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Festspielkonzerte

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Die fünf Sommerwochen in der Mozart-Stadt umschlossen nicht nur sechs Operninszenierungen, drei Schauspiele und zwei Ballettprogramme (von denen — mit Ausnahme der neubesetzten „Cosi-fan-tutte“-Premiere, bei der lediglich die Verwässerung der bislang gültigen Schuh-Inszenierung festzustellen war — an dieser Stelle bereits die Rede war), sondern auch insgesamt nicht weniger als 38 Konzertveranstaltungen. Sie umfaßten neun Orchester-, drei Solisten- und fünf Kammerkonzerte, vier Liederabende, fünf Matineen, sechs Serenaden, fünf Sakralkonzerte und eine Veranstaltung elektronischer Musik.

Stilistisch und niveaumäßig geschlossen — also am festspielwürdigsten — wirkten die Sonntagsvormittagskonzerte im Dienste des weniger bekannten Mozart-Schaffens: ein Verdienst Bernhard Paumgartners, der die Vorzüge des Musikers und Musikforschers in sich vereinigt. Hochwertige Solisten (die Sänger Rita Streich. Kim Borg, Erika Koeth, die Pianisten Paul Badura-Skoda, Ingrid Haebler, Hans Henkemans, der Geiger Willy Boskovsky, der Flötist Kurt Redel und die Harfenistin Dora Wagner) traten zur exzellenten Camerata academica und zum ambitionierten Mozarteum-Orchester. In den Abendmusiken (meist im stimmungsdichten Residenzhof, bei Regen im akustisch unausgeglichenen Carabinieri-Saal) ' wurden die vor- und die nachklassische Epoche in ' die Programmfolgen einbezogen: Werke von Pergolesi und Schubert bildeten da die Eckpfeiler. Zu den bereits genannten Salzburger Ensembles kamen hier die römischen Musici und die Bläservereinigung der Wiener Philharmoniker (die allzu selten auf den Plan tritt/). Neben Paumgartner dirigierte der Deutsche Bernhard Conz (sonst Karajan-Assistent bei den Festspielen), der auch ein Kammerkonzert geleitet hat.

Diese Kammerkonzerte im Mozarteum galten der Streichquartettkultur (das Vegh-, Barylli-und das Ungarische Quartett widmeten sich Mozart,

Beethoven, Schubert, Ravel, Hindemith und Bartök), der italienischen Altklassik (Musici), dem Frühbarock und der Wiener Klassik (Mozarteum-Orchester). Die Programme der Liederabende von Dietrich Fischer-Dieskau, Irmgard Seefried und Elisabeth Schwarzkopf waren an drei Abenden auf Hugo Wolf und Brahms, außerdem auf Mozart, Schubert, Mussorgsky und Richard Strauss abgestimmt.

Mozart regierte selbstverständlich in den „K o n-z e r t e n geistlicher Musik“, die in der Aula academica unter der Leitung des Salzburger Domkapellmeisters Joseph Messner an der Spitze des Domchors, des Mozarteum-Orchesters mit Hilfe international bekannter Solisten stattfanden. Die c-moll-Messe zu St. Peter steht dagegen in jahrzehntelanger Tradition unter Paumgartners bewährter Führung. Bei den Solistenkonzerten mußte man auf das schwerste Programtn (der plötzlich erkrankte kanadische Pianist Glenn“ Gould wollte nach Haydn und Mozart Bachs Goldberg-Variationen spielen) verzichten. Doch leisteten der deutsche Pianist Wilhelm Kempff, der französische Cellist Pierre Fournier und der aus den USA gekommene Geiger Zino Francescatti ihren gewichtigen romantischen und virtuosen Beitrag. Geradezu sensationelles Interesse fand die Vorführung elektronischer Musik im Mozarteum, bei der wir vom Stand der experimentellen Dinge durch Aufnahmen des Kölner und des Mailänder Studios unterrichtet wurden. .

So weit, so gut. Einzig und allein die neun O r c h e s t ei k o n z e r t e, von denen eines in der Felsenreitschule, drei im Festspielhaus und die übrigen im Mozarteum stattgefunden haben, waren auf keine anerkennenswerte Generallinie gebracht. Das Concertgebouw-Orchester aus Amsterdam erwies sich als zuwenig elastisch, um vor allem dem Mozart-, aber auch dem Richard-Strauss-Niveau der Wiener Philharmoniker nahezukommen. Anstatt das in den Kammerkonzerten vorbildlich gehandhabte Programmgefüge „klassisch-modern-romantisch oder impressionistisch“ zu übernehmen, begnügte man sich mit einem geschlossenen zeitgenössischen „Pflicht“-Konzert, bei dem das Retrospektive überwog. George Szell, dem strengen Logiker, und Dimitri Mitropoulos, dem furtwänglernahen „letzten“ Romantiker unter den Spitzendirigenten von Weltruf, waren je zwei Konzerte überantwortet, Karajan machte das Verdi-Requiem zu einer zentralen Festspielveranstaltung (Wiener Philharmoniker, Singverein der Wiener Gesellschaft der Musikfreunde, Rysanek, Ludwig, Zampieri und Siepi als Solisten). Romantik von Weber bis Strauss (Lisa della Casa sang schön die „Vier letzten Lieder“) mit

Bruckners Siebenter Symphonie als Hauptwerk bot Karl Böhm Dem Kaleidoskop bunter Programmmischung hatten sich beide Male Mitropoulos (mit den Solisten Gould und Francescatti im Dienste von Bach-Brahms-Strauss-Beethoven) und Eugen lochum (zwischen Mendelssohn und Beethoven kam eine wenn schon nicht aufregende, aber in der Ehrlichkeit ihrer tiefen Aussage bestechende Novität des Holländers Hans Henkemans zu stehen) verschrieben. Szell und Keilberth sind verschieden geartete Mozart-Anwälte am Dirigentenpult. Ihre prominenten Solisten: der Pianist Rudolf Firkusny und die bewegliche Koloratursopranistin Maria Stader, der auch das schwere Sopransolo in der c-moll-Messe prächtig gelungen war. Die Wiener Philharmoniker garantierten in nur vier von den neun Orchffcer-konzerten gültiges Festspielniveau.

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