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Kubelik, Karajan und Giulini am Pult

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Im Mozart-Saal und unter Rafael Kubelik sind die Wiener Philharmoniker couragierter und fortschrittlicher als in ihren traditionellen Sonntagvormittagkonzerten. Im 3. Konzert des Kammerorchesters spielte man gleich zwei neue Werke: Frank Martins in der ganzen Welt erfolgreiche „Petite Symphonie concertante“ für Harfe, Cembalo, Klavier und zwei Streichorchester, die 1945 für das Basler Ensemble Paul Sachers geschrieben wurde, und Theodor B e r g e r s „M a-linconia“ aus dem Jahre 1933, eine pastorale Phantasie für vielfach geteilte Streicher. Eleganz, Schwung und Klangschönheit zeichneten den Vortrag des zweisätzigen, sehr wirkungsvollen Stückes von Martin aus, während es an Präzision (nicht nur des Harfenparts) da und dort fehlte. Trotzdem hätte man die drei Solisten an den Saiteninstrumenten im Programm nennen sollen. Eröffnet wurde das Konzert mit Mozarts „Sinfonie concertante“ für vier Bläser und Orchester, die von den Herren Kamesch, Oehlberger, Prinz und Freiberg virtuos, aber nicht ohne kleine Ausrutscher musiziert wurde.

Mozarts „Maurerische Trauermusik“, das Violinkonzert von B r a h m s und die 5. Symphonie von Prokofieff standen auf dem Programm des 4. Karajan-Konzertes im Musikverein. Zu Ehren des Herzogs August von Mecklenburg-Strelitz und des Grafen Franz Ester-häzy schrieb Mozart im Jahre 1785 jenes einsätzige Werk von,edlem Wohllaut, dessen Klang durch die dunklen Bassetthörner und dessen melodischer Charakter durch einen als Cantus firmus benützten Gre-gorianischt.i Choral bestimmt ist. — Der junge französische Geiger Christian Ferras spielte mit edlem, schlankem Ton und sensiblem Ausdruck das subtil begleitete Violinkonzert von Brahms, dessen letzter Satz durch das ungewohnt langsame Tempo auffiel. Von den vier Sätzen der breit angelegten 5. Symphonie Prokofieffs, die 1944 entstanden ist, geben wir den beiden bewegten Teilen den Vorzug. Prokofieff sah in dieser „Symphonie über die Größe des menschlichen Geistes“ einen der Höhepunkte seines Schaffens. Auch wenn man seinem Urteil nicht beipflichtet und eher eine betrübliche Simplifizierung seiner Handschrift feststellen muß, bleibt diese Fünfte ein gutklingendes, wirkungsvolles Werk, dessen Vorzüge der Dirigent ins hellste Licht zu rücken verstand. Sehr lebhafter Beifall für das Orchester der Wiener Symphoniker, den Solisten und für Karajan, der immer lockerer und „lyrischer“ wird; sehr zugunsten des Gesamteindrucks.

Wegen der gleichzeitig stattfindenden „Fidelio“-Aufführung in der Oper unter Dr. Böhm mußte der Referent den ersten Teil des von Carlo Maria Giulini geleiteten 6. Konzerts im Zyklus „Die große Symphonie“ (Mozart, Divertimento D-dur, und Violinkonzert D-dur von Paganini, mit Bronislav Gimpel als Solist) versäumen. Nach der Pause hörten wir Respighis „Fontane di Roma“ und drei Tänze aus de F a 11 a s Ballett „Der D r e*i-s p i t z“. — Nach der mißglückten Uraufführung seines letzten Werkes am 11. März 1917 im Augusteo bezeichnete Respighi die „Fontane“ als „unlavoro mancato“ (eine verfehlte Arbeit) und schloß die Partitur ein. Aber schon im Jahr darauf führte Toscanini diese vier originellen und klangprächtigen Impressionen in Mailand zu rauschendem Erfolg. Das gleiche glückte Maestro Giulini auch in Wien. Wir haben den volltönenden Hörnerklang der Tritonen, die schäumenden Streicherpassagen, welche die Fontana di Trevi charakterisieren und die von Glockenklang und Vogelgezwitscher untermalte Abendstimmung beim Brunnen der Villa Medici noch nie so faszinierend, farbig und leuchtend gehört. — Von den drei Tänzen aus dem „Dreispitz“ geriet der letzte vielleicht etwas zu lärmend. Denn Maestro Giulini ist ein äußerst lebhafter und temperamentvoller Musiker. Sicher — jung, schlank und elegant — auch ein Schaudirigent. Aber vor allem ein sclrog-technisch gewandter und mitreißender Orchesterleiter. Sehr starker Beifall auch für die Symphoniker. *

Ein „todsicheres“ Programm hatte sich Kurt W c s s für sein vorläufig letztes Konzert in Wien zusammengestellt. Er begann bereits mit einem Werk, das sonst als wirkungsvoller Abschluß dient: Tschaikowskys „Pathätiqu e“. Und R a v e 1 s „Bolero“ wirkt immer elektrisierend. (Bei der Uraufführung freilich rief eine alte Dame: , .Hilfe, ein Verrückter, ein Verrückter!“ Worauf Ravel, dem sein Bruder von dieser Spontanreaktion berichtete, gelassen meinte: „Diese allein hat die Sache verstanden.“) Leider passierte im Orchester und bei den „Solisten“ dies und jenes. — Sein Konzert für Klavier, Trompete und Streichorchester schrieb D. Schostakowitsch mit 29 Jahren. Die Zirkus-Clownerien der Solotrompete, die banalen Themen und der grimassierende Witz des letzten Teiles verderben einem den Geschmack an diesem im ganzen nicht gerade feinen, aber unterhaltsamen Stück. (Hiroshi Kajiwara und Eduard Körner wurden von den Wiener Symphonikern begleitet.)

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