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Mozart-Festwoche in der Staatsoper

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Die neue „Zauberflöte“ im Großen Haus am Ring ist ein recht „merkwürdiger Fall“, ein Schulbeispiel dafür, wie sich hervorragende Einzelleistungen nicht zum Ganzen fügen wollten und in der Summe keinen großen, festlichen Opernabend ergaben. Alle Voraussetzungen schienen vorhanden: ein kluger und erfahrener Regisseur (Günther Rennert), ein prominenter Mozart-Dirigent (Josef Krips) und ein glänzendes Ensemble, zum Teil in Doppelbesetzung (Tamino: Anton Dermota und Rudolf Schock, Pa-mina: Irmgard Seefried und Wilma Lipp, Königin der Nacht: Erika Köth, Papageno: Erich Kunz und Walter Berry, Papagena: Anneliese Rothenberger, die drei Damen der Königin: Gerda Scheyrer, Christa Ludwig und Hilde Rössel-Majdan, Sarastro: Gottlob Frick, Monostatos: Peter Klein, Sprecher: Eberhard Wächter u. a.). Die Bühnenbilder und Kostüme schuf Georges Wakhewitsch, dem ein großes und prunkvolles Barockzaubertheater als Gesamtplan vorschwebte, das bekanntlich die kühnsten Stilmischungen gestattet. So sah man düstre Grotten und wilde Felsenlandschaften, einen Urwaldprospekt im Stil des Zöllners Rousseau und eine modern stilisierte riesige Sonnenscheibe: in den Kostümen ägyptisch Getöntes, pariserisch Verspieltes und Prunkgewänder, wie sie Botticelli gern malte. Zu all dem paßte die bewegliche Regie Rennerts nicht recht, die aber immerhin die Schauspieler-Sänger sicher und einheitlich lenkte, bis auf eine Ausnahme: die Pamina Irmgard Seefrieds, die mit einer eigenen, psychologisch-realistischen Darstellung brillierte. — So bleibt also die ideale „Zauberflöte“, das tiefsinnige Märchen, in dem sich Volkstümliches mit Weihevoll-Feierlichem verbindet, ein Wunschtraum.

Dagegen geriet die „Hochzeit des Figaro“, auch für den, der die Salzburger Inszenierung kannte, über jedes Erwarten glänzend und einheitlich. Die Regie Günther Rennerts war geistreich, spielerisch firentvoll Kosto gehöYeli mrtf in dieser Art auf unserer Bühne gesehen hat, und können nur mit denen Rollers zum „Rosenkavalier“ verglichen werden. Für die Leistung der fünf Hauptakteure, und zwar als Schauspieler und Sänger, ist kein Lob zu hoch: Irmgard Seefried als Susanna, Christa Ludwig als Cherubin (die gelegentlich in Gefahr gerät, ein wenig zuviel des Guten zu tun), Erich Kunz als Figaro, Eberhard Wächter als Graf Almaviva und Elisabeth Schwarzkopf als Gräfin, der, als seltenem Gast, sich naturgemäß die besondere Aufmerksamkeit des Publikums zuwandte und die stimmlich noch nie großartiger, schauspielerisch nie virtuoser und gelöster war als an diesem und dem nachfolgend besprochenen Abend. Der musikalische Spiritus rector dieser feinen und hinreißenden Aufführung war Herbert von Karajan, der mit dem Orchester der Philharmoniker so klangschön, elegant und präzise musizierte, wie man's zur gleichen Stunde anderswo in der Welt wohl kaum gehört hat.

Von ähnlicher Vollkommenheit war zwei Tage vorher eine Aufführung von „Cosifantulle“ im kleineren Rahmen des Redoutensaales. Hier

spielten Elisabeth Schwarzkopf und Christa Ludwig die beiden wankelmütigen Schönen Fiordiligi und Dora-bella, Anton Dermota und Erich Kunz die zwei Offiziere, Emmy Loose die Despina und Paul Schöffler den Anstifter des Spiels, Don Alfonso. Die oft gewürdigte Inszenierung ist von O. F. Schuh, Rudolf Kempe stand zum erstenmal vor dieser Partitur in Wien am Pult, und man kann über seine Leistung nur das Beste sagen. Seine dramatische, präzise und elastische Zeichengebung kommt Sängern und Orchester gleichmäßig zugute und vereinigt beide zu einem wirklichen Mozart-Ensemble. — „Figaro“ und „Cosi fan tutte“ wurden italienisch gesungen. Die Vorteile sind bekannt. Aber besonders im „Figaro“ ist es einem leid um den geistvoll-boshaften Text, von dem in der fremden Sprache eben doch nur etwa jeder zehnte von den Zuhörern die Pointen und jeder hundertste alles versteht.

Auf dem Programm des 2. Karajan-Kon-rerts im Großen Musikvereinssaal stand Bruckners IX. Symphonie in der Urfassung. Sonst nichts. Dafür sind wir dankbar. Denn dieses Monumentalwerk bedarf einer Ergänzung durch andere Musikstücke ebensowenig wie des „Te Deum“ als Ersatz für den fehlenden vierten Satz. Fehlt wirklich etwas? Niemand käme nach dem Verklingen des letzten Hörnerakkords auf die Idee, wüßte man nicht, daß Bruckners und anderer Komponisten Symphonien eben vier Sätze zu haben pflegen und nicht drei. — Dem Werk Bruckners ist bei diesem Konzert etwas Merkwürdiges geschehen: es wurde geröntgt. Und das Bild ergab, daß diese Symphonie, was Material und Konstruktion betrifft, von untadeliger Vollkommenheit ist. Aber die Neunte wurde auch dargestellt, und zwar mit der Karajan eigenen Akuratesse und Intensität. (Wie man diese beiden miteinander verbindet, ist sein Geheimnis.) Die genaue Deklamation, deTfeßheP? ofnWcWägeaWTOf/M Schärfe-!m Tcnfetf, mg'BrlsonaÄf-oWW Adagio, majestätisch und schmerzlich in einem — es gäbe viele Details aufzuzählen, aus denen sich die unvergleichliche Wirkung dieses Werkes und seine meisterhafte Interpretation durch die Symphoniker unter Herbert von Karajan summieren. (Die Streicherfigur — Unisono der 1. Violinen — im Trio des Scherzosatzes habe ich noch nie ganz rein gehört. Sie war's auch diesmal nicht, scheint also im geforderten Tempo unspielbar zu sein.)

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