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Neue Musik und Opernpremieren

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Die beiden letzten Konzerte des vom Oesterreichischen Rundfunk veranstalteten Zyklus „M u s i c a N o v a“ waren jungen Dirigenten anvertraut. Michael G i e 1 e n hat vermutlich auch das Programm eines interessanten Konzertes mitbestimmt. „Corales Criolos Nr. 3“ heißt ein gutklingendes Variationenwerk für Orchester von Juan Jose Castro, dem 1895 geborenen Argentinier, der vor einigen Jahren einen Preis für seine Oper „Proserpina und der Fremde“ erhielt. Im Stil volkstümlicher Melodien und Choräle der südamerikanischen Nachkommen eingewanderter Spanier sind die Themen erfunden und in südlich leuchtende Orchesterfarben gekleidet. — Nüchterner und strenger, aber ohne Vernachlässigung eines lebhaften, meist hellen Kolorits, verfährt der Grieche Nikos Skalkottas (1904 bis 1949), der bei Schönberg studierte, mit seinem heimischen folkloristischen Material. Die „Fünf griechischen Tänze“ (Peloponni-siakos, Epirotikos usw.) sind Musterstücke einer ■freien und trotzdem charaktervollen Bearbeitung. Zwischen diesen robusteren Kompositionen waren zwei Werke von Schönberg und Webern zu hören. Die „Vier Lieder, op. 22“, für tiefe Stimme und Orchester schrieb Schönberg unmittelbar vor Ausbruch des ersten Weltkriegs. Den traumhaften, symbolistischen Texten von Dowson (in der Ueber-tragung St. Georges) und Rilke entspricht eine klanglich und rhythmisch äußerst differenzierte Orchesterbegleitung der sich — wie meist bei Schönberg — in weiten Intervallen bewegenden Singstimme. Christa Ludwig besitzt für den überaus schwierigen Vortrag nicht nur die entsprechende Musikalität, sondern auch eine ungewöhnlich schön-timbrierte Stimme. Anton von W e b e r n s. „Variationen für Orchester“ aus dem Jahr 1940, die streckenweise aus reinen Klangfarbenmelodien gebildet sind, wurden aus dem Nachlaß herausgegeben und hier erstmalig aufgeführt. Michael Gielen hatte jedes der aufgeführten Werke sicher im Kopf und brachte sie nicht nur „richtig“, sondern auch wirkungsvoll zur Geltung.

Ein wesentlich leichteres Programm absolvierte der Junge griechische, gegenwärtig in Graz wirkende Dirigent Miltiades C a r i d i s. Trotzdem war es das schwierigere Konzert, da Caridis nicht mit den Symphonikern, sondern mit dem Rundfunkorchester musizierte. Gerade so unpersönliche Werke wie Muzio Clementis D-dur-Sym-phonie, op. 18. bedürfen der feinsten und präzisesten Interpretation. R e s p i g h i s effektvoll altertümelndes Concerto gregoriano (mit Victor Redtenbächer als Solisten) gibt uns, besonders im letzten Satz („Alleluja“), einen nachdrücklichen Hinweis auf die orientalische Herkunft der Grego-rianik. Weitaus am besten gelang dem talentierten jungen Dirigenten Strawinskys „Feuervogel“ -Suite, die wir in einer Neubearbeitung durch den Komponisten aus dem Jahre 1945 hörten: klanglich fast ein neues Werk, weniger leuchtkräftig, dafür klar und transparent, zu dem freilich die alten Bilder, zu denen Marc Chagall durch das Jugendwerk Strawinskys von 1911 inspieriert worden war, nicht mehr passen!

Konzerthausgesellschaft und IGNM veranstalteten ein Chor-Orchester-Konzert mit drei Erstaufführungen. „Apollo et Hyazinthus“ nennt der junge Deutsche Hans Werner H e n z e eine bauchzarte, lyrisch-elegische Improvisation für Cembalo, Altstimme und acht Soloinstrumente, die ,in die gleichgestimmten Verse Georg Trakls ausklingt: „Oh, dann neige auch du die Stirne vor der Ahnen verfallendem Marmor.“ Auch Michael G i e1 e n läßt Verse — leider nicht nur süigen, sondern auch sprechen (aus Claudels „Der seidene Schuh“), über deren Bezug zu seiner „M u s i c a 1 9 5 4“ wohl nur der Komponist selbst Auskunft geben könnte. Unter den elf kurzen, logisch verknüpften Sätzen gibt es einige, die durch vehemente Dramatik, eine Art gewalttätiges Espreesivo, auffallen. Auch sind für diesen speziellen Stil die Farben mit sicherer Hand gewählt und hingesetzt (Streicher, Klavier, Pauken, Bariton und Posaune). — Anton von Webern* punktuelles und aphoristisches „Konzert“ für neun Soloinstrumente ist „Zukunftsmusik“ und noch genau so esotherisch wie vor mehr als 20 Jahren, als er diese Partitur seinem Lehrer Schönberg zu dessen 60. Geburtstag widmete. „Kol N i d r e“ für Sprecher, Chor und Orchester von Schönberg, auf einen Text aus der Kabbala, spiegelte die innere Erregung und den Schmerz über das Schicksal seines Volkes. 1938 geschrieben, zeigt das dramatische Werk den gleichen Mischstil wie die „Ode an Napoleon“ oder der „Ueberlebende aus Warschau“. — Michael Gielen meisterte auch dieses Programm sicher und mit Temperament. Von den vielen Autführenden seien, neben dem Kammerorchester und dem Kammerchor, wenigstens noch Alfred Brendel, Hermann Nordberg, Hilde Rössel-Majdan, Eberhard Wächter und Albin Skoda genannt.

Gerard S o u z a y brachte eines der interessantesten Solistenprogramme dieser Spielzeit: Arien von R a m e a u und L u 11 y, Lieder von F a u r e und Ravel (griechische und hebräische Volksmelodien), einen kleinen Hugo-Wolf-Zyklus und, als Hauptwerk, Frank Martins „Sechs Monologe“ aus Hofmannsthals „Jedermann“. Souzay ist ein hervorragendes Naturtalent von raffinierter Vortragskultur. Wenn es ihm gelingt (er ist noch sehr jung), einige kleine technische Mängel zu beheben, kann er in die Weltklasse der Liedersänger aufrücken. Am Bösendorferflügel begleitete Dalton Baldwin.

Aus dem n Neueinstudierungen reichen Spielplan der Staatsoper registrieren wir wenigstens zwei Aufführungen: eine großartige „Elektra“ unter Karl Böhm (mit Christi Goltz in der Titelrolle), die gegenüber früheren Darbietungen szenisch verbessert, besetzungsmäßig weniger glanzvoll war (Margarete Klose, Max Lorenz, Edmund Hurshell und Hilde Zadek). Im Redoutensaal leitete Rudolf Moralt eine gutbesetzte Aufführung der („Entführung aus dem Serail.“ (Neu war vor allem Rita Streich, das frühere Blondchen, als lyrisch-ausdrucksvolle Konstanze; in den übrigen Partien: Alfred Jerger, Ruthilde Boesch, Anton Dermota, Peter Klein und Endre Koreh.) Die szenische Gestaltung war unbeholfen, von Regie wenig zu spüren, der Gesamteindruck flau. Helmut A. Fiechtner *

In der Neueinstudierung von „R i g o 1 e 11 o“ in der Volksoper überrascht zunächst Mimi Engela-Coertse als Gilda: eine junge, frische, vorzüglich gefehlte Stimme. Ferner überraschte Theo Bayle als Rigoletto gleich doppelt: einmal, weil er die neustudierte Partie italienisch sang, dann aber durch sein ausdrucksvolles Spiel, mit dem er die fremde Sprache zum Teil wieder rückübersetzte. Rudolf Christ fehlt das den Herzog charakterisierende Dämonische völlig, er ist ein — sehr schön singender — Operettenherzog. Wirkliche, echte Verdi-Figuren: Mira Kaiin als Maddalena und Frederick Guthrie als Sparafucile. Wilhelm Loibners musikalische Leitung ist in ihrer Umsicht und Ausgewogenheit zu loben, Bühnenbilder und Inszenierung bringen nicht viel Neues Wenn auch „Rigoletto“ eine Oper der schönen Stimmen ist, sollte doch in die offene Szene hinein nicht applaudiert werden. Das ist eine Ungezogenheit, von wo immer sie ausgehen mag. Für den Beifall sind die Aktschlüsse da. F. K.

Der Orchesterverein der Gesellschaft der Musikfreunde hat unter der Leitung Franz Litschauers schöne Fortschritte gemacht. Vor allem die Streicher sind gute Wiener Schule, und ihrer gegenseitigen Abstimmung ist ein harmonisches, fülliges Tonvolumen des Orchesters zuzuschreiben. Das war schon bei dem ,.C o n c e r t o grosso antic o“, Opus 86 des Grazers Otto S i e g 1 zu hören, wobei es dem Dirigenten, der sich eifrig einsetzte, darauf ankam, zwischen den elegischen, lyrischen Partien und den rhythmisch bestimmten keine Klutt entstehen zu lassen. Merkwürdig, wie P f i t z n e r s „Du o“ für Violine, Violoncello und Streicher, Opus 43, danach wirkte: das Werk des Komponisten, den man allzu gerne als späten Romantiker bezeichnete, gewann gerade in den herben Klangverbindungen.

Vom ersten Konzert der Mozart-Sängerknaben konnten wir hernach im Konzerthaus den größten Teil von „Bastien und Bastienne“ hcren. Der neugegründete Chor, seit zwei Jahren aber schon in Schulung, setzt sich die Pflege der Mozartmusik zum Ziel. Das Spiel der Knaben wirkt ungeziert, der charakteristisch herbe Klang der Knabenstimmen kam gut heraus. Kapellmeister Schwarzbauer geht umsichtig an seine Aufgabe.

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