6549837-1947_35_10.jpg
Digital In Arbeit

Orchester- und Kammerkonzerte

Werbung
Werbung
Werbung

Den Reigen der Orchesterkonzerte eröffnete wieder Edwin Fischer, der zugleich als Solist am Flügel ein einmaliger Nachschöpfer der Mozartschen Musik ist. Das leidenschaftlich erregte Klavierkonzert in d-moll (KV 466) und das wundervolle in c-moll (KV 491), das in den beiden Ecksätzen dunkle Affekte bevorzugt und in dem die Dämonie des Künstlers ihre ureigenste Sprache spricht, wurden von Fischer mit emphatischer, man kann sagen: mit beethovenscher Geste interpretiert. Die sanfte Stimmung der Mittelsätze erhielt durch die gefühlswarme Wiedergabe romantischen Schimmer. Die „klarinettenglänzende süße Schwester Don Giovannis“ nennt Moser die erste der drei letzten Symphonien Mozarts (KV 543). Kraftvolle Energie sprach aus dem ersten Teil, mit höchster Gefühlsspannung füllte Fischer den Mittelsatz und ließ dieses wienerisch-romantische Werk mit schäumender Lebenslust im Allegrofinale ausklingen.

In den beiden nächsten Konzerten stand nach langer Zeit wieder Wilhelm Eur t-wäng'ler vor den Philharmonikern. Stärker denn je fühlte man die subjektive Auslegung, die durch seine geniale Persönlichkeit den musikalischen Reichtum der C-dur-Symphonie von Franz Schubert neuen, edlen Glanz verlieh. Breit und schwärmerisch schöpfte Furtwängler die romantische Idee der Freischützouvertüre aus. Die Programmsymphonie „Tod und Verklärung“ von Ridiard Strauß ist durch die Leuchtkraft des Dirigenten geadelt worden. In Gegensätzlichkeit zum übrigen Programm des dritten Orches^erkonzerts mit Furtwängler stand Paul Hindemiths „Symphonie Metamor-phosis“, die nach des Komponisten Ausspruch nicht mehr sein will als eine Art gehobener Unterhaltungsmusik im Sinne eines Divertimento. Das große Violinkonzert von Johannes Brahms meisterte Yehudi Menuhin, wenn auch manchmal eine gewisse Unfreiheit den Solisten hemmte. Der pathetisch-monumentale Stil der c-moll-Symphonie von Brahms wurde durch Furtwänglers geniale Auffassung in eine erhabene Sphäre gehoben.

Es ist selbstverständlich, daß nach diesen Höhepunkten eine gewisse Entspannung eintreten mußte, die sich aber nicht sosehr in der künstlerischen Persönlichkeit der Dirigenten, sondern vor allem in der Programm, wähl ausdrückte. Charles Münch, der durch feinfühliges Nachempfinden und Klarheit des Dirigierens die Wiedergabe der französischen Musik zu einem interessanten Erleben gestaltete, hat impressionistische Meister gewählt. Die Tonwelt Cesar Francks offenbarte sich in der Symphonie in d-moll, die reinste und klarste Instrumentalmusik repräsentiert; den Höhepunkt von Claude Debussys Orchestermusik stellt die Tondichtung „Iberia“ dar, deren Farbenreichtum Münch mit faszinierendem Klang zu verlebendigen wußte. Auch Albert Roussels Symphonie in G-dur mit ihrer klassischen Strenge in der Form und sinnlichen Tonmalerei wurde von Jem französischen Dirigenten mit bewegender Kraft zum Ausdruck gebracht.

Von dem englischen Dirigenten John B a r b i r o 11 i ist besonders die Wiedergabe der IV. Symphonie von Brahms hervorzuheben. Mit fast südländischem Elan suchte er dieses schwermütige, an altertümlichen Wendungen reiche Werk neu zu beleben. Manches deckte sich nicht ganz mit der Vorstellung, die wir von Brahms haben. Auf die Wiederbegegnung mit dem Zwischenspiel äus der Oper des englischen Komponisten Frederick Delius „Romeo und Julia auf dem Dorfe“ hätten wir gerne verzidnet, denn das „seelische Programmstück“ klang zu dünn und kraftlos, als daß es eine Wirkung hätte hinterlassen können.

