6654792-1959_22_15.jpg
Digital In Arbeit

Neue Ballette und alte Operette

Werbung
Werbung
Werbung

Die Staatsoper /veranstaltete einen Ballett- Premierenabend, bei dem drei zeitgenössische Werke erstaufgeführt wurden, deren Choreographie von dem neuen Ballettmeister Dimitrije Parlic stammt. Mit dem letzten Ballettabend unter der Leitung von Yvonne Georgi, über den an dieser Stelle berichtet wurde, läßt sich diese Produktion kaum vergleichen. Denn Parlic macht sich seine Sache schon insofern leichter, als er durchaus eingängige, unproblematische Kompositionen wählt. Da war zunächst das aus einzelnen Nummern zusammengesetzte Handlungsballett „Träum e” nach Benjamin Brittens Variationen über ein Thema von Frank Bridge, mit den programmatischen Satztiteln: Nachtwandler, Romanze, Arie, Walzer, Perpetuum mobile, Trauermarsch, Insekten usw.: eine Reihe ergiebiger Stücke für die drei jungen Solisten Margarete Bauer-Pokomy, Karl Musil und Richard Nowotny. Immerhin gab es hier, unterstützt durch das Bühnenbild von Dušan Ristic, das Elemente von „1001 Nacht” mit Ge- spenstisch-Hoffmaneskem reizvoll verbindet, ein paar auch atmosphärisch stärkere Nummern. Das nächste Ballett, „Le Combat” (Der Zweikampf), behandelt eine Episode aus der Kreuzfahrerzeit nach Torquato Tassos „Befreitem Jerusalem”. Clorinda und Tancred sind die Hauptpersonen, die in Edeltraut Brexner und Richard Adama virtuose und ausdrucksvolle Darsteller fanden, während die. männlichen Mitglieder des Corps de Ballet die meiste Zeit als kriegerische Pferdchen iiber die Bühne galoppierten, zu einer wirkungsvollen, aber recht simplen Musik von Raffaelo de Banf iel d. — Am lustigsten ,ging es im Schlußstück des Abends zu. Für „La Reine des Iles”, nach, einer Novelle von Pierre-Paul Fournier, hatten der Autor des Librettos, Andrė Boll, und der als Filmkomponist bekannte Maurice Thiriet die hübsche Idee, Höfisches und Exotisches teils in Gegensatz zu stellen, teils zu vermischen. Die Handlung spielt nämlich auf San Domingo, wo zu Ehren von Pauline Bonaparte, die als Herrin der Insel eingesetzt worden ist, ein Fest gegeben wird: dankbare Gelegenheit zu allerlei Persiflagen des Hofstils und zu lustigem Eingeborenentreiben, etwa im Stil von „Porgy and Bess” — Gelegenheit freilich auch zur Manifestation des Könnens einer ganzen Reihe von Solotänzern, wie Christi Zimmerl, Lucia Brauer, Dietlinde Klemisch, Lucia Schwab und Willy Dirtl, der durch akrobatische Kunststücke, wie man sie sonst n-ur im Zirkus sieht, zu verblüffen wußte.

Aber — dazu geht man ja schließlich nicht ln einen Ballettabend der Staatsoper…

Die Direktion der Volksoper hat Emmerich Kalmans „Gräfin Mariza” ausgegraben, die im März 1926 im Theater an der Wien uraufgeführt worden war. „Das Publikum sucht in der Operette Entspannung und Ablenkung von den Nöten und Sorgen des Tages, es will gut angezogene Menschen sehen und hören, um gerade bei ihnen das zu finden, was ihm selbst fehlt”, schreibt Hans Arnold in seiner Kälmän-Biographie. Und das findet man tatsächlich in diesem Werk und in dieser Aufführung, dazu noch tanzende und singende Kinder, einen wirklichen Esel und einen kleinen Dackel namens Moritz. — Der bekannte Filmregisseur Gėza von Bolväry, der zum ersten Male eine Operette auf der Bühne inszenierte, sorgt für überraschende Abwechslung und kaleidoskopische Bewegung der Bühnenbilder, die Walter Hoeßlin mit Phantasie erdacht und mit lebhaften Farben ausgestattet hat. Daß hierbei Rot — vom Zuckerlrosa über gedämpfte Barbeleuchtung bis zum flammenden Brandrot ä la Walküre — dominiert, entspricht durchaus dem Charakter dieser Musik, die zwei wirkliche, mit Recht berühmte Schlager aufzuweisen hat („Komm mit nach Waras- dm” und „Ich möchte träumen”). Adrett, freundlich und unterschiedlich, wie die Menschen und Trachten des Vielvölkerstaates, waren auch die Kostüme von Alice Schlesinger, und diese Vielfalt und Buntheit, im Melodischen und im Sprachlichen, macht den Hauptreiz der „Gräfin Mariza” aus — wenn auch die verschiedenen Idiome nur durch Akzent angedeutet und das Folkloristische in Barbeleuchtung erscheint. — Von den vielen Ausführenden erweisen sich eigentlich nur Erich Kuchar (als Baron Zsupan) und Guggi Löwinger (als seine Schwester Lisa) als geborene Operettenschauspieler. Esther Rethy und Rudolf Christ und viele andere sind, obwohl von vorteilhafter, ja dekorativer Erscheinung, vornehmlich Sänger. Ausgesprochene Begabung für das leichte Genre zeigt wieder Dia Luca als Choreographin, während man Anton Paulik für manche Stellen der kunstvollen Partitur eine etwas leichtere Hand wünschte. Wenn „erlaubt ist, was gefällt”, dann darf man dieser Neuinszenierung sein Placet geben.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung