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Primadonnen in Oper und Konzert
In der Staatsoper hörten wir — nach „Lucia di Lammermoor“ und „Othello“ — die dritte italienische Oper mit Gästen von der Mailänder Scala. Anto- nietta Stella in der Titelpartie der „A i d a“ war eine bildschöne äthiopische Königstochter und überzeugte vor allem in den lyrischen Partien. Giulietta S i m i o n a t o (Amneris) besitzt eine große Stimme, einen echten dramatischen Alt, und eine zuweilen etwas naturalistische Diktion. Sehr imposant; Franco Corelli als Radames; ein starkes, nicht immer vollendet schönes Organ, jeder Zoll ein Feldherr (auch vor dem Vorhang). Dagegen zeichnete sich Aldo P r o 11 i s Amonasro vor allem stimmlich aus. Ungetrübte Freude bereitete das Spiel der Italiener. Es ist von vollkommener Natürlichkeit, impulsiv und daher immer irgendwie „richtig“, dabei von vorbildlicher Noblesse. Das gleiche gilt von der musikalischen Leitung der Aufführung durch Antonio V o 11 o, einen sicheren und sehr maßvollen Dirigenten. In den ersten drei Bildern herrschte, wie seinerzeit bei der Opernfestpremiere, ägyptische Finsternis. Obwohl die mangelnde Beleuchtung seither wiederholt kritisiert wurde, hält der Regisseur Adolf Rott an diesem verfehlten Konzept — das nicht nur durch die Schauplätze, sondern auch durch den mediterranen Charakter der Verdischen Musik ad absurdum geführt wird — mit unverständlicher Konsequenz fest. Geblieben ist auch der häßliche dreieckige Kilometerstein in der Mitte der Bühne, die wie ein Stangenmikrophon wirkende Standarte und der unansehnliche Kriegswagen des Radames.
Im Mozartsaal des Konzerthauses gab Christa Ludwig ihren ersten Liederabend. Die Ambition und der Geschmack der jungen Künstlerin zeigten sich bereits in dem anspruchsvollen Urogramm und den hochwertigen literarischen Texten. Zwischen zwei Zyklen mit je fünf Liedern von Hugo Wolf und Richard Strauss standen Gustav Mahlers „Lieder eines fahrenden Gesellen“ und, als Uraufführung, „Sieben Lieder op. 19“ von Gottfried von Einem auf Gedichte von Carossa, Weinheber, Borchert uhd anderen. Der sparsame und durchsichtige Klaviersatz ist dem Mahlerschen nahe verwandt. Im Melodischen zeigt sich Einem sehr verhalten, fast spröde. Hier vor allem, aber auch in den unübertrefflichen Mörike-Liedern und im Mahler-Zyklus, konnte man die intelligente und wirkungsvolle Gestaltung durch Christa Ludwig bewundern, der zur Vollkommenheit nur noch jene Spontaneität und Reife fehlt, die erst mit den Jahren zu kommen pflegt. Ihre blühende, völlig unverdorbene Stimme entfaltete sich glanzvoll in den Stranss-Liedern. Erik Werba am Klavier war ihr ein geistig und künstlerisch ebenbürtiger Partner.
Die ungewöhnlich schwierigen und exponierten Sopransoli in Orffs „C arm in a bur a na“ sind eine Glanzpartie für Wilma Lipps strahlenden Koloratursopran. Ebenso vollkommen gelang ihr die im Händel-Stil geschriebene große Arie „In trutina“, die zu einem Höhepunkt dieses Konzerts wurde. Der Aufführung der „Carmina“ unter Joseph Keil- berth, welche die beste war, die wir bisher in Wien gehört haben, gebührt in jedem Detail das Prädikat „optime“: Reinhold Schmid für die akribische Einstudierung der Chöre und diesen für ihre virtuose Leistung (Soprane!) beim Konzert; den beiden stimmgewaltigen, bestens disponierten Solisten Eberhard Wächter und Murray Dickie; nicht zuletzt dem Orchester der Symphoniker, das an Präzision nichts zu wünschen übrig ließ. — Eröffnet wurde das Konzert mit der Suite für kleines Ensemble aus der Musik zum „Bürger als Edelmann“ von Richard Strauss. Noch nie wurden von einer musikalischen Standesperson solche Banalitäten geschrieben, wie sie im Tanz der Schneider und in der Tafelmusik stehen. An den reizendgraziösen Originalmelodien Lullys wird der Verfall des Geschmacks mit peinlicher Deutlichkeit hörbar.
Nach längere/ Pause konnte man einmal wieder Hilde G ü d e n im Konzertsaal hören. Die in allen Lagen gleichmäßige Stimme mit dem silbrigen Ton und dem instrumentalen Legato eignet sich besonders für Mozart-Arien. „Non temer“ ließ mehr die virtuose, „Vorrei spiegarvi“ mehr die ausdrucksmäßige Begabung der Solistin zur Geltung kommen. Es begleitete ein aus Wiener Symphonikern gebildetes und von Wolfgang Gabriel begleitetes Ensemble, welches auf den Plakaten als „Das klassische Gulda- Orchester“ angekündigt ist. Wir hoffen, daß man in der nächsten Saison, falls man wieder gemeinsam konzertiert, - einen bescheideneren und sinnvolleren Namen erfinden wird.
Der Referent hörte nur den ersten Teil dieses Konzertes; die zweite Hälfte des Abends gehörte dem jungen Herbert T a c h e z i, der an der Orgel des Großen Musikvereinssaales Werke von Bach, Messiaen, Angerer und Reger spielte. Wir hörten des letzteren „Phantasie und Fuge in d - m o 11“ in einer kraftvollen, wohlregistrierten Wiedergabe und die Improvisationen des jungen Organisten (eigentlich Variationen bzw. Inventionen) über die altdeutsche Weise „Es ging eine dunkle Wolk’ herein“, in denen Tachezi bewies, daß er auch das Zeug zum Komponisten hat.
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