6633294-1956_51_11.jpg
Digital In Arbeit

Mozart, Cage und Karajan

Werbung
Werbung
Werbung

Im Jänner wurde das von der gesamten musikalischen Welt gefeierte Mozartjahr in Salzburg eröffnet, in Wien klang es im Dezember mit einer Mozart-w o c h e aus. Die Fülle der Veranstaltungen (es waren deren sieben), die sich in eine Berichtswoche drängten, gestattet uns nur ihre Erwähnung. In der Instrumentensammlung des Kunsthistorischen Museums spielte Isolde Ahlgrimm auf alten Tasteninstrumenten aus der Mozartzeit einige lugendwerke. Ein Konzert unter der Leitung von Paul Angerer im Schönbrunner Schloßtheater war dem Meister des Instrumentalkonzerts gewidmet. Das Programm eines Kammermusikabends im Palais Auersperg umfaßte zwei Quartette, das Klarinettenquintett mnd einen Liederzyklus (Symphonia-Quartett und Anny Felber-mayer). Das Ballett-Divertissement „Les petits riens“ in der Choreographie Rosalia Chladeks wurde im Schönbrunner Schloßtheater aufgeführt, für dessen Orangerie, im Auftrag Kaiser Josefs IL, seinerzeit auch „Der Schauspieldirektor* geschrieben worden war, der am gleichen Abend unter der Leitung Hans Swarowskys mit dem Orchester und Solisten der Staatsakademie gegeben wurde. Nach einer Festvorstellung der „Zauberflöte“ in der Staatsoper fand in der Todesstunde Mozarts, in der Nacht auf den 5. Dezember, eine feierliche Kranzniederlegung auf dem St.-Marxer Friedhof statt. Dem Amt für Kultur und Volksbildung ist für die würdige Durchführung dieser Veranstaltungen ebenso zu danken wie für die bibliophil ausgestattete kleine Programmfestschrift.

Mozart bevorzugte für das Spiel von Hausmusik und für die Kontrolle der „Zauberflöten“-Partitur das ätherisch-zarte Clavichord, neben dem das Cembalo und der spätere Walter-Flügel geradezu robust wirken. Aber in unseren dreißiger Jahren genügte dieser Klang manchen Musikern nicht mehr und der ehemalige amerikanische Theologiestudent John C a g „präparierte“ das Klavier mit Filzbolzen, Reißnägeln in den Hämmern usw. Nach 1945 machte das „prepared piano“ Schule, und in einem von der IGNM veranstalteten Konzert in der Musikakademie führte uns David T u d o r aus New York Proben dieser Musik von Christian Wolff, Stockhausen, Brown. Feldman, Nilsson und Cage vor. Nicht nur klanglich, sondern auch ihrer komplizierten Struktur nach (soweit von einer solchen die Rede sein kann) sind diese Kompositionen das Extremste, das man sich vorstellen kann und keineswegs mit dem Begriff „neue Musik“ zu identifizieren, sondern als das zu werten, was sie sein wollen: als Klangexperimente und Vorstöße in musikalische Randbezirke. Daß das Gehaben des ernst-fanatischen Pianisten, der den Konzertflügel nach der Parole der Freistilringer („Catch as Cage can“) zu behandeln schien, beim Publikum zuweilen auch Heiterkeit auslöste, soll man nicht tragisch nehmen.

Musiker behaupten, es gäbe keine schlechten Orchester, sondern nur schlechte Dirigenten. Der „Akademische Orchestervereln“, weit davon entfernt, ein „schlechtes“ Orchester zu sein, ist ein Liebhaberensemble, das jetzt in seinem letzten Konzert unter Leitung von Hans Swarowsky eine Bestleistung erzielt hat. Händeis für die Hörner so schwierige „Wassermusik“, die virtuos-wirkungsvolle Paganini-Rhapsodie von Rachmaninow, von Walter Kamper brillant und mit glasklarem Ton gespielt, und als Abschluß die d-moll-Symphonie von Cesar Franck: dies war ein Programm, das — an sich interessant und gut exekutiert — den Besuch des Konzertes lohnte.

Im Zeichen künstlerischer Vollendung stand die Wiedergabe des „Deutschen Requiems“ von Johannes Bratms unter Herbert von Karajan. Niemand hatte weniger erwartet, und dennoch war man neu gebannt und ergriffen von dem tröstlichen Schimmer, der milde über diesem Totengesang leuchtete, am tiefsten in der Stimme Hans Hotters („Siehe, ich sage euch ein Geheimnis“). Elisabeth Grümmers heller Sopran übersang die Schatten der Trauer gelegentlich allerdings zu sehr. Chor und Orchester (Symphoniker und Singverein) boten ein Vorbild vergeistigten Musizierens, besonders wirkungsvoll im 2. Satz („Denn alles Fleisch, es ist wie Gras“). Der Beifall am Schluß unterblieb. Schweigend, tief beeindruckt verließ das Publikum den Saal.

Zum Abschluß des Mozartjahres fand im Dom zu St. Stephan eine liturgische Wiedergabe des „R e q u i e m“ statt, gesungen von den Wiener Sängerknaben (und ehemaligen Sängerknaben als Herrenchor) unter Leitung von Ferdinand Großmann. Das Verhältnis von Chor und Orchester (Posaunen) erwies sich im großen sakralen Raum richtiger als im Konzertsaal. Voll und tragend gesellten sich auch die Knabenstimmen des Sopran-und Altsolo zu dem Tenor Julius Patzaks und dem Baß Oskar Czerwenkas Der Chor wuchs zur ausdrucksvollen Einheit. Leider war dies alles nur stellenweise überzeugend bemerkbar, da eine ungünstige Lautsprecheranlage alle Klänge verzog, so daß man, je nach dem Platz, an dem man sich befand, manche Klänge nachschleppend und manche doppelt hörte, und sich am Ende fragte, wie denn das Mozart-Requiem aufgeführt wurde, als es noch keine Laut-sprecheranlage gab.

Ihr überlegenes Können bewiesen die Wiener Sängerknaben in einem Konzert alter Meister, darin sie Motetten von Gallus, Nascus, Pale-strina, Victoria, Hassler, Gastoldi u. a. mit bezaubernder Reinheit der Intonation interpretierten, von Xaver Meyer suggestiv geführt. Die Uebertragung dieser Gemischten Chöre auf Oberstimmen treibt allerdings die ersten Soprane oft über die natürliche Stimmlage hinauf. Wenn die dadurch gesteigerten Anforderungen auch absolut gemeistert wurden, bleibt der Vorrang dennoch nicht unbedenklich und unterstützt die ohnedies vorhandene Neigung eines gewissen Teiles des Publikums zur Ansicht „Je höher, desto schöner“. Der abschließende Schwank „Der Schulmeister“ nach Melodien von Johann Strauß stellte sich als weniger glücklich dar, obwohl die szenische Bearbeitung durch Ilka Peter ein guter Einfall und vor allem wirklich kindlich ist, was man von der Musik Johann Strauß' nicht eben behaupten kann.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung