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Mahler war abendfüllend

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Otto K1 e m p e r e r ist der größte lebende Mahler-Dirigent. Seine Interpretation kann als durchaus authentisch gelten. Unter seiner Leitung spielten im Theater an der Wien die Philharmoniker Mahlers 2. Symphonie, die, nach dem Chorlied des letzten Satzes (Singverein der Gesellschaft der Musikfreunde) den Titel „Auferstehungssymphonie“ erhalten hat. Mit geballten Fäusten türmt Klemperer die Riesenquadern der vier Sätze aufeinander. Form und Ausdruck kommen gleichermaßen zu ihrem Recht. Galina Wischnewskaja sang mit schöner, starker, ein wenig scharfer Stimme das Sopransolo, Hildegard Rössel-Maj-d a n die Altpartie. Den entfesselten Klangmassen war das bis auf den letzten Platz gefüllte Theater an der Wien nicht ganz gewachsen.

Unter den Dirigenten der mittleren Generation steht Rafael Kubelik als Mahler-Interpret mit an erster Stelle. Er leitete im Großen Konzerthaussaal eine Aufführung von Mahlers Neunten, die (posthum) 1912 unter Bruno Walter in Wien uraufgeführt wurde und Mahlers letztes vollendetes Werk ist. Sie dauert, wie die zweite Symphonie, volle achtzig Minuten, und auch hier sind die Ecksätze die bedeutendsten, während im zweiten Teil (Ländler) und im dritten (Rondo-Burleske) aus früheren Werken bekannte Modelle abgewandelt werden. Der Vorstoß in musikalisches Neuland erfolgt vor allem im ersten Satz, dessen äußerst spröd klingende Instrumentierung Mahler, nach wiederholtem Anhören, wahrscheinlich noch stark modifiziert hätte. Kubelik interpretiert das schwierige Riesenwerk mit Ehrfurcht und Einfühlung. Das Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks war mit größter Aufmerksamkeit bei der Sache. Manches freilich klang härter, dafür aber deutlicher, als wir es gewohnt sind. Das Publikum beider Mahler-Konzerte war von Werk und Wiedergabe sichtlich beeindruckt.

Das dem Werk Felix Mendelssohns gewidmete Konzert wurde vom Radiosymphonieorchester Berlin unter der Leitung von Lorin Maazel ausgeführt. Auf die Hebri-

den-Ouvertüre folgte die Reformationssymphonie mit dem Dresdener „Amen“ (einer Responsorienformel der evangelischen Kirche, die Wagner unverändert in feinen „Parsifal“ übernommen hat), hierauf drei Stücke aus der Musik zu Shakespeares „Sommernachtstraum“ und die Italienische Symphonie. Alle diese Werke bezeugen eine phänomenale kompositorische Begabung, und jedes einzelne von ihnen könnte zum virtuosen Glanzpunkt eines Konzerts mit „gemischtem“ Programm werden. Nacheinander aufgereiht, lassen sie die Schwäche von Mendelssohns Stil (die die Kehrseite seiner Virtuosität ist) allzu deutlich hervortreten: die Glätte und Pro-blemlosigkeit seiner Musik. Aber das hätte nicht unbedingt so sein müssen. Es gibt auch andere, weniger bekannte, schwierigere Werke Mendelssohns, vor allem unter seinen Chorkompositionen. Hier konnte auch Lorin Maazel und das brillant spielende Berliner Orchester nicht helfen.

Helmut A. Fiechtner

Verdis „Messa da Requiem“, als letztes der großen Festwochenkonzerte, faßte gleichsam symbolisch die internationalen Kräfte dieser Institution zusammen: das Berliner Radiosymphonieorchester, die Wiener Singakademie, Pilar Lorengar, Christa L u d-w i g, Nicolai G e d d a und Nicolai Gjaurov als Solisten; Dirigent war Lorin Maazel. Unter seiner Hand wuchsen unerhörte Spannungen aus dieser Musik, zuweilen auch rhythmische Unscharfen, vor allem aber dynamische Übersteigerungen, die das Wort überdeckten, obwohl meist fortissimo gesungen wurde. Einzelne Details gelangten zu großartiger Wirkung, so die Chorfugen hn Sanctus und im Libera, andere gingen im Lärm unter. Die Einzelleistungen der Solisten waren durchweg bedeutender als ihr Zusammensingen im Quartett. Pilar Lorengars lichter Sopran überleuchtete sieghaft Chor und Orchester selbst in stärkster Kraftentfaltung, Christa Ludwigs dunkler Mezzo hatte die meiste menschliche Wärme und Ausdruckskraft, Gedda stand stilistisch Verdi am nächsten, Gjaurov wirkte funda-

mental, doch nicht immer ausgeglichen. Das opernhaft-Dramatische des Werkes wurde von Maazel doppelt unterstrichen, das (gar nicht geringe) kirchliche Element fiel fast ganz weg. In seiner — meisterlich gekonnten — dramatischen Steigerung indes führte Maazel das Werk zu unmittelbarer und packender Wirkung und zu einem der größten Erfolge der Festwochen.

Im Festsaal der Bezirksvorste-h u n g D ö b 1 i n g gab die junge Komponistengeneration der „reih e“ ein Kammerkonzert mit anspruchsvollem Programm. Es wurden Stücke für ein bis vier Instrumente von Hans S t a d 1 m a i r, Erich Urbanner, Gerhart Lampersberg, Kurt Schwertsik, Friedrich Cerha, H. H. Müller und Paul An gerer geboten; teilweise von den Komponisten selbst ausgeführt. Die größten Ansprüche stellte an den Hörer Friedrich Cerhas „Formation et Solution“, in seiner Sub-tilität und klanglichen Ungewohntheit ebenso eigenartig als spannend; den unmittelbarsten Erfolg hatte Kurt Schwert-siks Sonate für Hom und Klavier, die durch die Humorigkeit der Erfindung auflockernd wirkte. Die Leitung der Veranstaltung hatte Dr. Kurt H u e b e r.

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