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„Othello“, Chor- und Orchesterkonzerte

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Das erste Projekt, welches Karajan nach seiner Ernennung zum künstlerischen Leiter der Staatsoper bekanntgab, war das von Austauschgast' spielen mit der Mailänder Scala. Wir hatten am Ende der vorigen Spielzeit die Mailänder mit „Lucia di Lammermoor“ in Wien und hörten jetzt sechs Sänger der Scala in der von Karajan inszenierten und dirigierten Neueinstudierung von Verdis Oper „Othello“. Da das geplante Gastspiel der Wiener Staatsoper mit der „Frau ohne Schatten" nicht zustande kam, blieb die Liebe vorläufig „einerseits“. Immerhin hatte man Gelegenheit, einen großartigen Künstler, den derzeit wohl besten Sänger und Darsteller des Mohren von Venedig, kennenzulernen. Mario del Monaco heißt der teure Gast, der die hochgespannten Erwartungen voll erfüllte. Seine ebenbürtige Partnerin war Leonie R y s a n e k: ein wunderschöner, heller, ausdrucksvoller Sopran und eine intelligente Schauspielerin. Die übrigen vier Gäste von der Scala waren beste zweite Klasse (Zampieri, Cesarini, Forti, Canali), Anselmo Col- zani erwies sich, als Persönlichkeit und darstellerisch, dem Jago nicht ganz gewachsen. Das Orchester musizierte nach Karajans Intentionen auf weite Strecken symphonisch, mit bewundernswürdiger Präzision und Klangschönheit. Daß es die Sänger teilweise deckte, lag an der Ueberbetonung alles Polyphonen, das nicht ganz dem Stil der italienischen Oper entspricht. Der von Verdi bereits komponierte Gewittersturm der Anfangsszene wurde durch die allzu kräftig eingesetzte Wind- und Donnermaschinerie übertönt. Daß auch der Chor, von einem Italiener einstudiert, in der Originalsprache sang, war sehr erfreulich und möge für künftige Neuinszenierungen als Beispiel dienen. — Karajans Spielleitung und Lichtregie entsprach den eindrucksvollen Bühnenbildern Wilhelm Reinkings: sie war einheitlich, großzügig und geschmackvoll. Die kostbaren Kostüme Georges Wakhewitsches zeigten jenen noblen Prunk, den wir bereits in früheren Ausstattungen (Martins „Sturm“, Blachers „Othello“-Ballett, „Carmen“) zu schätzen und zu bewundern Gelegenheit hatten. Bereits zu Beginn der Aufführung gab es lauten Beifall für Karajan, am Ende der einzelnen Akte und der ganzen Aufführung wurden alle Ausführenden, insbesondere Leonie Rysanek und Mario del Monaco lebhaft und ausdauernd gefeiert.

Genau vor fünfzig Jahren wurde „Ein Walzertraum“ von Oscar Straus uraufgeführt. Daran erinnert eine glanzvolle Neuinszenierung des Werkes in der Wiener Volksoper. Nun werden die Fremden, die in diesem Frühling und Sommer in unsere Stadt kommen, die Wiener und Flausen- thurner von damals (einschließlich österreichische und deutsche „Offiziere und Mannschaft“) mit den heutigen vergleichen: kömrew;Was die’ Wiener “Som Jahre 1957 zum „Wabertraum“ : sagen .: daran scheiden sich zwar nicht die Geister, wohl aber die Geschmäcker. Hubert Marischka ist dreimal auf dem Theaterzettel genannt: als „Einrichter“, Spielleiter und Restaurateur. Vor den Bühnenbildern Walter Hoesslins und in den dekorativen Kostümen Erni Knieperts singen und agieren: Renate Holm, Sonja Knittel, Lizzi Holzschuh und Hilde Wagener, Fred Liewehr, Alfred Neugebauer, Rudolf Drexler und Erich Kunz. Anton Paulik dirigierte. Das Pre- mierenpublikum hat sich gut unterhalten.

