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Henze, Brouwer, Cerha, Ligeti...

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Das erste Konzert im Rahmen der Reihe „Musik des 20. Jahrhunderts“ im Rahmen der Berliner Festwochen dirigierte Hans Werner Henze, der gemeinsam mit dem 31jährigen Kubaner Leo Brouwer dessen „Exae-dros II“ zur Uraufführung brachte. Die für Schlagzeugsolo und zwei Orchestergruppen komponierte Musik ist in zwei etwa einen Meter hohen Partituren aufgezeichnet, und zwar in graphischer Notation. Im Mittelpunkt des turbulenten, farbenreichen musikalischen Geschehens, das immer wieder von Rumbarhythmen aufgepeitscht wird, steht — nein bewegt sich, auf leisen Sohlen wie ein kleiner schwarzer Teufel hin- und herhuschend, der junge Japaner Stomu Yamashta, der ein gewaltiges, hochdifferenziertes Schlagwerkarsenal bedient. Er wurde zum Star des interessanten Konzerts, dessen zweite Programmhälfte Henzes Sinfonia Nr. 6 für zwei Orchester bildete. Ihre Themen sind von kubanischer Folklore inspiriert, die in Henzes komplizierter, zuweilen ein wenig diffusen und amorphen Schreibweise kaum mehr zu erkennen sind. Aber es ist ein Etwas an Feuer und Emotion, an Kraft und Spannung seiner Musik beigefügt, das ihr sehr zustatten kommt. (Die Uraufführung des neuen Werkes fand vor einem Jahr im Teatro Garcia Lorca in La Habana unter der Leitung des Komponisten statt). Viel Beifall auch für den Dirigenten Henze und das mit größter Hingebung spielende Beritner Philharmonische Orchester.

Im Großen Konzertsaal des Senders Freies Berlin konzertierte unter der Leitung Friedrich Cerhas das Ensemble „die reihe“ aus Wien. Von Cerha hörten wir Bruchstücke aus „Exercises“, die 1962 bis 1967 entstanden sind, sowie die Uraufführung der „Langegger Nachtmusik“ von 1969. Interessant ist, wie Cerhas Palette immer farbiger wird, wie er in immer größere Nähe zu Alban Berg gerät — sehr zum Vorteil seiner Musik. — Von György Ligeti gab es das auch bereits in Wien gespielte Cellokonzert mit dem unwahrscheinlich virtuosen Siegfried Palm und als Uraufführung ein originelles vier-sätziges Kammerkonzert für 13 Instrumentalisten, von denen jeweils zwei, drei oder mehrere in virtuosem Spiel zusammengespannt werden, also kein Wechsel von Tutti und Solo. Klanglich und harmonisch apart, zeigt dieses Werk Ligeti auf neuen Wegen. — Was den jungen Leuten im Publikum an dieser Musik nicht gefallen hat, bleibt unerfindlich. Wann sie klatschen, buhen oder blöken, ist kaum jemals vorauszusagen. Auf unsere Frage, was denn diesen jungen Leuten wohl am besten gefiele, meinten Berliner Freunde: „Vielleicht Robert Stolz.“

Bis auf den letzten Platz besetzt war der große Sendesaal des SFB bei einem Liederabend Dietrich Fischer-Dieskaus, und dies trotz des Programms, das, intelligent zusammengestellt und mit hohem künstlerischem Ernst vorbereitet und vorgetragen, ausschließlich frühe Lieder von Schönberg, Berg und Webern aus den Jahren 1899—1909 sowie drei Schönberg-Lieder von 1933 enthielt. Im Mittelpunkt des Programms stand die Uraufführung der „Terzinen über Vergänglichkeit“ von Hofmannsthal durch Wolfgang Fortner: ein bedeutendes, bestens geglücktes Werk mit weitausschwingender Gesangspartie, sparsam punktueller Begleitung und temperamentvollausladenden Zwischenspielen. — Aribert Reimann, der Komponist der „Vogelscheuchen“, erwies sich als einfühlsamer, sensibler und auch technisch hervorragender Begleiter.

In der Kaiser-Friedrich-Gedächtniskirche waren an einem Sonntag Nachmittag Werke der Musica nova sacra zu hören: Peter Schwarz spielte, ein wenig gedehnt, die „Volumina für Orgel“ von Ligeti, auf Fünf Gebete für Frauenchor a capella von Ernst Kfenek folgten Weberns Fünf geistliche Lieder für Sopran (Catherine Gayer) und fünf Instrumente, Dallapiccolas Komposition für Cello-Solo aus dem Jahr 1945 wollen wir mit Schweigen übergehen und nur noch das dieses etwas bunte Konzert beschließende „Maior Angelis“ für Frauenchor, Sopran, vier Flöten, Orgel und Kontrabaß, eine Auftragsarbeit der Evangelischen Kirche, von F. M. Meyer erwähnen, der sein Handwerk versteht und viel neue Musik gehört und aufgeführt hat.

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