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„Palestrina“, „Figaro“ und Solistenkonzerte

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Ein festlicher Opernabend im Großen Haus: Tfitzners „Palestrina“ mit Julius Patzak in der Titelrolle und Hans Hotter als Kardinal Borromeo. Man kann sich kaum eine eindrucksvollere Besetzung der Hauptpartien vorstellen. Bereits die erste Szene mit Esther Rethy als Ighino und Margareta- Sjöstedt als Silla war vollkommen und ließ Bestes erwarten. Unter Rudolf Moralt spielten die Philharmoniker diese Meisterpartitur so schön, wie man sie gegenwärtig wohl kaum irgendwo anders zu hören bekommt.

Im Redoutensaal sahen wir eine der schönsten Aufführungen, die während der letzten Jahre in diesem Raum stattgefunden haben: Mozarts „Figaro“ in einer Glanzbesetzung mit Dietrich Fischer-Dieskau als Graf Almaviva, Erich Kunz in der Titelrolle, Theresa Stich-Randall als Gräfin, Anneliese Rothenberger — Susanne und Christa Ludwig — Cherubin. Obwohl mehrere Künstler neu in dem gut aufeinander eingespielten Wiener „Figaro “-Ensemble waren, wirkte die Aufführung sehr einheitlich. Wollte man von den Besten die Allerbesten hervorheben, so wären an erster Stelle der nicht nur prachtvoll singende, sondern auch souverän agierende Fischer-Dieskau sowie die anmutige, spielgewandte Susanne der Anneliese Rothenberger zu nennen, die einen leichten, gutgeführten lyrischen Sopran besitzt. Am Pult: Rudolf Moralt.

Im 5. Philharmonischen Abonnementkonzert dirigierte Hans Knappertsbusch Bruckners 5. S y m p h o n i e. ln der 4. .Folge der . „Furche“ wurden anläßlich der Aufführung des gleichen Werkes unter Karajan die großen Bruckner-Dirigenten der Gegenwart aufgezählt. Knappertsbusch gehört ohne Zweifel in die erste Reihe, da er die philharmonische Klangpracht wie kaum ein anderer zu entfalten versteht und weil er auch den langen Atem besitzt, den Bruckners Großformen erfordern. Was in jenem Referat von den Urfassungen gesagt wurde („zahlreiche instrumentale Retuschen sowie Streichungen“) gilt natürlich für die B e a r b e i- t u n g e n. Weshalb Knappertsbusch immer noch diese bevorzugt, wissen wir nicht. Künstlerische Gründe sind dafür jedenfalls kaum ins Treffen zu führen.

Im 4. Konzert des Wiener Kammerorchesters hörten wir die Sonata G-dur aus „Armonico tributo“ von M u f f a t, das Klavierkonzert C-dur von Mozart (mit Walter Kamper als Solisten), Ernst K r e n e k s Concertino für Flöte, Violine und Streichorchester op. 27 aus dem Jahr 1924 und D v o r ä k s Serenade E-dur op. 27. — In dem musikalischen und barockisierenden Concertino ist es dem Komponisten nicht ganz gelungen, die Soli und das Begleitensemble strukturell und klanglich unter einen Hut zu bringen. — Das selten aufgeführte Werk von Muffat überzeugt vor allem in der Fuge und dem zweiten Adagio: schöne, einfallsreiche und prächtig klingende Musik! Wieder konnte man feststellen, daß das Kammerorchester bei Paul Angerer in guten Händen ist und sich vor allem klanglich erfreulich entwickelt hat. Auch für die interessanten, alle ausgefahrenen Gleise meidenden Programme sind wir dem Leiter dieser Konzerte dankbar.

Ein Liederabend des Musical-Stars Hubert D i 1- worth gab allerhand zu hören, zu denken und zu vergleichen. Die Stimme des Negerbaritons überzeugt durch die Fülle ihres Materials, scheint jedoch einer ernsteren Schulung erfolgreich widerstanden zu haben. Konnte man immerhin eine stilistische Verbundenheit mit den amerikanischen Komponisten feststellen, die bei Gesängen von Gershwin eine respektable Leistung erzielte, blieb ihm die europäische Musik, insbesondere natürlich Schubert und Schumann, verschlossen. Es war ein Ritt über den Bodensee, aber kein geglückter, woran die Sorglosigkeit, die dem Ueberseeischen angepaßt Sein mag, aber bei Schubert zum sicheren Versager wird, ihren Teil beitrug.

Man kann sich keinen größeren Gegensatz zu diesem Liederabend denken als den Balladenabend von Hans D u h a n, der wie ein Märchen aus verklungenen Tagen oder wie selbst eine Löwe-Ballade anmutet. 'Hier gab es kein rhythmisches Zucken und Synkopieren, in Carl Löwes Musik geht alles fein ordentlich bürgerlich, sogar spießbürgerlich zu — trotzdem ist die Wortdeutung mit diesen abgebrauchtesten musikalischen Mitteln noch immer staunenswert —, aber jede Phrase, die Dosierung jedes einzelnen Tones ist in der Wiedergabe ebenso ordentlich und kultiviert, mit der Grandezza der alten Schule vorgetragen, die eher zelebriert als sich im geringsten gehen läßt, ob ihr auch der mitreißende Atem des Aktuellen, sich erst Gestaltenden, fehlt.

Schumann erfuhr eine besonders intime Ehrung durch einen Klavierabend von Jörg Demus. Die romantische Verträumtheit der „Waldszenen“ op. 82 leuchtete ebenso wie der verhaltene Humor der „Kinderszenen“ op. 15 ganz von innen aus einer klassischen formalen Klarheit von Anschlag und Phrasur. Die innere Reife und Profilierungskunst des jungen Pianisten trat fast noch stärker im Vortrag der II. Sonate g-moll, op. 22, und in den Phantasiebildern der „Kreisleriana“ op. 16 zutage, über deren subtiler Differenzierung dennoch die gefühlsstarke geistige Einheit — eben das romantische Leuchten — schwebte.

Das zweite Konzert im Strawinsky-Zyklus des Pro-arte - Orchesters unter Meinhard J. Winkler blieb ohne Strawinsky. Eine im letzten Augenblick notwendig gewordene Programmänderung zwang zum Entfall einer der großen Nummern: man hätte jedoch in diesem Falle besser auf Beethovens 8. Symphonie verzichtet, die man schließlich gelegentlich aus erster Hand hört, als auf Strawinskys Concerto in Re 1946 — das uns allerdings das Pro-arte-Orchester im nächsten Konzert „nachliefern“ wird. Die abschließenden „Variationen und Fuge über ein Thema von Mozart, op. 132“ von Max. Reger gerieten in einer löblichen Frische und Klarheit der Struktur, die auch in der großen und sehr schwierigen Fuge durchhielt.

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