In fast unmittelbarer Aufeinanderfolge hörten wir die beiden großen Passionsmusiken J. S. Bachs. Die seltener tragierte, strengere und daher schwerer zugängliche „Johannes-Passion“ ließ bei aller Exaktheit und Präzision der Führung und Ausführung (Staatsopernchor, Symphoniker unter der Leitung von Anton Heiller, mit Julius Patzak als Evangelisten) ein Letztes ungelöst, obwohl die straffe und energische Ballung des hochdramatischen zweiten Teiles die außerordentliche innere Kraft und Dynamik des Werkes zu vergeistigten Höhepunkten führte. — Die lyrisch aufgelockertere, in der unwiederholbaren Meisterschaft der Ausgewogenheit von Form und Inhalt, Konzentration und Vielfalt trotz der gewaltigen Länge volkstümlichere „M a 11 h ä u s- Passion" (Kammerchor, Singakademie, Symphoniker, Leitung Hans Gillesberger, Evangelist Peter Pears) baute sich zu einem vor allem durch die frischen Tempi gestrafften Monumentalwerk von großer Breitenwirkung auf. Die Chöre schöpften aus tieferem Brunnen, die Solisten aus stärkerem Miterleben: Julius Patzak scheint allerdings in der schwierigen Partie des Evangelisten unerreichbar, obwohl Peter Pears eine außerordentliche Leistung bot. Die Trennung von trockenem, objektivem Bericht und persönlichem Unterton ist jedoch nicht — oder noch nicht — erreicht. Das Orchester klang unter Heiller präziser, energischer, unter Gillesberger weicher, ausschwingender

Der Akademische Orchesterverein, unter der Leitung des jungen Karl Oester- reicher mit neuen frischen Impulsen geladen, bot in der Wiedergabe von Hans Pfitzners Ouvertüre zu Kleists „Käthchen von Heilbronn“, dem 2. Hornkonzert von Richard Strauss (Gottfried Freiberg) und der 3. Bruckner-Symphonie Beweise großer Leistungsfähigkeit, die in der stilistischen Einfühlung zu Pfitzners schwierigem Werk besondere Anerkennung verdient. — Eine Gipfelleistung stilistischer Kunst erlebten wir in der Ausführung des Streichquartetts von Maurice Ravel durch das

Loewenguth-Quartett (Paris). Die durchsichtige Liniatur erwies sich in der gebotenen Romantikferne als an dem ihr zukommenden Platz. Etwas kühler gelang die Exekution der Streichquartette op. 18/4 von Beethoven und op. 125/1 von Schubert.

Mit Liedern von Mozart, Schubert, Brahms und Hugo Wolf sang sich Elisabeth Grümmer schnell und sicher in die Herzen des Konzertpublikums. „Singen" ist bei ihr von doppelter Bedeutung: als Kunst und Technik, mit ausgezeichnet geführter Stimme, schöner Phrasierung, vorbildlicher Textbehandlung und Aussprache, klarer Intonation — weiter aber als natürliche Begabung eines fröhlichen Menschen mit unbekümmertem Drauflos der unermüdbaren frischen Sopranstimme; zwei selten vereinbare Komponenten, die einander tragen und krönen.

Etwas Unbekümmertes, Musikantisches und doch sehr Diszipliniertes klang auch aus dem Spiel der Pianistin Hilde Findeisen (Lindau) und brachte besonders die Stücke von Reger und Bartök zu unmittelbarer Wirkung. Ein Anschlag von lyrischer Zartheit bis zu männlicher Kraft und Gewalt, die klare und immer bedeutende Phrasur sowie die unbemühte, gleichsam von selbst quellende Profilierung der kontrapunktischen Linien heben die pianistische Leistung weit über den Durchschnitt und dürften die Wege zur abgerundeten Persönlichkeit weisen.

Franz Krieg

Die Bekanntschaft mit drei modernen Kammermusikwerken verdanken wir dem Wiener Konzert- hausquartett und dem Wiener Streich-

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