Der Ausnahmemusiker Hubert von Goisern tourt derzeit mit seinem neuen Album "S'Nix" durch Österreich und Deutschland - und präsentiert dabei zugleich die Früchte seiner ausgiebigen Schiffstournee über die Donau. Seine Musik dient auch dem vereinten Europa.
Leinen los. Anker lichten. Segel setzen. Auf zu neuen Ufern. Für Künstler wie für Journalisten ist eine Schiffsreise eine dankbare Angelegenheit. Künstlern eröffnet sie neue Perspektiven, sie hilft, Auge und Denken zu entschleunigen und sich auf die Musik zu konzentrieren. Journalisten eröffnet sie einen wahren Schatz an Metaphern - die manchmal sogar passen können. Und selten passen sie so gut wie im Fall des Ausnahmemusikers Hubert von Goisern, der - kaum zurück von seiner Schiffstournee über die Donau - derzeit mit seinem neuen Album "S'Nix" durch Österreich und Deutschland tourt.
Immer wieder hat er im Laufe seiner Karriere den Aufbruch zu neuen Ufern gewagt. Die Erfolgsgeschichte der "Alpinkatzen" etwa brach er Mitte der 90er Jahre bewusst ab, um sich musikalisch von Afrika und Tibet inspirieren zu lassen. Aus beiden Reisen wurden Alben, die den hart gesottenen "Hiatamadl"-Fan mit offenem Munde zurückließen. 2001 folgte mit "Fön" die Rückbesinnung auf puristischer arrangierte Jazz- und Bluesrhythmen. 2004 wechselte von Goisern mit "Iwasig" erneut das Kielwasser, ließ wieder verstärkt Jodler einfließen und sich insbesondere durch eine neue Band mit einem herausragenden brasilianischen Bassisten inspirieren.
"Europäischer Diskurs" durch Musik
Nach der Rückbesinnung auf seine musikalischen Wurzeln mit den beiden "Trad"-Alben hat von Goisern nun mit "S'Nix" abermals eine radikale Wendung vollzogen: jazzige Balladen wechseln mit fast schon klassischen Rock-Nummern. Vom Purismus der "Fön" ist (S')nix mehr zu spüren: breite, flächige Streicher, dominante E-Gitarren, ein extrem hart und auf den Punkt hin abgemischtes Schlagzeug.
Zugleich fährt von Goisern mit "S'Nix" jedoch auch die Ernte der letzten zwei Jahre ein, in denen der Weltmusiker auf einer Schiffs-Tournee entlang der Donau schipperte. Zwischen Juni und September spielte er auf seiner Schiffsbühne 22 Konzerte in Österreich, Deutschland, Ungarn, Rumänien, Bulgarien, der Ukraine, Serbien und der Slowakei - den größten Teil davon kostenlos und mit Unterstützung jeweiliger einheimischer Musiker. In diesem Jahr ließ sich von Goisern treiben - und zwar stromabwärts bis nach Rotterdam. Auch auf dieser Tour spielte er wieder rund 30 Konzerte in Österreich, Deutschland, den Niederlanden, Frankreich und der Schweiz.
Rückenwind - finanziell wie medial - bekam von Goisern durch "Linz09". Die Kulturhauptstadt ließ sich nicht lumpen und machte die Tournee kurzerhand zu ihrem völker- und kulturverbindenden Vorzeigeprojekt. EU-Kommissar Ján Figel wünschte dem Projekt Glück, Erhard Busek übernahm die Schirmherrschaft, und schon brummte der schwere Schiffsdiesel los, um - wie es im offiziellen "Mission Statement" großspurig heißt - über die Musik "einen europäischen Diskurs in Gang zu bringen, der uns den Kontinent erfahrbar macht". Die Vorstellung eines vereinten, grenzenlosen Europas sei "viel zu schön, um es nicht zumindest zu probieren", übersetzt das von Goisern.
Ein erstes Zwischenergebnis konnte am vergangenen Wochenende bei zwei Konzerten im Wiener Museumsquartier bestaunt werden. Dabei huben die Abende mit einer Warnung an: "Es könnte nicht das drin sein, was ihr vielleicht erwartet", begrüßte von Goisern sein Publikum. Nebelschwaden zogen über die Bühne, zwei Rettungsringe an den Lautsprechern signalisierten, was auf die Zuhörer zukommen würde: eine Wildwasserfahrt auf neuen musikalischen Gewässern mit ungewissem Ausgang.
Obligatorisches "Heast as nit"
Die Band zeigte sich in exzellenter Spiellaune und nach den beiden Schiffstourneen bestens aufeinander abgestimmt. Für exotische Klangvielfalt sorgte die bulgarische Musikerin Darinka Tsekova mit ihrer Gadulka, einem Streichinstrument. Es dauerte eine Weile, bis sich das Publikum auf diese neuen und von Keyboarder David Lackner breitflächig untermalten Klangwelten eingestellt hatte. Doch spätestens mit den ersten Hoadern wie "Iawaramoi" und "Mercedes Benz" wurde der Bühnenvorraum zu einer wiegenden Masse, die erst nach drei intensiven Stunden musikalischer EU-Integration und der obligatorischen "Heast as nit"-Zugabe in die Wogen der Wiener Nacht entlassen wurde.
Es wird noch viel Wasser die Donau hinunterfließen, bis man weiß, ob die musikalische Völkerverständigung auch gesellschaftliche Früchte trägt. Ein schöner Traum bleibt es zumindest - jedenfalls bis Mitte nächsten Jahres. Dann nämlich lädt von Goisern zu einem mehrtägigen Konzertfestival im Linzer Hafen mit allen Künstlern, die während der Tour an Bord gekommen sind.