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Rondo, Konzert und Lied

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Im letzten Konzert des Zyklus „Die große Symphonie“ wurden — zumindest dem Kritiker — gleich drei Attraktionen geboten: ein neues Werk von Hans Erich Apostel, der faszinierende Pianist Shura Cherkassky und Wolfgang Sawallisch als Interpret dreier so verschiedener Werke wie des zeitgenössischen „Rondo ritmico“, des 2. Klavierkonzerts von Rachmaninow und der 7. Symphonie von Schubert. Das 1957 geschriebene „Rondo ritmico“ von Hans Erich Apostel, ein mit Meisterhand entworfenes Zwölfminutenstück, gehört zu den besten Werken dieses originellen und skrupulösen Komponisten. „Ritmico“ bedeutet hier keineswegs „ostinato“, sondern eine sehr subtile Behandlung des Rhythmischen, dem auch eine feine Differenzierung des melodischen und klanglichen Elements sowie die Gliederung der Komposition entspricht (Rondo mit Scherzocharakter, Alla Marcia, Passa-caglia und Coda). Die Wiener Symphoniker unter Sawallischs Leitung haben das Stück sauber, elegant und klangschön gespielt. — In Schuberts großer C-dur-Symphonie hat Sawallisch mehr das architektonische und dramatische, auf Beethoven zurückweisende Element betont als das lyrisch-romantische. In R a c h-,m a n i n o w s effektvollem Klavierkonzert gab der Pianist Shura Cherkassky den Ton und das Tempo an. Dieser kleine, untersetzte, verlegen lächelnde Russe verwandelt sich, sobald er am Instrument sitzt, in einen wahren Klaviertiger. Donnernde Oktaven, harfenartig aufrauschende Akkorde und blitzende Passagen führt er mit einer solchen Kraft und Schönheit des Tones aus. daß man ihm auf diesem Gebiet vielleicht den ersten Preis unter den zeitgenössischen Pianisten zuerkennen darf.

Kaum ein stärkerer Gegensatz ist denkbar als der zwischen diesem modernen Virtuosen und der ganz vergeistigten, lyrisch-ausdrucksvollen Clara Ha s-kil, deren Chopin-Spiel (f-moll-Konzert) jenen Hauch von Poesie hat, der für diese Musik so charakteristisch ist, und jene Mozart-Nähe, die auch Chopin immer gesucht hat. Carlo Giulini, der das vorletzte Konzert dieses Zyklus leitete, hatte an den Anfang des Programms Respighis „Antiche danze ed arie“ gesetzt und schloß mit einer hochdramatischen Wiedergabe der III. Symphonie von lohannes B r a h m s.

Für die Musikalische Jugend spielte das Niederösterreichische Tonkünstlerorchester unter dem jungen ungarischen Dirigenten Thomas Ungar, der früher zweiter Dirigent der Philharmonia Hungarica war und jetzt das (westdeutsche) Siegerland-Orchester als Chefdirigent leitet. Das Programm war lobenswert und gut komponiert: nach einer Mozart- Symphonie (A-dur) folgte das Klavierkonzert in G-dur von Maurice Ravel, hierauf D e b u s s y s „Prelude ä l'apres-midi d'un faune“ und Strawinskys „Feuervogel“-Suite. Solistin des Ravel-Konzerts war die junge Genfer Pianistin Marianne B o n n e t, die wir als Interpretin neuer Musik während der vergangenen Jahre schätzen gelernt haben und die den schwierigen Solopart des Ravel-Konzerts fein, sauber und mit jener Distanz im Ausdruck spielte, der dem v Stil dieses spielerischen Werkes entspricht. — Das Orchester fanden wir diesmal leider in keiner besonders guten Form, zumal die Mozart-Symphonie klang zaghaft und müde. Aber das lag nicht am Dirigenten, der als Begleiter und Interpret auch diesmal, wie schon bei früheren Konzerten, den besten, Eindruck machte. Im zweiten Teil gewann auch das Orchester an Sicherheit und Klangfülle. ,

Im Mozart-Saal des Konzerthauses sang Gerard S o u z a y Lieder von Schumann und Hugo Wolf. Seit wir ihn zuletzt hörten, hat seine Stimme an Volumen, sein Vortrag an Tiefgang gewonnen. Souzays genaues Verständnis der zum Teil recht schwierigen und hintergründigen Texte ist ebenso erstaunlich wie die Einfühlung in eine Sphäre, für die es in der französischen Romantik kein Äquivalent gibt. Den Stimmungsgehalt der Schu-mannschen Eichendorff-Lieder hat der junge Sänger besser verstanden als die Ironie der Heine-Texte, während er zu Hugo Wolfs spanischen Liedern (mit denen er geschickt zu den Zugaben überleitete: spanischen, italienischen und französischen Chansons) einen unmittelbaren Zugang hat. — Sein Begleiter am Klavier, Dalton Baldwin, war korrekt, aber nicht mehr.

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