jahren ihre Kunst für dieses südlichste Mozart-Fest zur Verfügung stellen wie Theresa Stich-Randoll, andere, die Gelegenheit zu Neuentdeckungen geben. Heuer waren sie besonders fruchtbringend: die Engländerinnen Elisabeth Har-wood, Margaret Neville und Elisabeth Robson sowie der amerikanische Baß Donald Gramm und der österreichische Tenor Werner Krenn, der als Don Octavio in „Don Giovanni“ debütierte, gehören zu den besten Kräften ihres Rollenfachs.

Ein gewisses konservatives Element der Inszenierungen ist in durchaus positivem Sinn zu vermerken: In Aix-en-Provence steht Mozarts Musik an erster Stelle, man legt nicht Wert darauf, jährlich eine neue Inszenierung herauszubringen,

manches — wie gerade der „Don Giovanni“ mit seiner bemerkenswerten Perspektivarchitektur — steht schon seit vielen Jahren in der gleichen Ausstattung auf der Bühne, manches — „Cosi fan tutte“ zum Beispiel — erst seit relativ kurzer Zeit. Man hält es nicht für nötig, jährlich eine neue Auffassung, eine neue Regieidee, eine neue Interpretation zur Diskussion zu stellen: Gewisse Unbeholfenheiten der Regie, wie sie bei „Don Giovanni“ häufig auftraten, müßten sich allerdings nicht perpetuieren. Nicht unbedingt sein müssen schwache Dirigentenleistungen, wie sie ebenfalls Mozarts Semiseria beeinträchtigen. Sehr gut gelang indessen „Cosi fan tutte“ unter Serpe Baudo. Der Höhepunkt des diesjährigen Festivals wurde aber durch Aufführungen von Rossinis „Borbier von Sevilla“ erzielt Die unüberbietbare, zugleich humorvolle und seriöse Komik von Renato Capecchi, eines wahrhaft unbezahlbaren Doktor Bartolo, riß da ein hervorragendes Ensemble — Jan Berbi6 als Mezzo-Rosina, Alberto Rinaldini in der Titelrolle, Donald Gramm und den spanischen Tenor Eduardo Gimenez — zu effektvollem Zusammenspiel mit. Als- - insturmen taler Klangkörper StaltaIdÄs.' „Omistre dPaWzur Verfügung,-5das sich neuefdfngS?der künstlerischein Beratung durch Herbert von Karajon erfreut. Dieser hat natürlich schon bessere Orchester dirigiert und demonstrierte auch in Aix bei zwei Konzerten, daß seine Meisterschaft über alle Unzulänglichkeiten hinwegkommt. Nicht jedem der anderen Dirigenten gelang dies so souverän, am besten Karl Münchinger, der in der stark nachhallenden Kathedrale gleichwohl Mozarts Krönungsmesse sehr schön realisierte.

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