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Meisterkonzerte

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Beethoven, Bruckner, Mahler — mit ihren Werken hat Bruno Walter sein Wiedersehen mit Wien gefeiert. Daß Walter eine Mahler-Symphonie dirigierte, hatte einen besonderen Anlaß und war selbstverständlich bei dem berufenen Mahler- Schüler und Mahler-Apostel. Die Wähl von Beethovens Neunter mag vor allem dem großen, repräsentativen Werk gegolten habep. Bruckners, Tedeum am Anfang des ersten Konzerts — das war wohl mehr als eine Geste, denn wir hörten, daß sich Walter in Amerika außer für die Symphonien Maklers immer wieder eifrig für Bruckner einsetzt und daß keine Saison vergeht, daß er nicht in festlichen Konzerten Bruckner Smphonien aufführt. Anläßlich der drei Wiener Konzerte würde dem Gast aus Amerika, dem durch Mahler und die Oper mit Wien Verbundenen viel Freundliches gesagt. Interessant bei einem Dirigenten aber bleibt, zumindest für den Musiker, vor allem die Musik, die er macht. Ein Vergleich mit dem Walter vor zehn Jahren und anderen Dirigenten ist nicht nur naheliegend, sondern auch Gebot der Sachlichkeit. Alter und Krankheit scheinen auf Walters Kunst und Stil weniger eingewirkt zu haben als die neue Umwelt. Seine Art, die Musik anzupacken, ist flächiger und robuster geworden, seine Tempi sind durchweg rasdier, als wir sie gewohnt sind, seine vereinfachte Schlage technik machte vor allem dem Orchester Schwierigkeiten. Am meisten befriedigte die Aufführung der II. Symphonie von Mahler, in welcher die große, beredte Mahler-Geste noch einmal in authentischer Interpretation eindrucksvoll zu neuem Leben erweckt wurde. (In allen Konzerten spielten die Wiener Philharmoniker, im Tedeum und der IX. Symphonie wirkte der Singverein der Gesellschaft der Musikfreunde mit, in Mahlers Auferstehungssymphonie der Staatsopernchor.)

Anläßlich einer Aufführung der VIII. Symphonie von Bruckner wurde die Frage aufgeworfen, ob Karajans Bruckner noch der „echte” Bruckner sei. Die Interpretation der VII. Symphonie von Schubert (im 6. Abonnementskonzert der Philharmoniker) stellt eine analoge Frage mit noch größerer Schärfe. Gewiß . fehlten dieser Aufführung manche gewohnte Züge (die freilich mehr der Schubert-Anekdote vom Schwammerl als den Partituren des Meisters entstammen). Dafür aber trat der monumentale, tragische und streng symphonische Charaker des Werkes imponierend zutage. Karajan dirigiert Schubert wie einen großen, wenig bekannten Symphoniker zwischen Betthoven und Bruckner. Da der Partitur nirgend Gewalt geschah, ist gegen diese Revision des Aufführungsstils von Schubert nichts einzuwenden.

Die „Musik für Saiteninstrumente, Schlagwerk und Celesta” ist eines der eigenartigsten und inspirierte sten Werke von Bartok. Die Aufführung dieses Werkes im gleichen Konzert unter Karajan gibt einmal Gelegenheit, darauf’zu verweisen, wieviel ein gehaltvolles zeitgenössisches Werk durch zweimaliges Anhören gewinnt. (Vor etwa einem Jahr hörten wir diese Komposition Bartöks unter einem Landsmann des Autors). Der erste Eindruck: konstruiert, ohne innere Notwendigkeit, allenfalls sehr spröde . •. Der zweite: wie selbstverständlich und einfach ist das alles, was für ein gutklingendes und melodisches Werk … Die Möglichkeit wiederholter Aufführungen zeitgenössischer Werke müßte im Interesse der lebenden Komponisten möglichst oft geschaffen werden.

Diesen Meisterkonzerten großen Stils muß eine Kammermüsikveranstaltung angereiht werden, init welcher uns das Trio di Trieste beschenkte. An Brahms’ op. 101, Beethovens Variationen op. 44 und Schuberts öp. 99 erwies sich die künstlerische und technische Vollkommenheit dieses hervorragenden Ensembles. Keiner von den drei Künstlern, die seit ihrem 12. Lebensjahr gemeinsam musizieren, hat das dritte Jahrzehnt überschritten. Keiner von ihnen tritt solistisch auf, obwohl der Erfolg jedes einzelnen außer Frage stünde. Sie spielen alles auswendig, wohl nicht, um ihr gutes Gedächtnis zu erweisen, sondern um die Augen für andere Dinge frei zu haben. Das mögen zunächst Äußerlichkeiten sein, die aber an Bedeutung gewinnen, wenn es sich um so vorzügliche Musiker handelt wie Dario de Rosa, Renato Zanettovich und Libero Lana. Diesem Ensemble haben wir augenblicklich in Wien kein gleichwertiges an die Seite zu stellen. Hiezu brauchte es dreier Künstler von ungefähr gleichem Rang, womöglich ohne Konzertmeisterverpflichtungen, aber auch ohne Starambitionen — und Arbeit, Ausdauer und langjähriges Zusammenspiel — und noch einmal Arbeit.

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