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Mitropoulos in der Oper und im Konzert

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Die Staatsoper brachte als erste Neuinszenierung der Spielzeit 1958/59 Verdis „Maskenball“: ein Werk, geschaffen auf der Paßhöhe des Künstler-tums, das die ursprüngliche Genialität des melodischen Einfalls, die wir in den Frühwerken des Meisters bewundern, mit der Feinheit und klanglichen Differenziertheit der späteren Opern vereinigt. Sfine Realisierung ist des Schweißes der Edelsten wert, und die Anstrengung, welche alle an der Aufführung Beteiligten daran gewendet haben, hat zu einem glänzenden Resultat geführt. Da sind zunächst die fünf Bühnenbilder Ita Maximownas: der noble Prunk von Riccardos Palast (mit den vorherrschenden Farben Schwarz und Gold, zu denen im Ballsaal, der die ganze Tiefe der großen Bühne ausnützt, noch Rot und Braun treten). Ulricas Höhle und die Richtstätte vor der Stadt, unheimlich und großartig. Dazu die passenden Kostüme, an denen nicht gespart wurde. Ferner eine Glanzbesetzung der Hauptpartien mit Birgit Nilsson als Amelia, Giuseppe Zampieri als Gouverneur, Ettore Bastianini als Renato, Jean Madeira als Wahrsagerin und Erika Köth als Page, die zwar ihre Koloraturen virtuos sang, deren sehr „deutsches“ Stimmtimbre sich aber nicht ganz ins übrige Ensemble fügte. Ferner die wohldurchdachte Regie Josef G i e 1 e n s und schließlich — aber nicht zuletzt: die musikalische Leitung durch Dimitri Mitropoulos und das virtuose, klangprächtige und präzise Spiel der Philharmoniker. Wir haben an Mitropoulos die einzigartige Synthese von dramatischem Feuer, Exaktheit im Detail und feinster Klangdifferenzierung oft bewundert. Aber im letzten Akt der großen Ballszene, zu der Verdi die unheimlichste und faszinierendste Musik geschrieben hat (der „Maskenball“ wurde vor rund hundert Jahren in Rom uraufgeführt), erreichte die Kunst des Dirigenten, der Regie und der Bühnenbildnerin einen echten Höhepunkt, der vom festlich gestimmten Haus auch als solcher gewürdigt wurde. (Um so störender war — wieder einmal — das hemmungslose und häßliche Geschrei des Stehparterres, dem endlich Einhalt geboten werden sollte.)

Das 1. Philharmonische Abonnementkonzert war ganz neuerer Musik gewidmet. Denn auch die zur Eröffnung gespielten zwei C o u p e r i n-Sätze (Grave und Allegro aus der Cembalosuite „La Sultane“) erklangen in der Bearbeitung, bzw. in der Instrumentierung eines Zeitgenossen. Darius M i 1 h a u d liebt, als geborener Proveneale, kräftige

Farben und scharfe Konturen, und so hat er den galanten Couperin in ein prunkvolles Klanggewand gesteckt, das man gelten lassen mag (obwohl Harfen, Posaunen und große Trommel als Exekutanten der Musik des Dixhuitieme etwas ungewohnt sind). Schönbergs Sextett „Verklärte Nacht“, 1899 entstanden, hochromantisch im Sujet, in der typischen einsätzigen Form der symphonischen Dichtung, im überschwenglichen Ausdruck und in seiner von Wagner und Reger beeinflußten Chromatik, hörten wir in großer chorischer Besetzung und mit seltener Klangentfaltung und Intensität. — Klangschwelgerisch und lautstark wurde auch der 1. Satz von Franz Schmidts II. Symphonie (1911—1913) musiziert. Man braucht kein Klangasket und nur fürs „Geistige“ in der Musik zu sein, um zu finden, daß hier der Komponist und die Ausführenden ein bißchen zuviel an Ueppigkeit, Süße und Kraft aufboten. Im Variationensatz gab es dagegen viel Feines, Differenziertes und meisterlich Gesetztes, und auch das Finale mit der langsamen fünfstimmigen Bläserfuge läßt sich sehr nobel an, während der „machtvollfestliche“ Schluß wieder etwas zu bombastisch geraten ist. — Dimitri Mitropoulos hat die polyphone Schönberg-Partitur mit vollkommener Deutlichkeit und intensivem Ausdruck zum Klingen gebracht und fand sich in die Eigenart des Urwieners Franz Schmidt (der zwar in Preßburg geboren wurde, aber wie keiner nach ihm im hiesigen: philharmonischen Stil zu musizieren verstand) mit bewunderungswürdigem Einfühlungsvermögen hinein. Das philharmonische Publikum aber könnte nach diesen drei wirklich unblutigen neuen Stücken Lust auf mehr Neues bekommen (das, wie wir aus der Programmvorschau der acht Abonnementkonzerte mit Befriedigung feststellen konnten, mit einigen weiteren, fast ebenso unaggressiven Proben, vertreten sein wird).

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