Große Gefühle und schöne Melodien

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Klezmer-Künstler

Seit 36 Jahren arbeiten die Argentinier César Lerner und Marcelo Moguilevsky zusammen (links). Im Bild rechts: Troi (Tino Klissenbauer, Franziska Hatz, Vladimir Blum).

Klezmer saugt heute alle möglichen anderen, modernen Musikrichtungen in sich auf, ohne dabei seinen musikalischen Charakter einzubüßen.

Vielfalt

Shmaltz (links), Alexander und Konstantin Wladigeroff (oben); Alexander Shevchenko und Maciej Golebiowski (unten).

Die kreativen Funken fliegen nur so, wenn die zwei argentinischen Ausnahmemusiker César Lerner und Marcelo Moguilevsky gemeinsam auftreten. Klagende Melodien, waghalsige Triller, unerhörtes Kunstpfeifen - unglaublich, was der virtuose Lerner mit Instrumenten wie Klarinette, Flöte, Sopransaxophon, Mundharmonika oder Maultrommel, aber auch mit seinen bloßen Lippen anstellt. Seit nunmehr 36 Jahren arbeiten die beiden zusammen und begeistern das Publikum mit kunstvollen Improvisationen über bekannte Klezmer-Melodien, indem sie die ursprünglich in Mittel- und Osteuropa beheimatete jüdische Volksmusik mit argentinischer Folklore, Jazz, zeitgenössischer Musik und Tango mischen. So auch bei der Eröffnungsgala des 14. KlezMORE-Festivals im Wiener Porgy &Bess, das am vergangenen Wochenende gestartet ist und noch bis 19. November mit zahlreichen Konzerten aufwartet.

Klarinette und Ziehharmonika

Lerner/Moguilevsky - wie auch das gesamte Festival -sind der lebende Beweis für die Vitalität des Klezmer, der in der untergegangenen Welt des jüdischen Schtetls bei Hochzeiten und anderen Feierlichkeiten erklang und in den 1970er-Jahren ein großes Revival erlebte. Klezmer saugt heute alle möglichen anderen, modernen Musikrichtungen in sich auf, ohne dabei seinen musikalischen Charakter einzubüßen, für die unter anderem die Leitinstrumente Klarinette und Ziehharmonika sowie die typischen langgezogenen, schluchzenden Töne ("krechts") und die kleinen klagenden Ornamente ("kvetchs") sorgen.

Lachen und Weinen, Lebensfreude und Melancholie liegen im Klezmer stets nahe beieinander. Und noch eine Charakteristik, die leider in vielen aktuellen Musikströmungen verloren gegangen ist, hat sich im Klezmer erhalten: ein geradezu hemmungsloses Schwelgen in großen Gefühlen und schönen Melodien. In diese Kerbe schlug bei der KlezMORE-Eröffnungsgala das Trio Troi. Die drei Wiener Musiker (Tino Klissenbauer, Franziska Hatz, Vladimir Blum) haben Gedichte der bedeutenden jiddischen Lyrikerin Rajzel Zychlinski (1910-2001) vertont. Sie verknüpfen Texte wie "Nachts wenn du schläft schweigen diene Schuh" oder "Wohin du nicht gehen willst will ich mit dir gehen" mit himmlischen Melodien, die mit viel Schmelz vorgetragen werden und bei denen sich in die Klezmer-Grundstimmung eine gehörige Portion Wienerlied mischt. Das Ergebnis klingt wie eine weltmusikalische Interpretation von Hits populärer Sängerinnen wie Alexandra oder Belina, die in den 1960er-Jahren mit Chansons osteuropäischer bzw. jiddischer Prägung große Erfolge feierten. Im Jiddischen gibt es dafür den schönen Ausdruck "Schmaltz".

Extravagante Mixtur

Unter diesem Namen, wenngleich in anderer Orthographie, treten auch fünf in Berlin lebende Musiker mit den irren Künstlernamen Calypsia Bradzbudjamon, Marsi Ekna Luxcovia-Sluck, Cosmo W. Pepper, Levante I. N. Patsh und Dr. Itzbar Dschucka auf. Shmaltz sind bekannt für ihre extravagante Mixtur aus Herzblutmusik, bittersüßem Kitsch, aber auch mitreißenden Rhythmen, gesungen in einem Kauderwelsch aus Deutsch, Englisch, Jiddisch und Spanisch. Die Gruppe erzählt "vom Glik, Nichts zu haben", von weinenden Engeln, trauernden Eselstreibern und anderen Figuren aus ihrer Phantasieheimat Malwonien. Shmaltz spielen -ebenso wie das US-österreichische Duo "Die Wandervögel" - auf einer der beiden KlezMOREAbschlussgalas am 18. November im Haus der Begegnung Rudolfsheim.

Zum Rahmenprogramm des Festivals zählen auch heuer wieder Vorführungen von Stummfilmen mit Live-Musikbegleitung. Man kann gar nicht oft genug auf den Zauber hinweisen, der entsteht, wenn die mittlerweile ziemlich fremde Bildsprache des Stummfilms auf zeitgenössische, vor Ort in Echtzeit gespielte Musik trifft. Kommenden Sonntag wird im Kulturcafé Tacheles "The Docks of New York"(1928) gezeigt. Die Geschichte über die kleinen Leute in den Häfen New Yorks gilt als einer der besten Filme des legendären Regisseurs Josef von Sternberg. Dazu spielen die beiden virtuosen Klezmer-Musiker Alexander Wladigeroff (Trompete, Flügelhorn) und Konstantin Wladigeroff (Piano, Klarinette). Und am letzen Tag des 14. KlezMORE-Festivals wird - ebenfalls im Kulturcafé Tacheles -die Komödie "Die Bergkatze" (1921) von Ernst Lubitsch präsentiert, eine Komödie über die Liebe eines Armeeleutnants zur Tochter eines Räubers. Dazu musizieren live Alexander Shevchenko (Akkordeon) und Maciej Golebiowski (Klarinetten).

KlezMORE-Festival Bis 19. November www.klezmore-vienna.at

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