6769483-1968_48_11.jpg
Digital In Arbeit

Horvat, Swarowsky, Otterloo

Werbung
Werbung
Werbung

Im Zyklus „Die Fünfte Symphonie” im Konzerthaus dirigierte Milan Horvat Schostakowitschs international erfolgreiche „Fünfte” von 1937: Gerade die Mischung zwischen plakathafter Grelle der unkomplizierten Formabschnitte, doktrinärem Pathos in der theatralischen Gebärde und leicht skurril gefärbter Lyrik zeichnete er überzeugend, mit harten Konturen. Die Symphoniker waren ausgezeichnet in Form, musizierten kontrastreich, im Ausdruck intensiv. Nelson Freire spielte Chopins e-Moll-Klavierkonzert: Der 24jährige Brasilianer, der zwei Jahre in Wien Seidlhofer- Schüler war, begann seine Karriere 1959. (Konzerte unter Kempe und Boulez stehen bevor.) Seine Wiedergabe von Chopins Opus 11 geriet sehr delikat, im Anschlag elegant, durchsichtig, • wenngleich etwas spannungsarm. Vor allem die zartgetönten, poesievollen Passagen, besonders die Romanze, gefielen. Das Orchester begleitete etwas zu kräftig, so daß ein paarmal reizvolle Stellen des Klaviers überdeckt wurden. Liszts „Les Prėludes” wurden prachtstrotzend, mit großer Blechentfaltung vorgetragen.

Das Rundfunkkonzert der Symphoniker unter Hans Swarowsky stellte Aurora Natola mit Saint- Saens Cellokonzert (a-Moll, op. 33) vor, eine Virtuosin von Rang, die das technisch und klanglich unerhört anspruchsvolle Stück mit Bravour und delikatem Geschmack, außerdem mit samtigem Ton vorexerzierte. Eindrucksvoll geriet die Erstaufführung der 2. Symphonie von Witold Lutoslawski, neben Penderecki dem bedeutendsten lebenden polnischen Komponisten. Das zweisätzige Werk ist 19 Jahre nach der 1. Symphonie 1966/67 entstanden, überzeugt durch interessante formale Organisation und eigenwillige Klanggestaltung: In Sekundenabschnitten „ad libitum” entwickeln sich Klangströme voll raffinierter Effekte, reizvolle rhythmisch-metrische Schichtungen, kurz: ein Fluß von Strukturen und Farben. Die Symphoniker realisierten den „Klangteppich”, besonders des zweiten Teils, mit Einfühlung, folgten Swarowskys präzisen Markierungen mit Akkuratesse. Den liebenswürdigen Anfang machte Hugo Wolfs „Italienische Serenade” in der von Max Reger herausgegebenen Orchesterauffassung.

Unter seinem ständigen Leiter Willem van Otterloo spielte das Residenzorchester Den Haag vergangene Woche im Großen Konzerthaussaal drei inkontestable Meisterwerke des 20. Jahrhunderts, denen Anton von Weberns Opus 1, eine Passacaglia für Orchester, vorausging, die man, obwohl sie von Webern ist, doch lieber nicht spielen sollte, denn sie klingt wie das Gesellenstück eines wenig talentierten Akademieschülers. — Alban Bergs Kammerkonzert für Klavier und Geige mit 13 Bläsern stammt aus den Jahren 1924/25, und man kann sich gut vorstellen, welche Schwierigkeiten es bei seiner Uraufführung Ausführenden und Hörern bereitet haben mag, und wir geben gerne zu, daß es auch uns vor 10 bis 15 Jahren viel wengier ins Ohr gegangen ist als bei diesem Konzert. Expression und Konstruktion sind hier fast „deckungsgleich”. Die letztere ist einfach und streng zugleich: der erste Satz für Klavier und Bläser, ein Scherzoso con Variation!, wird mit dem zweiten, einem Adagio für konzertierende Violine, im dritten Teil (Rondo ritmdco) vereinigt — ein wahres Meisterstück akribischer und inspirierter Kompositionstechnik. H. Theo Olof und Theo Bruns waren die ausgezeichneten Solisten. Otterloo und die Bläser seines Orchesters waren mit bestem Gelingen auf sonoren Vortrag bedacht, und wir bestätigen ihnen gern, daß wir dieses anspruchsvolle Werk noch nie so schön gehört haben. — Auch die 1945 in Amerika geschriebene Symphonie in drei Sätzen Strawinskys mit ihrem trockenen, xylophonartigen Orchesterklang, ihren wohldosierten rhythmischen Akzenten und den fioriturenreichen Holzbläserpassagen sowie die das Konzert effektvoll beschließende 2. Suite aus Ravels Ballett „Daphnis und Chloe” ließen kaum einen Wunsch offen. Das ausgezeichnete Gastorchester, das etwa den Rang unserer Symphoniker hat, und sein liebenswürdiger Dirigent wurden lebhaft bedankt.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung