6771828-1969_05_13.jpg
Digital In Arbeit

Mehta, Steinberg, Melles

Werbung
Werbung
Werbung

Des 30. Todestages von Franz Schmidt gedachten die Wiener Philharmoniker unter Zubin Mehta in ihrem 4. Abonnementkonzert: Mehta, ein Interpret mdt Fingerspitzengefühl für klangliche Prachtentfaltung, brillante Effekte, monumentale Steigerungen, aber auch für subtile Detailmalerei, nahm sich der „Vierten“ (C-Dur) an, also der Symphonie Schmidts, die sich noch am ehesten im Repertoire der großen Orchester halten wird. Es war eine ausgewogene, klar-linige Wiedergabe, voll Impetus und doch besinnlich bis grüblerisch, in den Höhepunkten gleißend. Die samtig warmen Streicherkantilenen (mit „Notre Dame“-Atmosphäre) gerieten besonders eindrucksvoll. — Mozarts „Linzer“-Symphonie (C-Dur, K. V. 425) wurde von den Philharmonikern mit ein paar herben Akzenten und viel Elan musiziert. Mehta wies einmal mehr zumindest Flair für formale Eleganz nach. Walter Pach spielte Schmidts Präludium und Fuge (D-Dur) als festliche Einleitung.

Der aus Köln gebürtige William Steinberg, Chef des Pittsburgh Sym-phony Orchestra und ab 1970 Leiter der Boston Symphony, dirigierte im Zyklus „Die große Symphonie“ Wagners „Meistersinger“-Vorspiel und Bruckners „Achte“: Mit viel Routine, Freude am lauten Effekt und knalligen Kontrasten, ohne viel Engagement für Bruckner. Langsame Sätze wurden ohne Rücksicht gestrafft, hart konturiert; besonders dem feierlichen Adagio mangelte es an Gefühlswärme, Sanftheit in den Streichern, an schwelgerischem Wohllaut. Viel zu rasch drängte Steinberg die Symphoniker auf das apotheotische Halleluja zu, das nach allzu vielen, massiv und heftig gestalteten Steigerungen eher flach anmutete. Davon abgesehen: Die Korabination mit Wagners Ouvertüre wirkte befremdend. Was soll dieser blitzende C-Dur-Jubel gerade vor den zurückhaltenden Anfangstakten von Bruckners Symphonie? Wann wird man sich endlich entschließen, die großen Symphonien dieses Meisters, wie die Mahlers, ohne Vorspann für Zuspätkommende aufzuführen.

Der österreichische Rundfunk hat mit der Erstaufführung von György Ligetis „Lontano“, für großes Orchester, eine denkwürdige Aufführung gesetzt: Es ist ein in seinen „Bewe-gungsfarben“, im systematischen Entwickeln von instrumentalen Partikeln höchst raffiniert gebautes Stück, einem Netzgebilde gleich, das über eine Ebene gleitet, sich da und dort bauscht und rafft und dann wieder auseinanderfällt. Elf Minuten lang bietet es ein Maximum feinster koloristischer Valeurs, die nach einem ausgeklügelten System fast unmerklich ineinander übergehen. Harmonie und Rhythmus, die zueinander in völlig neue Beziehungen treten, fließen am Hörer gleichsam in der Ferne vorbei, durch riesige unbekannte Räume. Carl Melles leitete das Rundfunkorchester präzise, sorgte für subtile Akzente. — Friedrich Wührer spielte Schuberts „Wandererphantasie“ in der Fassung für Klavier und Orchester von Liszt:Rasant vorgetragene Akkordballungen, prasselnde Kaskaden, dramatische Ausbrüche wirkten in dieser Interpretation blankgescheuert.

Schuberts „Erste“ geriet locker, voll Anmut und Leichtigkeit. Das Rundfunkorchester musizierte in Hochform.

Einen Kammermusikabend höchster Qualität bescherte das Budapester Bartök-Quartett im Mozart-Saal: 1957 von Leo Weiner gegründet, zählt es heute zu den hervorragenden internationalen Formationen, die bei den verschiedensten Wettbewerben höchste Auszeichnungen und Preise erhielten. Es war ein Abend, der allen Ansprüchen gerecht wurde: Bartöks 4. Streichquartett, fünf spannungsreiche Sätze voll subtiler Farbaufstauungen, geriet klar strukturiert, In den komplizierten Motivschichtungen und -verschränkungen durchsichtig und fein nuaneiert. An Mendelssohns D-Dur-Quartett (op. 44/1) und dem in Es-Dur (op. 74) von Beethoven demonstrierten die Gäste ihre intimen Beziehungen zu den geschmeidigen Kantilenen, der sinnlich-leuchtenden Thematik dieser Stücke: Besonders in den langsamen Sätzen gefiel die satte Farbgebung ihres Spiels.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung