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Festspielkonzerte - heuer und künftig

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Ueber den 13 Orchesterkonzerten der Salzburger Festspiele 1957 schien ein Unstern zu walten. Innerhalb der ersten zwei Wochen gab es drei Absagen von Dirigenten. Für Otto Klemperer (der seinerseits schon an die Stelle von Bruno Walter getreten war) und für Joseph Krips sprang Herbert von Karajan ein, an die Stelle von E. van Beinum trat George Szell. Die Programme blieben im wesentlichen unverändert, keines der aufgeführten Werke kam durch die Umbesetzungen Zu Schaden. Und das ist ja schließlich die Hauptsache. Neben den Wiener Philharmonikern konzertierten heuer auch die Berliner Philharmoniker. Das Repertoire reichte von Mozart bis zur Linie Richard Strauss-Debussy-Ravel. In den elf „klassischen” Konzerten gab es nur ein einziges Werk eines lebenden Komponisten: Hindemiths „Metamorphosen”, die Rafael Kubelik dirigierte. Außerdem wurden zwei Orchesterkonzerte veran- anstaltet, die ausschließlich zeitgenössischer Musik gewidmet waren.

Unter der Leitung Herbert von Karajans spielten die Berliner Philharmoniker das neueste Werk von Theodor Berger, eine „S i n- fonia parabolica”, Gottfried von Ein em s 1. Klavierkonzert (mit Gerty Herzog als Solistin) und die „S y m p h o n i e 1 i t u r g i q u e” von Arthur Honegger. — Die drei Sätze: gleitend, schwebend und kreisend, aus denen Bergers Symphonie besteht, sind musikalische Prägungen von Bewegungsformen, dicht und streng gearbeitet, originell im Klang, harmonisch eher konziliant, aber zuweilen von heftiger Dynamik erfüllt. — Einems Klavierkonzert ist gefälliger und leichter, hat einen durchsichtigen Orchester- und einen im allgemeinen dünnen, aber trotzdem virtuosen Solopart und erinnert im Stil etwa an Poulenc oder Jean Franqaix.

Dimitri Mitropoulos hatte sich mit den Wiener Philharmonikern für fünf zeitgenössische amerikanische Komponisten eingesetzt. Am stärksten wirkte die das Konzert eröffnende „Symphonie für Bläser und Schlagzeug” von Günther Schuller, des jüngsten in der Reihe. Morton G o u 1 d s „Jekyll-and-Hyde-Variationen” zeigen Phantasie und Klangsinn, sind aber etwas lang ge raten. — Robert Manns „Phantasie für Orchester” wirkt etwas amorph und vermag nur streckenweise zu fesseln. — „Medeas Meditation und Rachetanz” von Samuel Barber kann man sich als spannungsreiche, wirkungsvolle Ballettmusik vorstellen. — Die Wiederbegegnung mit William Sch u m ans turbulenter „Zirkus-Ouvertüre” war unterhaltend und bildete den effektvollen Abschluß des instruktiven Konzertes.

Trotz der rein zahlenmäßigen Vergrößerung, welche das moderne Repertoire durch diese beiden Konzerte

Strauss und Hofmannsthal im Gespräch

Zeichnung von B. F. Dolbln, 1927

erfahren hat, wird, es sich für die kommenden Jahre empfehlen, die zeitgenössischen Werke nicht in Sonderveranstaltungen zusammenzufassen, sondern jeweils e 1 n Werk auf die Programme von insgesamt fünf oder sechs Konzerten zu setzen. Die Auswahl wäre so zu treffen, daß nicht etwa ein halbes Dutzend Komponisten während einer Festspielsaison zu Wort kommen, sondern daß man sich für einen Meister entscheidet und von diesem die fünf oder sechs repräsentativsten Stücke aussucht, die aufzuführen die verschiedenen Gastdirigenten ersucht werden. Die übrigen Plätze in diesen sechs Konzerten sind ausschließlich Werken des klassischen und romantischen Repertoires Vorbehalten. Für die restlichen fünf Konzerte empfehlen wir einen Bruckner- und einen Mahler-Zyklus. Jeder dieser beiden Zyklen wäre auf zwei Jahre zu verteilen, also etwa 1958: Mahlers Symphonien I bis V, 1959: Symphonien VI bis X. 1960: Bruckners Symphonien Nr. 1, 3, 5, 7, 9, und 1961: Symphonien 2, 4, 6, 8 und eine konzertante Messe-Aufführung (wie man das etwa in San Pietro zu Perugia gemacht hat). Mit diesem Grundstock bekämen die Festspielkonzerte etwas wie ein Profil, das ihnen bisher gefehlt hat. Dieses Konzept durchzusetzen, bedarf es freilich der vollen Autorität des Kunstrates der Salzburger Festspiele. Man wird also ä la longue auf Dirigenten verzichten müssen, die nur geneigt sind, das abzuspielen, was sie gerade auf der Walze haben. Dem Festspielpublikum aber würde durch eine solche Programmgestaltung etwas geboten, was es nicht auch ebensogut an zehn anderen europäischen Festspielorten hören kann.

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