Mit neuesten Werken machte uns einer der besten Interpreten zeitgenössischer Musik bekannt, der Welschschweizer Dirigent E r-nest Ansermet. Arthur Honeggers Liturgische Symphonie ist eine freie Interpretation liturgischer Formeln, die anders als sonst üblich komponiert sind. Das „De profundis clamavi“ ist eine sehr langsam entwickelte Klage, während das „Dona nobis pacem“ mit seinen Marschrhythmen gleichsam eine Demonstration der Massen ausdrückt, die den Frieden fordern. Die „Petite Symphonie concertante“ von Frank Martin zeigt wieder, daß der Komponist ein Lyriker ist und durch die persönliche Technik, die er sich erworben hat, gibt er diesem Werk eine eigenartige Frische, man kann sagen, Treffsicherheit des Ausdrucks. Ein Jugendwerk Strawinskys, „Der Feuervogel“, galt im Jahre 1910 als revolutionär, ist heute schon „klassisch“ geworden und bringt keine Probleme für den Zuhörer. Noch einmal leuchtete festliche Stimmung in vollem Glänze auf: Man verließ das letzte Orchesterkonzert in dem Hans Knappertsbusch mit den Philharmonikern die V. Symphonie von Schubert und Beethovens Siebente in edelster Kunst darbot, mit Freude im Herzen. Die unbeschwerte, jugendfrische Partitur des 19jährigen Schubert übertrug Knappertsbusch in ein frohes, anmutiges Musizieren und stellte besonders das Liedhafte dieser Symphonie in den Vordergrund. Mit gebändigter Kraft gestaltete er die beethoven-sche Formenwelt. Knappertsbusch und den Philharmonikern, die ihm mit höchster Anspannung gefolgt waren, dankte das abschiednehmende Publikum mit rauschendem Beifall.

Bei den Kammerkonzerten vermißte man heuer das beglückende Musizieren des Calvet-Quartetts, das wegen Einreiseschwierigkeiten nicht eintreffen konnte. Aus dem gleichen Grunde konnte das Konzert des Fischer-Trios nicht abgehalten werden. Die Improvisationen Edwin Fischer-Wolfgang Schneiderhahn (die im letzten Augenblick eingesprungen sind) wurden durch die seilten starke schöpferische Begabung des Pianisten ein bleibender musikalischer Eindruck. Der Abend, der den modernen österreichischen Meistern gewidmet war, gestaltete sich zu einer Auseinandersetzung mit der neuzeitlichen Musik, bei der Kfeneks „Reisetagebuch aus den österreichischen Alpen“ durch Originalität am besten abschnitt. Bernhard Paurngartner schenkte uns mit seinem KammermusiLabenci wieder das große Erlebnis Mozart, wenn sich auch das Mozarteumorchester nicht immer den hohen Anforderungen, die die drei letzten Symphonien des Meisters stellen, gewachsen zeigt*. Strenge Schulung und Disziplin werden auch dieses Orchester, wenn ihr einstiger Meister endgültig die Leitung übernimmt, wieder für die Serenaden in der Felsenreitschulle, die traditionell dem großen Salzburger Sohn geweiht sind, zu jenem

Klangkörper machen, ö*en wir von früher in Erinnerung haben. Dann werden wieder die kleinen Kostbarkeiten Mozarts in ihrer lichten Klarheit und empfindsamen Zartheit, unter freiem Himmel bei Windlichtern dargeboten, die versunken lauschenden Zuhörer vollkommen in ihren Bann ziehen. Sie werden dann wie einst ein klingendes Symbol dieser ewigen Stadt sein.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung