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Klassiker-klassisch gespielt

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Im 7. Philharmonischen Konzert dirigierte Carl Schuricht die Manfred-Ouvertüre von Robert Schumann sowie die 5. Symphonie von Schubert und die 4. von Brahms. Den greisen Dirigenten, der auf zwei Krücken zum Pult aufs Podium gelangt, durchströmt vom ersten Einsatz die verjüngende Kraft des Genius. Knapp und ganz ohne Inszene sind seine Gesten, aber energisch und sich souverän durchsetzend. So war denn auch die Manfred-Ouvertüre in ihrer Ausgewogenheit ebenso ihren Helden als ihren Schöpfer deutend und Schuberts „Fünfte“ in B-Dur hatte allen privaten Schimmer gepflegter Hausmusik (im höchsten Sinn). Die „Vierte“ von Brahms wurde in ihrem Ausdruck von Kraft und Ergebenheit, in der Vereinigung ihrer Widersprüche zu einem runden Ganzen durch die Wiedergabe zu einem echten Spiegelbild des Komponisten. Alle Farben des Orchesters leuchteten in diesem Sinn, alle Kontrapunkte zeichneten dieses Bild, das bei aller Kraft keine Härte, bei allem Fließen der Linien keine Verschwommenheit kannte.

Im 6. Konzert des Zyklus „Die große Symphonie“ spielten die Symphoniker unter der Leitung von Dr. Karl Böhm die drei letzten Symphonien Mozarts: Es-Dur, g-Moll und C-Dur (Jupiter). Der Gedanke, einen ganzen Abend dem symphonischen Schaffen Mozarts zu widmen, mag seine Probleme in sich haben: für Karl Böhm und die Symphoniker bestanden sie nicht. Welcher Glanz im Orchester, welche lebendige Nachzeichnung des Schöpferischen durch den Dirigenten! Der klangfülligen Es-Dur folgte die weiche und im Grunde elegische g-Moll, und die strahlende „Jupitersymphonie“ krönte das Programm. Die Wiedergabe aller drei Symphonien war ebenso festlich als herzverbunden, sie wurde zum persönlichen Ereignis und zur stolzen Freude des Publikums an seinen Landsleuten: Mozart, Böhm und die Symphoniker.

Zum Klavierabend von Elly Ney drängte sich das Publikum in Scharen. Die greise Pianistin spielte im ausverkauften Großen Musikvereinssaal Mozarts Sonate A-Dur, KV 331, Schuberts Wandererphantasie sowie die Sonaten cis-Moll op. 27 (Mondscheinsonate) und c-Moll op. 111 von Beethoven. Ihr reines, ebenso weiches wie kraftvolles Spiel ist absolut beherrscht, ihre Auffassung denkbar einfach; es ist, als spiele eine Mutter ihren Kindern etwas vor. Tatsächlich ist die Mütterlichkeit in ihren Händen, und hinter den Tönen leuchtet das Herz auf, das die Zuhörer zur Familie macht, die das denn auch sogleich spürten und mit begeistertem Beifall antworteten. Sie fühlten sich zu Hause.

Alexander Jenner zählt zu den markantesten jungen Pianisten und profiliert sich immer mehr zur Persönlichkeit. An einem Abend der „Jeunesses musicales“ spielte er die Phantasien op. 116 von Brahms und vermochte die sieben Stücke trotz ihrer Kürze charakterlich fein zu kontrastieren, den Unterschied zwischen Capriccio und Intermezzo, oft nur in Anschlagsnuancen, festzuhalten. Thematischen Aufbau und Durchführung gelang ihm in Beethovens Sonate g-Moll op. 57 straff nachzuzeichnen, romantische Klangfülle und Stimmungswechsel in Schumanns Sonate g-Moll op. 22 bei aller technischen Gewandtheit zum Ausdruck zu bringen. Letztere brachte er zum Triumph in Strawinskys „Trois Mouvements de Petrouchka“, deren lebendige und gestaltende Wiedergabe ihn einmal mehr als Persönlichkeit legitimiert.

Am Abend des 27. April fand in der Wiener Staatsoper eine Festaufführung von Beethovens IX. Symphonie statt, die von einem Prolog von Rudolf Henz (Spreoher: Walther

Karikatur von H. P. Bauer Reyer) eingeleitet wurde. Nach der Beschwörung der apokalyptischen Reiter der Kriegsjahre und dem Appell an die Jugend: der Schillersche Freudenhymnuis, gesungen von den Solisten Wilma Lipp, Christa Ludwig, James King und Otto Wiener (ein erlesenes Quartett) sowie von den vereinigten Chören der Staatsoper und des Singvereins. Unter der Leitung von Dr. Karl Böhm spielten die Wiener Philharmoniker, auf angehobenem Podium, in Bühnenhöhe. Diese war mit schwarzem Stoff ausgeschlagen, von dem sich leuchtend die schönste aller Fahnen mit dem Staatswappen abhob. Freudiger Beifall bereits vor Beginn und natürlich auch am Ende der repräsentativen Aufführung. Sie war die musische Ergänzung zu den Reden der Politiker und der militärischen Demonstration am Vormittag des gleichen Tages.

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