6735797-1966_19_15.jpg
Digital In Arbeit

Mannerchor und Singer-Singers

Werbung
Werbung
Werbung

Alte und neue Gesange fur Mannerchor brachte ein Konzert des Wiener Schubertbundes unter Lei- tung von Heinrich Gattermeyer. Wer die Schwierigkeiten des Mannerchores sowohl in Literatur als Nachwuchs kennt, weiB die imponie- rende Leistung dieses Programms und seiner Wiedergabe zu wiirdigen. Nach alten Meistem (Palestrina, Nasco und Gallus) konnte der fibrige Teil der Darbietungen zeitgenossi- schen Komponisten gewidmet werden. Aus ihrer Mitte hob sich, auf einem Tiroler Volkslied fufiend, der „Bauemaufstand“ von Joseph Lechthaler als das uberragend starkste Werk hervor. Dramatischer Atem und polyphone Satzweise vereinigen sich hier zu hochster Spannung. Um diesen Mittelpunkt gruppierten sich teils liturgische Kompositionen wie „Deprofundis“ von Ernst Tittel in strenger, Stiicke aus der „Missa Sancti Bernardi" von Heinrich Gattermeyer in gelockerterer Satzweise, teils lyrische Gesange von Hans Bauemfeind (Die lobliche Musica), Karl Schiske (Sieh nicht, was andere tun), Reinhold Schmid (Over de stil- len Straten), Rudolf Matz (Sieh, die StraBe, die ich einst gegangen) und schlieBlich Gesellschaftslieder. (Otto Strobl: Trinklied, Zoltdn Kodaly: Zechergesang.) Der groBe Chor, neu- erdings durch junge Stimmen aufge- frischt, hat seine Wandlung zum modernen Chorlied vollzogen und sich geistig verjfingt. Das Publikum ging mit dieser chronologischen und strukturellen Wandlung beifalls- freudig mit.

AusschlieBlich zeitgenossischen osterreichischen Komponisten wid- mete Herbert Tachezi seinen Orgel- abend im Mozart-Saal. Als Ergebnis sind Orgel und Organist gleich zu loben. Das Instrument erweist seine Eignung fiir die neuen Klange, der Organist brachte zum erstenmal eine kleine, wenn auch unvollstandige Uberschau des heimatlichen Orgel- schaffens. (Einer der bedeutendsten Orgelkomponisten, Anton Helller, fehlte im Programm.) Hauptwerk des Abends war die Partita „Es ist ein Schnitter, heiBt der Tod“ von J. N. David, ein groB angelegtes, auf- riittelndes Variationswerk voll dramatischer Spannung — und die ge- gensatzlich, namlich lyrisch ange- legte Partita „Innsbruck, ich muB dich lassen" des gleichen Komponisten. Etwas von franzdsischer Far- bigkeit offenbart sich im „Dreifaltig- keitstriptychon" von Augustin F. Kropfreiter. Apart und von eigen- artiger Stilkombination gibt sich die „Toccata und Fuge in memoriam Maurice Ravel" von Josef Friedrich Doppelbauer. Okonomie der Mittel, also Knappheit, und bitonale Nei- gung zeigen die Kompositionen von Karl Schiske (Variationen fiber ein eigenes Thema op. 10 und Toccata op. 38). Sein ausgesprochenes Kom- binationstalent bewies Herbert Tachezi in einer freien Improvisation nach einem gegebenen Thema.

F. K.

Das siebente Konzert im Zyklus „Die grofie Symphonic" war das weitaus interessanteste dieser Reihe und wurde von Andre Cluytens ge- leitet. Die symphonische Dichtung „Don Juan“ des 25jahrigen Richard

