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Musik in Salzburg

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Das alltägliche Salzburger Musikleben, wenn man die Zeit außerhalb der Festspiel- und Festwochenzeit so nennen darf, ist ebenso belebt wie übersättigt durch die beinahe unüberschaubare Fülle der großen, kleinen und kleinsten Veranstaltungen. Dabei ist Größe und Qualität der Veranstaltung nicht immer identisch. Die Ringkonzerte der Kulturvereinigung sind trotz ihrem breiten Publikum vielfach bedeutend, die Orchester- und Solistenkonzerte der Internationalen Stiftung Mozarteum sind etwas exklusiver, aber nicht immer erstklasssig. Die Akademie Mozarteum veranstaltet beinahe täglich Musikabende, die oft nur Schülerdarbietung, manchmal aber auch Anruf zukünftiger Ausnahmebegabung sind, die Chöre bieten oft selten gehörte Werke. Der Rezensent hat es nicht leicht!

Die Musik Salzburgs bietet zwischen der Mozart-Festwoche und den Veranstaltungen der „Festlichen Ostern” und des „Musikalischen Frühlings” einen eigenen Abschnitt des musikalischen Jahres. Es begann mit einem Höhepunkt: mit dem 8. Orchesterkonzert unter Mladen B a § i c, der mit dem Mozarteum-Orchester die 6. Symphonie Beethovens und mit Branka Musulin (Stuttgart) das Klavierkonzert d-moll (KV 466) musizierte. Das Konzert mit der „Egmont”-Ouvertüre abzuschließen mußte im Programmaufbau zweifelhaft bleiben.

Einen Abend der werkdienenden Kultur bot die Wiener Pianistin Ingrid Haebler. Sie hat in Salzburg begonnen. Ganz Frau und grazil in Anschlag, Technik und Auffassung, klassisch in der innerlichen Harmonie ihrer Darstellung. Es gab Mozarts Sonate in A-dur (KV 332), Joseph Haydns Sonate in Es-dur und Schuberts Sonate in G-dur (op. 78) zu hören und — zu erleben.

Das 9. Orchesterkonzert der Kulturvereinigung sah dann den ausgezeichneten Salzburger Pianisten Gilbert Schuchter am Dirigentenpult. Seine besonders der Schubertischen Welt verwandte gefühlsinnige Musikalität setzte diese stilistisch der eines deutschen Ensembles wohl vorzuziehen; denn die jeder Nation ureigene Musik wird eben von ihren Angehörigen am besten erfaßt und interpretiert werden. Beispielsweise konnte wohl kaum ein deutscher Dirigent an die wundervolle Wiedergabe Toscaninis eines „Falstaff” oder eines „Othello” heranreichen, während anderseits eine von Knappertsbusch geleitete Aufführung der „Meistersinger” ganz anders einer stilgerechten Wagner-Interpretation entsprach als die seinerzeit bei den Salzburger Festspielen von Toscanini dirigierte gleiche Oper.

Was schließlich die Aufführungspraxis in textlicher Hinsicht betrifft, so möge man die Werke von Komponisten, die verschiedensprachige Libretti vertonten, so zum Beispiel Mozart und Nicolai, mit der in der Originalpartitur verwendeten Sprache wiedergeben, also einen „Don Giovanni” italienisch, eine „Zauberflöte” deutsch, womit — es sei dieser Ausdruck gestattet — dem „italienischen” Mozart ebenso richtig entsprochen wird wie dem „deutschen”.

Trotz der im vorangehenden angeführten. Argumente . dürfte, die Frage, ob die Aufführung einer Oper in der Originalsprache oder in einer Übersetzung vorzuziehen wäre, nicht immer leicht zu lösen sein. In einer sicherlich gerechtfertigten Forderung aber werden sich wohl alle Operninteressenten einig finden: Aufführungen, in denen die einzelnen Solisten und der Chor in verschiedenen, oft drei bis vier Sprachen singen, sind als absolut unkünstlerisch abzulehnen, auch wenn es sich um Notbesetzungen oder in letzter Minute getroffene Maßnahmen handelt.

Dr. Paul Lorenz sich auch in diesem Sinne mit dem Programm auseinander. (Mozarts Adagio und Fuge in c-moll, das Flötenkonzert in G-dur und die Pariser Symphonie Mozarts.) — Den zweiten Teil des Konzerts bildete die 7. Symphonie Beethovens, die Symphonie der rhythmischen Spannungen und der machtvollen Erregungen, die höchster Überlegenheit und größten Haushaltens bedarf, um ihr ganzes Geheimnis der Hoffnung und des Glaubens zu enthüllen.

Nach Wien war Aram Chatschaturi a n mit den Wiener Philharmonikern im Neuen Festspielhaus zu Gast. Es schien zuerst, als ob das Salzburger Publikum vorsichtige Distanz vor diesem östlichen Besuch halten wolle. Dann aber war das große Haus mit der immer wieder genossenen zergliedernd- verbindenden Akustik doch ebenso vollbesetzt wie bei den Ringkonzerten. Das Programm war gegenüber Wien unverändert.

Die Mozarteum-Stiftung bot nach einer Serie von Verhinderungen ein Orchesterkonzert unter dem Leiter des Linzer Bruckner-Konservatoriums Wilhelm J e r g e r mit einem historischen Querschnittprogramm von Vivaldi (Concerto grosso in d-moll) über Arien Händels, Glucks und Mozarts, die Lucretia West sang, und über zwei Symphonien Mozarts (KV 45 b und 200) bis zu der „Sinfoni- etta per due orchestre d’archi” von dem zeitgenössischen Polen Kasimierz S e- r o c k i aus dem Jahre 1952, übrigens eine Erstaufführung und ein wohlfundiertes, formal und architektonisch eindrucksvolles Werk. Wilhelm Jerger zeigte eine klare und sachlich kluge, dennoch bewegte Dirigierleistung.

Die Akademie gab in der Veranstaltungsreihe „Musica nova” ein anspruchsvolles Orchesterkonzert, das vornehmlich unter der Leitung von Gerhard Wimberger stand, der auch eine von ihm komponierte ..Metaphonie für Orchester” als Uraufführung beisteuerte, ein so gut wie „atonales”, aber durchaus an sprechendes Werk, was den „Incontri” von Luigi Nono nicht nachgesagt werden kann. Benjamin Brittens romantisierende Serenade für Tenor, Horn und Orchester fiel stilistisch stark heraus. Ein überzeugendes Erlebnis wurde wieder Igor Strawinskys „Psalmensymphonie”, die mit ihrer gotterfüllten Gebetsversunkenheit und Lobpreisung ein Netz des Glaubens um den Saal spann. Hier sprach das Genie.

Mit Johann Seb. Bachs „Johannes- Passion” unter Bernhard P a u rn- gar t n e r öffneten sich schließlich schon die Tore für die Musik der „Festlichen Ostern” in Salzburg und damit ein neuer Kreis musikalischer Zielsetzung.

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