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Mainardi zwischen Karajan und Böhm

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Beethovens 2. Symphonie, das Konzert für drei Klaviere von Mozart und Zoltan Kodälys „Psalmus Hungaricus“ standen auf dem Programm des ersten Konzertes unter Herbert von Karajan mit den Symphonikern. Zwar war zur Eröffnung dieses Zyklus eine Symphonie von Strawinsky vorgesehen; trotzdem scheint es nicht ohne tiefere Bedeutung, daß Karajan die neue Spielzeit gerade mit diesem leichtergewichtigen,, jugendfrischen und anmutigen Werk begann. Denn Karajan ist, wenn wir nach diesem Konzert schließen können, entspannter, lockerer und, cum grano salis, auch freizügiger geworden. Natürlich geriet hier, wie in dem Mozart-Konzert, das er vom ; dritten Klavier aus leitete (Paul Badura-Skoda und Jörg Demus spielten die beiden andern), alles blitzsauber und genau. Aber das Scherzo war sehr maßvoll, und im Schluß-allegro ließ Karajan dem Orchester eine bis dahin selten gewährte Freiheit. Im „Psalmus Hungaricus“ zeichneten sich der machtvoll und aufs feinste 'nuanciert singende Chor des Singvereines und der leidenschaftlich seinen Part schmetternde Ernst Haefliger aus.

Kurz darauf gab es zum zweitenmal Beetnovens Zweite: ,unter Enrico Mainardi mit dem gleichen Orchester im Großen Konzerthaussaal. Seine Interpretation ist weicher, „romantischer“, im gesamten Konzept weniger einheitlich. In diesem Stil spielte auch Ingrid Haebler das Konzert für Klavier und Orchester D-dur KV 53 7 von Mozart. Auch der helle, weiche Ton, den sie besonders dem Larghetto gab, paßte gut zu dem Werk. — Am Beginn des Programms stand des Venezianers Francesco Malipiero 3. Symphonie mit dem Untertitel „Von den Glocken“. Das 1945 entstandene Werk ist leichter, farbiger und impressionistischer als die übrigen uns bekannten früheren Kompositionen Malipieros und nimmt innerhalb der sieben Symphonien, die der Altmeister der italienischen Moderne bisher schrieb, etwa den

Rang einer Pastorale ein. Doch ist auch hier der Einfluß der altitalienischen Musik fühlbar, ihre reinen, ungemischten Farben und ihre' deutlichzarten Melodielinien. Beim Hören dieser Glockensymphonie' empfand man Längen, die vielleicht auf Rechnung der Darbietung gehen. — Ein anderes Problem stellt dem Beurteiler Mainardis Interpretationsleistung bei Beethovens Zweiter. Dieses Werk war kurz vorher (siehe oben!) von Karajan mit dem Orchester gründlich studiert worden. Zwar hatte Mainardi ein völlig anderes Konzept, von den Tempi angefangen bis in die Details: Trotzdem schimmerte, wie unter Milchglas, die vorausgegangene Einstudierung durch. Für die Orchestermusiker mag diese Uebermalung, die eine völlige Umstellung voraussetzte, nicht leicht gewesen sein.

Im ersten Abonnementkonzert der Philharmoniker dirigierte Karl Böhm die Haydn-Variationen von B r a h m s, die „Symphonie für großes Orchester in C-dur“ op. 46 von Hans P f i t z n e r und „Ein Heldenleben“ von Richard Strauß. — „An die Freunde“ heißt die Widmung, die Pfitzner seiner aus drei Teilen bestehenden einsätzigen Symphonie voranstellte. Ihr Motto könnte auch „An die Freude“ heißen, denn es ist Pfitzners liebenswürdigstes, elegantestes und am leichtesten zugängliches symphonisches Werk, das mit einem ritterlichen Thema im Stil der Ouvertüre zum „Käthchen von Heilbronn“ eröffnet wird und mit einem glänzenden, impulsiven Bewegungsmotiv endet. Die Feststellung, daß diese Symphonie — mit Ausnahme weniger Takte. — auch von einem Zeitgenossen von Brahms oder Bruckner hätte geschrieben sein können, mindert nicht ihren absoluten künstlerischen Wert. -- Alle drei Werke wurden unter Karl Böhms souveräner Leitung hinreißend und vollendet schön musiziert. Nur das allzu rasante Vivace der fünften Haydn-Variation ging ein wenig auf Kosten der Deutlichkeit.

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