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Konzerte unter Heger, Karajan und Swarowsky

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Die Spielpläne unserer beiden großen Gesellschaften sind ziemlich genau aufeinander abgestimmt. Dagegen scheinen zwischen diesen und den übrigen Orchestern Isolierwände aufgerichtet zu sein, obwohl fast alle Konzerte im gleichen Raum, nämlich im Großen Mu6ikvereinssaal stattfinden: Hier hörten wir in dieser Saison schon dreimal Bruckners „Neunte“. Sicher auch ein schönes Zeichen der Bruckner-Pflege und dafür, daß sich gerade dieses Werk besonderer Wertschätzung erfreut. Aber dreimal in so kurzem Abstand — damit erzielt man zugleich auch einen sehr ungünstigen Effekt: den des „Abspielens“ ...

Nach langer Pause sahen wir Robert Heger wieder, der in den dreißiger Jahren so oft am Pult der Staatsoper gestanden. Auch an seinen „Bettler Namenlos“ erinnern wir uns, die Ody66eus-Oper. Mit den Tonkünstlern musizierte er im 2. Sonntagnachmittagskonzert, zunächst ohne das magische Staberl, Mozarts B-dur-Symphonie (K. V. 319): blitzsauber und mit rhythmischem Elan. Dann folgte die IX. Symphonie von

Bruckner in der Originalfassung. Das Scherzo war merklich beschleunigt, da6 Adagio drohte an einigen Stellen auseinanderzufallen. Dies geschieht bekanntlich bei den „Urfassungen“ leichter als bei den Bearbeitungen.

Karajan hatte das gewaltige Werk kurz vorher dirigiert. Vom ersten Fortiseimo an, das wie ein Blitzschlag trifft — und zwar nicht durch die Gewalt der Lautstärke, sondern infolge seiner Heftigkeit und Präzision —, bi6 zum letzten Hörnerakkord ließ die Spannung nirgends nach. Karajan macht zahlreiche Details so „richtig“, wie man 6de sich beim Lesen der Partitur vorstellt — und fast nie zu hören bekommt. In den W i e-ner Symphonikern hat er ein außerordentlich geschmeidiges Instrument in der Hand, das nur im Trio des Scherzos — ebenso wie die Tonkün6tler und im Unterschied zu den Philharmonikern unter Knappertsbusch — nicht jene letzte Genauigkeit zeigte, die diese überaus heikle Stelle nun einmal verlangt. — Im zweiten Teil des Konzerts folgte eine gut ausge6chliffene und packende Wiedergabe des Te Deum von Verdi, in dem der große Chor des Singvereins 6ich glänzend hervortat. — Aus dem Programm des 2. Konzerts unter Karajan möchte ich nur das 3. Klavierkonzert von Bela Bartok (zwischen der symphonischen Dichtung „Vysehrad“ von Smetana und der Zweiten von Brahms) herausgreifen, dessen Solopart der Schweizer Pianist Paul Baumgartner sehr delikat, ganz im Filjgranstil der Komposition, interpretierte. Dieses Konzert ist die allerletzte Komposition Bartöks, deren Schlußtakte von einem Schüler instrumentiert wurden. Alle-gretto-Grazioso-Scherzando ist der erste der drei knappen Sätze überschrieben, und 60 ist auch der Charakter des ganzen Werkes. Ein Adagio religioso als Mittelsatz hat kaum schwereres Gewicht und zeigt jene Einfachheit, die man fast 6chon als Simplizität empfindet. Von Bartok ist außer der gediegenen Meisterschaft der Arbeit und der Gelenkigkeit der einzelnen melodischen Linien ndcht sehr viel in diesem Konzert zu spüren. Wir haben ein vollkommen abgeklärtes Werk vor uns, da6 — ähnlich wie Strawinskys letztes Opus — einem Schönheitsideal huldigt, das seine reinste Verkörperung in Mozart fand.

Der Schumann-Zyklus der Konzerthausgesellschaft wurde mit einem Orchesterkonzert unter Han6 Swarowsky eingeleitet, den wir gleichfalls nach jahrelanger Pause wieder in einem Wiener Konzertsaal wiedersahen. Zwischen der Manfred-Ouvertüre und der IV. Symphonie standen jene zwei Nummern, auf die 6irh begreiflicherweise das Interesse konzentrierte: das a-moll-Konzert und die „Papillons“, gespielt von Wilhelm K e m p f f, dessen Eigenart bereits Im Kauimermusikbericht der vorletzten Folge der „Furche“ gewürdigt wurde, und die acht Frauenchöre, die Pfitzner mit einer Orche6ter-begleitung versehen und durch Zwischenspiele verbunden hat. Beide sind origineller als manche Originalkomposition Pfitzners und wurden von den Symphonikern unter Swarowskys Leitung sehr sauber und duftig musiziert. Ein imposantes Ensemble von Frauenstimmen stellte die Singakademie. — Dem Schumann-Zyklus ging ein breit angelegter und gedankenreicher Vortrag von Professor H. Swarowsky voraus, der durch einige Schumann-Lieder illustriert wurde. Bei ihrer Interpretation lernte man in Ilse Katschinka einen Sopran von ungewöhnlich schönem Timbre und sorgfältiger Schulung kennen, eine Stimme, deren Klang und Ausdruck im Ohr bleiben.

In einem Konzerl des Ravag-Orche-s t e r s stellten sich zwei Mitglieder der in Wien weilenden sowjetischen Künstlerdelegation nochmals vor: der Geiger Igor Be6rodny mit dem Violinkonzert von Brahms und der Cellist M. Rostropowitsch mit dem Cellokonzert von Dvorak. Auffallend bei beiden ist der kultivierte Ton, das Vermeiden aller — auch jugendlicher — Exzesse und eine fast salonmäßig-korreikte Art des Musizierens, das mehr im Detail als im Gesamteindruck befriedigt. Das Ravag-Ol ehester unter Professor Kassowitz begleitete ziemlich grob. Die das Konzert beschließenden sanftbewegten, orientalischen Tänze aus dem Ballett „Gayaneh“ von Chatschaturian wurden durch den Dirigenten mit viel zu heftigen Akzenten versehen.

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