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Haydn, Bach und die Moderne

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Karl Richter dirigierte Haydns Oratorium „Die Schöpfung” (Singverein, Wiener Symphoniker). Der gewaltige Aufbau des Werkes, dessen letzte Steigerung der lyrische dritte Teil ist, war von des Dirigenten kundiger Hand unverrückbar sicher angelegt und kam vor allem durch die schlechthin vollkommene ‘Leistung des Chores zu seiner vollen Wirkung. Ausgewogenheit der Stimmen, Phrasierung und Textbehand- Tung waren vorbildlich, die Schwungkraft riß das Orchester zu temperamentvoller Leistung mit. Von den Solisten traf Franz Crass (Baß) am echtesten den Ton des großen Oratoriums. Vilma Lipps leuchtender Sopran schien diesmal ein wenig an Indisposition zu leiden, William Blankenships sympathischem Tenor fehlt die Ruhe des Vortrags. So ergaben drei hervorragende Solisten kein hervorragendes Trio. Dadurch blieb der Eindruck ungleich, was durch die Leistung des Dirigenten in der Gesamtwirkung wenig, in Einzelheiten dagegen sehr deutlich zu bemerken war.

Der Wiener Kammerchor sang unter der Leitung seines Dirigenten Hans Gillesberger „Lagrime die San Pietro” („Die Bußtränen des heiligen Petrus”), Orlando die Lassos letzte Komposition, 1594 veröffentlicht. Es sind 21 meist siebenstimmige Madrigale, von denen allerdings nur neun Zur Wiedergabe gelangten. Die Wiedergabe war eine stupende Leistung des Kammerchores, was Intonation, Ausdruck und klangliche Durchsicht betrifft. Von geringerer Wirkung war die „Missa choralis” von Franz Liszt (1862 entstanden), die weder an Konzentration und Dichte noch an Tiefenwirkung an das Werk des Altmeisters heranreicht. Im gleichen Verhältnis standen die von dem jungen Wilfrid Grasemann gespielten Orgelwerke: „Modus ludendi” und „Hymnus Christe” von Samuel Scheidt zum „Choral Nr. 2” von Cesar Franck, wenn auch gesagt werden muß, daß Grasemann an beide Stilarten mit gleicher Intensität heranging und in beiden seine Begabung für Struktur und Farbengebung bewies.

Das Londoner Belgische Klavierquartett brachte mit dem Klavierquartett c-Moll, op. 15 von Gabriel Faurė eine beschwingte Leistung, der man sich gerne hingab. Leider vermochten weder „Les hasards” von Florent Schmitt noch das Klavierquartett op. 33 von Jean Absil diese Wirkung zu erreichen. Die Bläße der Musik fand ihren Widerpart in der etwas steifen und trockenen Wiedergabe. Der Funke war zu schwach, um zu zünden.

Franz Krieg

Das dritte Konzert im Zyklus „Bach und die Moderne”, vom Chor und dem Orchester des österreichischen Rundfunks im Großen Konzerthaussaal ausgeführt, wurde von Bruno Maderna dirigiert, der heute zu den besten Interpreten schwieriger zeitgenössischer Partituren zählt. Von dem 1926 geborenen, seit mehreren Jahren in Wien ansässigen Engländer Francis Burt wurde einleitend die „Fan- tasmagoria per Orchestra” op. 12 erstaufgeführt, eine Phantasie- Suite aus seinem „Golem”-Ballett, das 1965 in Hannover Premiere hatte und im Mai dieses Jahres auch in Graz gegeben werden soll. Es ist ein handfestes Stück dramatischer Musik von 12 Minuten Dauer. Allerdings haben wir von Burt schon Feineres und Interessanteres gehört. — Otto M. Zykan, Jahrgang 1935, war der Solist seiner „Kryp- tomnemie für Bläser, Schlagzeug und Klavier”, eine recht unterhaltsame Komposition von 17 Minuten Dauer (etwa um zwei Minuten zu lang), in den Ecksätzen weitgehend Strawinskys „Petruschka” verpflichtet, während im langsamen Mittelteil abwechselnd „The Rake’s Progress” und Bergs „Lulu” anklingen — und trotzdem keine „Kleptomania” … Luigi Nonos „Due espres- sioni per orchestra” wurden seit 1953 oft, vor allem bei internationalen Musikfesten gespielt. Seine Webern abgelauschte Klangfarbenmelodie, eine Art Neopointillismus, ist längst nicht mehr neu, bezaubert aber immer noch im ersten der beiden Teile, während man beim Anhören des zweiten, trotz der Gesamtdauer von nur zehn Minuten, infolge der manieristischen Wiederholung immer der gleichen Effekte, ungeduldig werden kann. — Anton von Weberns nur sieben Minuten dauernde 1. Kantate op, 29 aus dem Jahr 1939 auf Texte Von Hildegard Jone beeindruckt durch die unbedingte, stets spürbare Reinheit des Wollens und die Einheitlichkeit ihres konzessionslosen musikalischen Stils. Doch sind diese Klänge, wie von anderen Planeten, nicht für jedermanns Ohren — und werden es vielleicht nie sein. Gottfried Preinfalk hat die schwierige Chorpartie minutiös einstudiert und die Polin Halina Lukomska hat den halsbrecherischen Solopart richtig und schön gesungen. — Zum Abschluß: „Nun ist das Heil und die Kraft”, ein recht effektvoll musizierter fragmentarischer Kantatensatz von J. S. Bach: eine Doppelfuge für zwei (recht schwach besetzte) Chöre, Oboen, Trompeten, Pauken, Streicher und Cembalo. Doch kann man, bei allem Respekt und aller Liebe zum Werk Bachs, dem Urteil im Programmheft, daß es sich hier um eine der „gewaltigsten, großräumigsten und klangvollsten Schöpfungen des Thomaskantors” handle, nicht zustimmen. Da wüßten wir andere zu nennen. Und nicht immer liegt in der Kürze die Würze…..

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