Strauss wirkt immer wieder um- werfend durch die Genialitat der instrumentalen Erfindung und ihren nach 77 Jahren ungeminderten jugendlichen Impetus. — Den zweiten Teil des Konzertes und das SchluBstfick bildeten Igor Strawin- skys „Bilder aus dem heidnischen RuBland ffir groBes Orchester", die 1911 auf dem Landgut des Komponisten, Ustilug, begonnen, zwei Jahre spater in Clarence vollendet und im „Th6atre des Champs Elysees" als Ballett mit dem Titel „Le Sacre du Printemps" urauf- geffihrt wurden. Das geniale Werk wirkt auch heute noch als „per- manenter Schock". Zwischen diesen beiden' Meisterwerken hatte Bar toks 1. Klavierkonzert von 1926 es nicht leicht, sich zu behaupten. Der Solopart ist auf weite Strecken in einer auf die Dauer ermiidenden Martellato-Technik gehalten, beginnt mit einem ostinaten Sub- contra-H, das auf dem Steinway besonders haBlich klingt und miindet in ein barbarisches Oktavengeham- mer als Finale. Dazwischen gibt es einen recht kratzbiirstigen Dialog zwischen dem Soloinstrument und dem Orchester, hauptsachlich mit dem Schlagwerk und einigen Blasern, wahrend die Geigen schweigen. Der 22ja!hrige Argenti- ner Daniel Barenboim hat sich mit jugendlichem Enthusiasmus in diese Dissonanzen gestiirzt, bewal- tigte die technischen Schwierig- keiten mit Virtuositat und schien den zuweilen brutalen Bruitismus sehr zu genieBen. — Erstaunlich, wie sich Andrh Cluytens, der 65jah- rige Sonnyboy unter den Dirigen- ten, in diese Welt (die nicht un- bedingt die seine ist) eingelebt hat. Mit freundlich-gewinnendem Che- valier-Lacheln animierte er das Orchester der Wiener Symphoniker zu heftigsten dynamischen Exzessen und das Publikum zu ebensolchen Beifallsbezeugungen, die ein schwe- res Programm mit freundlichem Dank quittierten.

„Oper oder Ode oder Opemode in mehreren Teilen" nennt Otto M. Zykan seinen unterhaltsamen und geistreichen musikalischen SpaB, der auf einem Gedicht von Ostaijen (einem hollandischen Friih- expressionisten, der um 1920 ge- storben ist) und auf einigen Kasperl- gedichten von H. C. Artmann basiert. — „Singers NUhmaschine ist die beste" heiBt der Titel des ffir einen Sprecher, eine Tanzerin, vier In- strumentalisten (Jazz-Combo) einen Pianisten und Chor geschriebenen Werkes, das im Auftrag der Wiener Konzerthausgesellschaft und der Musikalischen Jugend geschaffen und mit einem minimalen Aufwand sehr geschickt eingesetzter szenischer Mittel unter der Leitung des Komponisten einem amfisierten Publikum vorgeffihrt wurde. In dem „un- verbindlichen Text" der Einleitung wird versichert, daB es sich keines- wegs um eine Reklame — gar um eine bezahlte — fur Singers Nah- maschinen handelt, also um keine „Bettleroper". Und dann geht es los mit dem Prolog (einem Dialog zwischen Sprecher und Chor) mit Assoziationen, Gedankensprfingen, Permutationen und allerlei anderem Jux. In der Art etwa: „Singer, Singer, Meistersinger! Eine Singer fur Genoveva von Brabant. Auch die Jungfrau von Orleans (jeder seine eigene Jungfrau) hatte eine. Aber hat auch Hans Sachs eine besessen?" Es folgen: Ode, Chanson, Genoveva, Intermezzo (eine Art Clownsnum- mer, bei der zum Solospiel des Autors am Klavier die Musiker ihre Instrumente tauschen), Ode II und Epilog. Sehr apart und gekonnt ist die nach einer Choreographic von M. Nitsch ausgeffihrte Balletteinlage Dietlinde Klemischs vom Staats- opernballett. Audi die elektronischen Einblendungen waren sinnvoll und von H. Gruber tadellos ausgeffihrt. Ein besonderes Lob gebfihrt dem virtuosen und gescheiten Sprecher Wilx Merc, dem disziplinierten Chor und last not least dem jungen Komponisten, dessen besonderes Ver- dienst es ist, hier einmal einen reinen SpaB produziert zu haben, der gegen niemanden gerichtet ist und an dem sich jedermann erfreuen kann.

Im ersten Teil des Programms spielten Lynn Blakeslee (Violine) und Rosario Marciano mit Hans Kann (an zwei Flfigeln) „Salon- musik" von Kreisler, Hubay, Wieniawski, Darius Milhaud, Francis Poulenc und Aaron Copland, deren Kompositionen nicht alle diesen ehrenvollen Titel verdienen. Immerhin hatten die ausffihrenden Damen ihre Garderobe in dankens- werter Weise den vorgetragenen Piecen angepaBt .

Helmut A. Flechtner

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung