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„Rheingold”, Hymnen und Neues aus Polen

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Allmählich schließt sich der „Ring”: nach „Walküre” und „Siegfried” hat Herbert von Karajan in der Staatsoper Wagners „R h e i n g o 1 d” inszeniert, und zwar im Stil der beiden vorausgegangenen Einstudierungen und gleichfalls wieder mit Dekorationen und Kostümen von Emil Preetoiius. — Unter den vier Ring-Opern bietet „Rheingold” die größten Inszenierungsschwierigkeiten: Die Handlung spielt unter, an und über den Wassern des Rheins. Das erste Bild war optisch und technisch hervorragend gelöst. Die ganze Bühne war von wallendem Wasser erfüllt, in dem die Rheintöchter (drei Balletteusen) frei zu schwebest schden n,.,-P.a zweite,. .Ęild (freie Gegend auf Bergeshöhdn)-habeBitwir ähnlich schon in der „Walküre” gesehen. In den unterirdischen Klüften Nibelheims war die Macht Alberichs und. Mimes durch ein großes rotglühendes Dreieck symbolisiert. Weniger glücklich und einheitlich war die Kostümierung: die griechische Goldperücke Wotans, die im Jugendstil gekleideten Göttinnen Fricka und Freia und die wie Kirgisen gewandeten und frisierten Riesen Fasolt und Fafner — ein Rückfall in die Germanistenromantik durch allzu drastische Betonung des „Artfremden” … Das Orchestet unter Karajans Leitung klang stets klar und durchsichtig, oft fast kammermusikalisch. Um so stärker wirkten die hochdramatischen Partien und die Verwandlungsmusik vor dem dritten Bild mit den 18 Ambossen: ein Ueber-Orff! Die Besetzung und die Leistungen der einzelnen Sänger können als erstklassig bezeichnet werden (die Herren Hotter, Wächter, Kmentt, Windgassen, Pernerstorfer, Klein, Czer- wenka und Frick sowie die Damen Malaniuk, Brouve- stijn, Höffgen, Lipp, Jurinac und Rössel-Majdan). Starker und langanhaltender Beifall, auch für das technische Personal (Hans Felkel) und die Beleuchter (Albin Rotter).

In einem öffentlichen Konzert des Oesterreichischen Rundfunks, das auch über den Sender 11 zu hören war, wurden Drei Hymnen von Gertrud von 1 e Fort in der Vertonung Harald Genzmers erstaufgeführt. Der Komponist, Jahrgang 1909, war Meisterschüler von Paul Hindemith und ist gegenwärtig als Kompositionslehrer in Freiburg im Breisgau tätig. Die für drei Solisten, Chor und Orchester geschriebene umfangreiche Partitur ist streng tonal, allgemein verständlich, aber durchaus eigenständig und dem Text angemessen. Die gutklingenden, feierlichen Chorsätze sind reizvoll altdeutsch getönt und kontrastieren mit dramatischen Orchesterzwischenspielen, deren Geste und Faktur zuweilen an Hindemiths „Mathis” erinnern. Die Solopartien sind wirklich „sangbar” und werden am Höhepunkt —’ „Freue dich, Jungfrau Maria: selig preis’ ich, die dich selig preisen” — unisono, im Stil der Gregorianik, geführt. Chor und Orchester des Oesterreichischen. Rundfunks sowie die Solisten Maria Teresa Escribano, Sonja Draksler und Hans Braun unter der Leitung von Dr. Gustav K o s 1 i k waren die Ausführenden der wohlstudierten Aufführung.

In den Räumen der Oesterreiohisch-polnischen Gesellschaft fand ein Konzertabend mit Werken zeitgenössischer polnischer Komponisten statt. Eine „Sinfonietta” für Streicher und Lieder von Kazimierz S e r o c k i, ein „Essay” für Orchester von Thaddeusz B a j, d und eine „Kammermusik” von Wlodzimierz Kotonski wurden von Tonbändern wiedergegeben und von Witold Rowicki, dem Dirigenten und Gründer der Warschauer Philharmonie, sachkundig kommentiert. Die genannten Komponisten sind 30 bis 40 Jahre alt und bedienen sich einer sehr modernen und differenzierten Sprache, die man als einen auf der seriellen und punktuellen Technik basierenden lyrischen und nationalpolnischen Dialekt bezeichnen könnte. — Im zweiten Teil des Konzerts spielte diie brillante polnische Geigerin Wanda Wilkomirska, von Alfred Kremela begleitet, zwei Kompositionen von wesentlich konservativeren Autoren: eine Violinsonate des seit vielen Jahren in Paris lebenden; Amoni S-ü M k l JjetW . im-Stil von Faurė und Prokofieff) und eifte Volkstanz- bearbedtung („Oberek”) von Bacewicz. Man hörtealso Proben aller Richtungen, die heute nebeneinander kultiviert werden und die ein gutes Bild des Musikschaffens im heutigen Polen vermittelten.

Eine neue Serie von Sonntagnachmittagskonzerten hat das Orchester der Philharmonia H u n- g a r i c a im Großen Konzerthaussaal eröffnet, und zwar mit einem ausschließlich Beethoven gewidmeten Programm, das zwar beim Publikum Zulauf fand (wie immer, wenn es um Beethoven geht), aber das Spezifische des Orchesters nicht heraussteilen konnte. Diesem möchte man von Herzen wünschen, daß es endlich zu einem festen Bestand an Musikern kommt, nicht immer wieder auf Substitute angewiesen ist, aber auch einen Dirigenten findet, der mit ihm ständig arbeitet. Heinrich Hollreiser ist ein schlagtechnisch begabter Mann, der es liebt, die Tempi zu übersteigern, der sich auf die großen Akzente verlegt und die Uebergänge, aber auch manche Zusammenhänge, weniger beachtet. Das zeigte sich bereits an der flackernden Wiedergabe der Leonoren- Ouvertüre, bei der übrigens das Trompetensignal viel zu nahe erklang, und setzte sich bei der Disposition des Klavierkonzerts Nr. 5 fort. Hier wäre es am Dirigenten gelegen, den sehr jugendlichen Ueberschwang des Solisten Walter K1 i e n an die Zügel zu nehmen. Er hat seine unleugbaren Qualitäten im Schattieren der Klangstärken, in einem bezaubernden Piano höchster Transparenz, verfällt aber bei den Zeitmaßen in eine Hast, die dem Werk unangemessen ist und die Gesamtproportion verändert. Die „Siebente” blieb durchaus durchschnittlich.

Die Bläservereinigung der Wiener Philharmoniker gab im Brahmssaal einen Kammermusikabend mit Werken von Mozart und Beethoven. Dazwischen standen die Sonate für Klarinette und Klavier von Brahms und die Sonate op. 34 in Es von Haydn. Bei Mozart offenbarte sich der echte, vielbewunderte philharmonische Bläserklang am reinsten, hier war der Klavierpart aufs feinste nuanciert und ins Ganze verwoben. Friedrich Gulda, der am Flügel saß, zeigte bei Haydn die Brillanz seiner Technik, die Intellektualitąt seiner Natur, den wachen Ueberblick, das glänzend gebändigte Temperament, ohne sich in den Tiefen des Gefühls zu verlieren.

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