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Missa, Bonner, Beethoven, Ungarn

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In ihrem letzten Konzert erreich- ten die Wiener Festwochen ihre grbBte Feierlichkeit durch die Auf- fiihrung von Beethovens „Missa solemnis" unter Josef Krips mit den Philharmonikern, dem Singverein und einem Solistenquartett, das vielleicht nicht in allem homogen, in jedem einzelnen aber bedeutend war: Wilma Lipp, Maureen Forester, Peter Schreier und Nicolo Zaccaria. Josef Krips, mit der Missa seit Kindheit vertraut, setzte ihre Akzente vor allem in die Tempi, deren Presto niemals iiberhitzt und deren Adagio nie verzogen wurden. So erstand das Riesenwerk in seinen ausgewogenen MaBen wie ein Dom, darin auch je- der Bogen, jeder Stein sein MaB hat. Dynamische Steigerungen waren sorgfaltig dosiert, auch hier nie iibersteigert und nie unterspielt. Darin zeigte auch der Chor seine vorbildliche Kunst der Intonation, der rhythmischen Prazision und der Ausgewogenheit der Stimmen, von Dr. Reinhold Schmid minuzibs vor- studiert. Willy Boskowsky spielte das Violinsolo mit ausdrucksvoller Zartheit und doch mannlich starken Ziigen. Es war eine Wiedergabe von grbBter Konzentration und Auf- gelockertheit zugleich, es war Musik in ihrer Vollendung. F. K.

Unter seinem standigen Leiter, dem noch recht jugendlich aus- sehenden Volker Wangenheim, spielte das Orchester der Beethoven- Halle Bonn die Symphonien I und II und begleitete Jorg Demus in Beethovens erstem Konzert fiir Klavier und Orchester, C-Dur, op. 15. Man kann sagen, daB die Bonner ihren Beethoven genau studiert haben und alles, was in der Partitur steht, mit grbBter Akuratesse aus- fiihren (was im Leben wie in der Kunst eine sehr schatzenswerte Eigenschaft ist). Der Gesamtklang des Orchesters ist auch im Tutti immer schon und nobel, die Blech- blaser haben „deutsche“ Fulle, die Holzblaser fast franzbsische Eleganz. Demus spielte seinen Part bis in die letzten ZweiunddreiBigstel durchge- formt meisterhaft: mannlich-ener- gisch, im dritten Satz vielleicht ein wenig allzu handfest.

Die Ungarische Nationalphilharmo- nie begann ihr (einziges) Konzert mit einem gutgeprobten Haydn (Symphonic mit dem Paukenschlag) und kam dann uber Bart6ks Violinkonzert zum orchestral-virtuosen Hohepunkt des Abends, zu Z6ltan Kod&lys raf- flniert und effektvoller Theatcr- musik von 1926, aus welcher der Komponist spater eine fiinfsatzige Konzertsuite mit dem Titel „Hary Jdnos zusammenstellte (Vorspiel, Das Marchen beginnt, Wiener Spiel- werk, Lied, Schlacht und Niederlage Napoleons, Intermezzo und Einzug des kaisertichen HofeS). Unter Janos Ferencsiks routinierter und temperamentvoller Leitung, die aber nie zur Show wind, entfaltete das Orchester seine ausgezeichneten Qualitaten: Disziplin, Intensitfit und einen oft schwelgerischen Ton. Der Geiger D6nes Kovacs wirkte etwas schwadier, Obwohl er den iiberaus schwierigen Solopart Bartoks makel- los interpretierte.

Claudio Abbado hat sich fiir sein Konzert mit den Wiener Sympho- nikern ein Programm aus so effekt- • vollen Stricken zusammengestellt, daB man damit allein fast Erfolg haben muB. Am Anfang stand Hindemiths unterhaltendes und farbigsteis Stuck aus der amerikanischen Periode, die „Synfonischen Metamorphosen" uber Themen von C. M. Weber, die „Burleske" d-Moll fiir KlaVier und Orchester von Richard Strauss (mit Alexander Jenner als Solisten), Strawinskys Suite aus „Der Feuer- vogel“ und zum AbschluB Rar els „Bolero“. Wie sein Studienkollege und Altersgenosse Zubin Mehta ver- steht es der junge Mailander, der mit seinen 30 Jahren bereits wie ein Stardirigent von Festival zu Festival fliegt, aus einem Orchester alles her- auszuholen und dabei auch eine (nicht immer sehr asthetische) Show zu veranstalten. Diese beiden jungen Leute wiiken wie Antreiber und Einpeitscher, und man wind das un- angenehme Gefuhl nicht los, daB hier allzusehr Musik auf Kosten der Musiker gemacht wind. Dabei waren auch besondens feine und nuancierte Stellen (sowohl in der Komposition Hindemiths als auch in den lang- samen Teilen der „Feuervogel“- Suite) nicht zu ubertibren. Wohin der Weg dieser jungen Leute wohl fuhren mag? Wahrend der nachsten Jahre jedenfalls wind er von Beifall umrauscht sein...

Hbrt man dem jungen Japaner Seiji Ozawa zu und beobachtet seine Arbeit mit dem Orchester, so kom- men einem solche Gedanken nicht. Auch er wind Erfolg haben, vielleicht den groBten, doch wird ihn sein Weg immer mehr zur Musik, in ihr inneres Wesen fuhren und zum Meisterinter- preten bestimmter Komponisten machen. Auch sein Programm ent- behrte des Effektes nicht (Debussys

„Preiude a i'apres-miai a'un laune , Prokofieffs erstes Violinkonzert und „Symphonie phantastique" von Berlioz). Dieser schlanke und zarte Mann, der wie eine dunkle Tanagra- figur wirkt und langere Zeit Assistent von Leonard Bernstein war, musiziert iiberaus emsthaft und be- hutsam, er ist, mit Thomas Mann zu reden, „aus feinerem Holz" und hat eine kaum beschreibbare leichte und elaetische Hand, der es auch an Energie nicht fehlt. Er musiziert in jedem Augenblick mit dem Orchester (es waren die Wiener Symphoniker) und begleitete den ausgezeichneten Solisten (Josef Sivo, Konzertmeister der Philharmoniker) mit der aller- grbBten Aufmerksamkeit und einer Courtoise, die uberhaupt fiir seinen Umgang mit Musik charakterlstisch ist. — Ozawa scheint von jenem Schlag zu sein, dem die Kunst alles bedeutet und der sich nicht „ver- heizen" laBt. Ihm wiinschen wir in Wien bald und oft wieder zu be- gegenen.

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