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Ravel, Bartök und Reihe

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In der Reihe der Komponistenabende war das Maurice Ravel gewidmete Konzert eines der gelungensten. Ein guter Komponist, ein gutes Programm — und eine exzellente Ausführung: durch die Wiener Symphoniker in Hochform, mit Georges P r e t r e als Dirigenten und dem jungen französischen Pianisten Claude H e 1 f f e r, einem Schüler von Casadesus, als Solisten. Die beiden Teile des interessanten Abends wurden jeweils durch ein Klavierkonzert eingeleitet und mit „La V a 1 s e“ beziehungsweise dem berühmten „Bolero“ abgeschlossen. Ravel hat seine beiden Klavierkonzerte — das ursprünglich als Divertimento geplante, leichte und spielerische in G-Dur, bei dem vor allem Chopin Pate gestanden hat, und das ernste, rhapsodisch-symphonisch angelegte in D-Dur für die linke Hand (für Paul Wittgenstein) — gleichzeitig geschrieben. Trotzdem ist der Unterschied zwischen diesen beiden Werken so groß, daß keinerlei Eindruck von Monotonie entsteht. Claude Helffer hat den Klavierpart, jeweils dem Stil des betreffenden Werkes angepaßt, das eine Mal leicht und brillant, das andere Mal mit großem Schwung, donnerndem Forte und respektgebietender Virtuosität gespielt. Der 37jährige Georges Pretre ist für diese Musik ein ausgezeichneter Interpret, wenn

er auch, im Finale des ersten Konzerts, das Tempo um einige Grade gefährlich überzogen hat. „La Valse“ begann sehr fein und wurde dann ein wenig lärmend, im „Bolero“ brillierten vor allem die tüchtigen Bläser der Symphoniker als Solisten der ersten zwölf „Strophen“ dieses faszinierenden Crescendostückes, das einen tumultuarischen Applaus auslöste. (Sehr dankenswert, daß der Autor der Programmeinführung die wegen der häufigen Extremlage schwer identifizierbaren Instrumente der Reihe nach für alle 18 Strophen nannte.)

H. A. F.

Das 8, Abonnementkonzert der W i e n e r Philharmoniker war, unter Leitung von Herbert von Karajan, Johannes B r a h m s gewidmet. Mit Zino Fran-c e s c a 11 i und Pierre F o u r n i e r als Solisten kam das Doppelkonzert für Violine und Violoncello mit Orchester und nach der Pause die Symphonie Nr. 1 zur Wiedergabe. Das Doppelkonzert, selten gehört, legitimierte sich als eine Symphonie mit zwei Solostimmen, deren Part wohl eminent schwierig, aber kaum je virtuos im eigentlichen Sinn gesetzt ist. Die Form des Concerto grosso mag Brahms vorgeschwebt haben, geht aber in der symphonischen unter. Leuchtkraft und innere Geschlossenheit von Werk und Wiedergabe des 1887 unter Leitung des Komponisten uraufgeführten Werkes erzielten — und ebenso die Symphonie — unmittelbare lebendige Wirkung.

Georg S o 11 i dirigierte das „London Symphony Orchestra“ in einem Bela-Bartök-Programm. Die Konzertsuite Der wunderbare Mandarin“, mit ihrem wilden Furor und ihrer rhythmischen Charakteristik ein Musikbeispiel des „mittleren“ Bart6k, entbehrt zu ihrer vollen Wirkung der Pantomime, die durch dynamische Kraftentfaltung nicht ersetzt werden kann. Auch das 2. Klavierkonzert (Uraufführung 1933) in seiner aggressiven Vitalität, die allerdings seine mitreißende Wirkung nicht hindert, wurde sowohl vom (hervorragenden) Solisten John O g d o n als vom Orchester mit der vollen Gewalt der Töne agiert, und man dankte dem „Concerto for orchestra“ (Uraufführung 1944) neben der Meisterschaft der Schöpfung auch die mildere Dosierung der Fortissimi. Exaktheit und Straffheit des Spiels der Londoner sind ebenso bewundernswert wie die Sauberkeit der Bläsereinsätze.

Im Hofe des Erzbischöflichen Palais wurde das Oratorium des 15jährigen Wolfgang Amadeus Mozart „Betulia 1 i-ts e r a t a“ (KV 118) aufgeführt (M o z a r-

teum-Or ehester. Salzburger Rundfunk- und Mozarteum-Chor, Leitung Ernst H i n r e i n e r) und erwies sich als eine der liebenswürdigsten Überraschungen im Festwochenprogramm. Ein Frühwerk Mozarts, darin gleichsam die Wurzeln seiner späteren genialen Kompositionen bereits aufklingen, ein Werk von erstaunlicher formaler Geschlossenheit und absolut lebendiger Musik, die bereits zu charakterisieren beginnt. Von den Solisten bildeten Irmgard Stadler, Ira Malaniuk, Richard van Vrooman und Kieth Engen ein ideales Quartett, das allerdings als solches kaum eingesetzt war, in Einzelleistungen aber die keineswegs geringen Ansprüche sozusagen leichter Hand meisterte. Ernst Hinreiner führte mit überlegener Ruhe und kleinen Gesten das animiert musizierende Orchester und den sorgfältig ausgewogenen Chor.

In der glasklaren, geräumigen Ausstellungshalle im Museum des 2 0. Jahrhunderts hörte man einen ganzen Abend lang Musik von Friedrich C e r h a, unter seiner eigenen Leitung, und war seltsam berührt von den „Relazioni“ zwischen Raum und Musik. Gleich das erste Stück, „Phantasma 63“ für 5 Holzbläser, 5 Streicher, 4 Schlagzeuger und Hammond-orgel (Uraufführung) konnte man sich kaum besser placiert denken als in dieser Umgebung, zwischen den Plastiken Wotru-bas. Klang- und Formkomplexe wurden eins in Ton und Raum und machten das Unsichtbare hörbar. Den schon bekannten „Relazioni fragili“ folgten „En-j a m b e m e n t s“, worin kurze Formeln aleatorisch verändert werden, und „M o u-veaents“, Bewegungen innerhalb gegebener Klangzustände, im letzten Stück eines einzigen Tonkomplexes durch wechselnde Beleuchtungen. Man kann diese Musik je nach persönlicher Einstellung bejahen oder ablehnen; Geist und Spannung wird man ihr nicht absprechen können. Die Ausführung durch das Ensemble „d i e reihe“ mit Gertraud C e r h a am Cembalo war spürbar inspiriert und technisch hervorragend, der Beifall ungeteilt.

Franz Krieg

Wesentlich experimenteller war das nächste Konzert der „reih e“. gleichfalls im Museum des 2 0. Jahrhunderts zwischen Wotruba-Plastiken. Von John Ca ge hörte man zunächst zwei sehr eigenwillige, monotone Kompositionen für Sopran, präpariertes Klavier und Indian Drum. Dann gab es Stücke von B u s-s o 11 i, nochmals C a g e und E v a n g e-1 i s t i. Hierzu einige Sätze aus dem Programm, statt eines kritischen Kommentars: „Der Text (Fontana Mix, kombiniert mit der Aria per Mezzosoprano) ist ein Kon-glomerat aus mehrsprachigen Zitaten verschiedener Herkunft; dem entspricht die Mischung konträrer stilistischer Elemente der Musik... Seesitivo ist eine Graphik, die mit einem oder mehreren Streichinstrumenten realisiert werden kann. Für die heutige Wiedergabe wurden mehrere Schichten der Graphik aufgeschlüsselt, auf Streichinstrumente verschiedenen Tonumfangs aufgenommen und sodann überein-anderkopiert... Dem aus Tongemischen (Mischungen von Sinustönen) bestehenden Stück liegt eine geometrische progressive Skala zugrunde...“ (Evangelisti: Incontri di fasce sonore.) Die einzigen „normalen“ Kompositionen stammten von S t r a-w i n s k y : die von der in den USA geborenen jungen Armenierin Cathy B e r-b e r i a n (die auch die Solistin der übrigen Vokalpartien war) gesungenen „Katzenlieder“ sowie die „P r i b a o u t k i“ (1916 und 1913). Der Kritiker erklärt sich nur für diesen Teil des Programms zuständig, bestätigt der Sängerin eine große Treffsicherheit und bemängelt ihr willkürlich-phantastisches Russisch.

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