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Mit drei großen B

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In ihrem großen Saal veranstaltet die Gesellschaft der Musikfreunde einen aus sechs Konzerten bestehenden Bach-Beethoven-Zyklus, der von Christoph von Dohnanyi geleitet wird. Auf dem Programm stehen jeweils ein Bran- denburgisches Konzert, ein modernes Werk (von Hindemith, Bartok, Martin, David, Janaček und Schönberg) sowie zum Abschluß je ein Klavierkonzert von Beethoven, wobei die ganze junge Garde der Wiener Pianovirtuosen aufmarschiert: Ba- dura-Skoda, Brendel, Demus, Jenner, Klien und Petermandl. Nach diesem Plan wurden ebenso interessant , wie wertvolle und auch;’į s gisėh „ahkdmmtfl’dfcį Konzeftt: zusanhmeng’čstellt, die ‘ besten Besuches erfreuen werden. Auch daß man einem so talentierten jungen Dirigenten wie Christoph von D o h- nänyi eine Chance in Wien gibt, ist erfreulich.

Im ersten Konzert dieses Zyklus ließen gleich die Anfangstakte von Bachs 1. Brandenburgischen Konzert aufmerken. Das war intensiv im Klang und haargenau in dem Tempo genommen, welches dieser majestätische Allegrosatz verlangt. Im weiteren Verlauf des Stückes taten sich die virtuosen philharmonischen Bläser, die das Concertino besetzt hatten, durch tonschönes und genaues Spiel angenehm hervor, während die Durchsichtigkeit de Gesamtklanges ein wenig unter der zu starken Streicherbesetzung (Mitglieder des Tonkünstlerorchesters) litt. Das Violinsolo trug (auf einer Grancino-Geige) Rudolf Kalup vor; neben ihm sei wenigstens noch Anton Heiller am Cembalo erwähnt.

Rudolf Streng war der Solist der nächsten Nummer: Hindemiths dreisätzi ges Divertimento „Der Schwanendreh e r“ nach alten deutschen Volksliedern. Zur Illustration dieser Musik mag man sich, nach des Komponisten Angaben, ein mittelalterliches Bild vorstellen: Ein Spielmann kommt in frohe Gesellschaft und breitet aus, was er aus der Ferne mitgebracht hat: ernste und heitere Lieder, zum Schluß ein Tanzstück. Diese bescheidenen musikalischen Gaben hat Hindemith reich verziert und virtuos kontrapunktisch herausgeputzt. Dem Solisten und dem kleinen, mitkonzertierenden Orchester (bestehend aus einem Dutzend Bläsern, zwei Pauken, Harfe, Celli und Kontrabässen) gibt er in diesem 1935 vollendeten und noch im gleichen Jahr unter Willem Mengelberg uraufgeführten Werk manche Nuß zu knacken. Rudolf Streng besorgte das mit staunenswerter manueller Geschicklichkeit.

Der Höhepunkt stand am Schluß: eine meisterhafte Interpretation von Beethovens 2. Klavierkonzert ln B durch Alfred Brendel, in vollkommener Harmonie mit dem Dirigenten und dem Begleitorchester der Tonkünstler.

Bach und Bruckner waren die Regenten de 4. Abonnementkonzerts der Wiener Philharmoniker unter Herbert von Karajan. Das 5. B randenburgische Konzert klang merkwürdig verschwommen und spannungslos. Das lag, was den Klang betrifft, am Ersatz der beiden vorgeschriebenen Cembali (des konzertierenden und des Continuo) durch zwei moderne Konzertflügel; und es lag an der Tendenz des Dirigenten zu einer gewissen Nivejlierung sowohl der dynamischen Gegensätze als auch des für diese Konzerte so charakteristischen Dialogs und Widerspiels zwischen den Solisten Görg Demus, Willi Boskovsky — Violine und Josef Niedermayr — Flöte). Man könnte, nach Anhören dieser Aufführung, auf die Idee kommen, daß kleinere Ensembles den spezifischen konzertanten Bach-Stil, wie er während der letzten drei Jahrzehnte erarbeitet wurde, besser treffen, als die großen Spitzenorchester.

Dagegen war die Interpretation der 4. Symphonie von Anton Bruckner durch Karajan und die Philharmoniker von kaum, überbietbarer Vollkommen heit. Ihr gebühren alle Attribute einer großartigen, festlichen Aufführung. Man kennt Karajans Fähigkeit, große Formen zu disponieren und dieses Konzept zu verwirklichen. Man kennt seinen subtilen Klangsinn und die Sorgfalt, die er jedem thematischen und kontrapunktischen Detail ängedeihen läßt, sowie seine Meisterschaft in schwebenden Übergängen. Man kennt auch die außergewöhnliche Elastizität und Klangkultur unseres Meisterorchesters. Man kennt sie — und bewundert sie immer wieder aufs neue. Dieser Bewunderung gab das Publikum durch langanhaltenden und dankbaren Applaus Ausdruck.

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