6699602-1963_22_09.jpg
Digital In Arbeit

Festwochenkonzerte

Werbung
Werbung
Werbung

Beethovens „M i s s a s o1e m-n i s“, eines der gewaltigsten Werke geistlicher Musik, ist trotz gehäufter äußerer Schwierigkeiten nur von innen her zu erleben, nur vom Geist her zu gestalten, und dieser Geist ist jener der Liturgie. Dem kirchlichen Gebrauch ist diese Messe wohl durch ihren Umfang, nicht aber durch ihre Haltung und ihren Ausdruck entzogen. Die Aufführung unter Hans Swarowsky mit dem Tonkünstlerorchester, dem Jeunesse-Chor und Vilma Lipp, Hilde Rössel-Majdan, Peter Witsch und Peter Lagger als Solisten reichte bezüglich der exakten musikalischen Wiedergabe in die Bezirke der Meisterschaft. (Besonders der leunesse-Chor mit seinen frischen, wenn auch überforderten Stimmen und der Beschwingtheit seineä Singens war eine erfreuliche Begegnung.) Da jedoch der liturgische Geist fehlte, der alles zur höheren Einheit bindet, blieb alles im Akademischen stecken, die schönen Einzelleistungen (zu denen auch das Violinsolo von Rudolf Kalup gehört), bauten sich nicht zum großen Erlebnis zusammen.

Dies aber war der Fall bei der „Schöpfung“ von Joseph H a y d n, zu deren Aufführung sich die Wiener Singakademie, das Volksopernorchester und Hilde Güden, Waldemar Kmentt, Walter Berry als Solisten unter der Leitung von Istvän Kertesi

vereinten. Die Intensität des Dirigenten, der allerdings die dramatischen Elemente zugunsten der hymnischen und lyrischen dämpfte, wußte die geistige Einheit von allem Anfang an zu fassen und innerhalb der musikalischen Form zum Triumph zu führen. Im Sinne formal-gesanglicher wie ausdrucksmäßiger Gestaltung bot Walter Berry als Raphael und Adam eine überragende Leistung. Von ihm ging das „Erlebnis“ aus. Jedes Textwort war nicht nur klar verständlich, sondern hatte auch Ton und Gewicht seiner Bedeutung. Das Orchester ließ sich leicht und beschwingt führen, der Chor sang mit Präzision und Sicherheit, das Cembalo betreute Georg Fischer. F. K.

Am Vorabend von Richard Wagners 15 0. Geburtstag veranstaltete die Direktion der Wiener Festwochen im Theater an der Wien ein Sonderkonzert der Philharmoniker, das von Hans Knappertsbusch geleitet wurde. Nach dem sehr fein, aber ein wenig beiläufig, im Stil einer Serenade musizierten „Siegfried-Idyll“ (als die es ja ursprünglich auch gedacht war) folgte eine konzertante Aufführung des ersten Aktes der „Walküre“. Das Orchester klang prächtig, ebenso die drei Solostimmen: der Sopran der damenhaft-noblen Ciaire W a t s o n, der intensive, nur durch Nichtaktion gehemmte Tenor Fritz U h 1 * und der charaktervolle,

sympathische Baß Josef G r e i n d 1 s. Der Text freilich, so unbarmherzig exponiert und ohne Bühnenillusion, war eine arge Peinlichkeit. Knappertsbusch hat diese Partitur im kleinen Finger, im zweiten Teil lieh er ihr auch zuweilen die ganze Hand. Im ganzen: zwei Stunden vollkommener Musikwiedergabe.

Der Strawinsky-Abend im Zyklus „Werke lebender Meister“ im Großen Konzerthaussaal war den W i e-ner Symphonikern anvertraut. Sie wurden von Stanislaw Skrowaczewski dirigiert, der 1923 in Lemberg geboren und in Kraukau ausgebildet, gegenwärtig ständiger Dirigent des Minneapolis-Symphonie-orchesters ist. Strawinskys „Psalmensymphonie“, vor mehr als 30 Jahren geschrieben und vielleicht das vollkommenste musikalische Meisterwerk dieser

ersten Jahrhunderthälfte, haben wir schon intensiver, klangschöner, imposanter gehört. (Die Wiener Singakademie, einstudiert von Prof. Hans Gillesberger.) In den beiden Ballettsuiten aus „P e t r u s c h k a“ von 1911 und dem „F euer vo gel“ von 1909 erwies sich der junge polnische Dirigent mit seinen eckigen, energisch-präzisen Bewegungen als ein temperamentvoller Musiker, der den Effekt zwar nicht a priori sucht, aber um so sicherer erzielt und der, obwohl er das Orchester gelegentlich zu überfordern scheint, offenbar trotzdem dessen Sympathie genießt.

Das Sergei Prokofieff gewidmete Konzert wurde von der Bukarester Philharmonie ausgeführt, die 1868 gegründet wurde und seit 1920 von George Georgescu geleitet wird, der sich als ein unwahrscheinlich rüstige* Fünfundsiebziger präsentierte. Das 1945 verstaatlichte und 1953 reorganisierte Orchester besteht heute zu etwa neun Zehntel aus jüngeren Musikern, unter denen sich auch etwa ein halbes Dutzend Damen befinden. Auf die bekannte „Klassische Symphonie“ folgte das 2. Violinkonzert (mit dem 1925 geborenen Ion Voicu als Solisten) und die

VII. Symphonie. Das war kein gutes Programm, weil es nur die eine Seite Prokofieffs, den Autor gehobener symphonischer Unterhaltungsmusik, zeigte. Gerade anläßlich des zehnten Todesjahres von Prokofieff hätte man unbedingt eines der früheren, interessanteren, revolutionäreren Werke dieses ungemein fruchtbaren Komponisten aufnehmen sollen, etwa die „Skythische Suite“ oder den „Pas d'Acier“. Denn was in der „Klassischen Symphonie“ Stilwille und Absicht war, wirkt auf die Dauer primitiv und ermüdend ...

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung