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Rostropowitsch, zwei Gastorchester

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Mstislav Rostropowitsch, begeistert empfangen, spielte, vom Niederösterreichischen Tonkünstlerorchester unter Heinz Wallberg in exaktester und animiertester Weise begleitet, die beiden Cellokonzerte von Joseph Haydn (C-Dur, mit Kadenzen von B. Britten) und Dimitri Schostakowitsch (Nr. 2, dem Solisten gewidmet) und dazwischen die „Variationen über ein Rokokothema“ von P. I. Tschaikowskij. Es ist das Spiel eines Meisters, dem wenige gleich sind in der Variabilität des Bogenstrichs, der unglaublichen Fülligkeit des Tons, der dennoch zart wie Mückensummen sein kann, und in der Rasanz seiner mitreißenden Persönlichkeit, die sich fordernd und befeuernd nach allen Seiten des Orchesters neigt. Wie sehr Rostropowitsch mit seinem Spiel, aber auch mit dem gespielten Werk verwachsen ist, zeigt auch die stilistische, gleichsam subjektive Echtheit der Interpretation. Haydns bisher in Wien kaum aufgeführtes Konzert wirkte als Novum in seinem breiter als sonst angelegten Solopart und seiner Substanzdichte. Wie Tschaikowskij sein Rokokothema im Verlaufe der Variationen stets mehr mit seiner eigenen Persönlichkeit erfüllt, so wurde in der Ausführung Tschaikowskij durch Rostropowitsch flnali- siert. Das weniger an Einfällen als an Schwierigkeiten reiche Konzert von Schostakowitsch war vollends der Entfaltung der technischen Meisterschaft des Solisten, für den es keine Schwierigkeiten gibt, gewidmet. Der Jubel nach jedem Stück schien kein Ende zu nehmen. Solist, Dirigent und Orchester mußten sich bis zur Ermüdung bedanken.

Paul Badüra-Skoda, selten in Wien zu hören, gab einen Klavierabend im Großen Musikvereinssaal mit einem traditionellen Programm, das gleichwohl durch die Interpretation modern wirkte. Nach Mozarts Bravourvariationen über „Unser dummer Pöbel meint“ (KV 455) kam Schuberts Sonate H-Dur, op. 147, (DV 575). Es war weniger der romantische Schubert als der feinsinnige Melodiker, der hier dankenswerter Weise zur Geltung kam. Mit den „Handel-Variationen“ von Brahms und zwei Balladen (As und f) von Chopin wurde der Gipfel des Programms wie der Interpretation erreicht. Dazwischen wirkte Maurice Ravels „Gasparid de la Nuit“ wie ein lyrisches Intermezzo. Das Spiel des Künstlers hat Reife und Ausgewogenheit, doch nur Ansatz zur Tiefe. Lebhafter Beifall.

Franz Krieg

Das 2. Konzert im Dvofdk-Zyklus, den die Könzerthausgesellschaft veranstaltet, bestritten die Prager Sinfoniker unter der Leitung von Zdenėk Košler und begann mit einer Enttäuschung (das einleitende Scherzo capriccioso aus dem Jahre 1883 wollen wir übergehen, es hat als Komposition Kurkapellenniveau): der für das Cellokonzert vorgesehene und angekündigte Rostropowitsch hatte abgesagt, und an seiner Stelle spielte der junge tschechische Casals-Preisträger

Sascha Večtomov den Solopart: technisch perfekt, mit nicht sehr großem und nicht sehr schönem Ton (was wohl auch auf das billige Instrument zurückzufühiren ist) und ohne nennenswerte Emotionen auszulösen. — Das gleiche gilt leider auch von der 1880 entstandenen 6. Symphonie (nach der alten Zählung ist es die erste), deren erste beiden Sätze aus einer liegengelassenen 10. Symphonie von Beethoven und deren letzter aus einer, ebenfalls mißlungenen, 5. Symphonie von Brahms stammen könnten. Lediglich das Scherzo, eine echt böhmische Furiant, zeigt Originalität, wenn auch nicht sinfonisches Format. — Das Orchester war mit Konzentration bei der Sache, konnte aber weder durch Klangschönheit noch durch Brillanz begeistern. Das Publikum hielt sich ans Handgreifliche und applaudierte lebhaft.

Nach diesem Konzert hatte das London Philharmonie Orchestra unter John Pritchard einen leichten Stand und einen guten Start. Es zählt zu den drei führenden Orchestern Londons (und Englands), obwohl es ein relativ junges Ensemble ist, dessen Besetzung sich dauernd ändert. 1932 von dem unvergeßlichen Sir Thomas Beecham begründet, latte es mehrere Krisen zu überwinden und wird seit 1962 von John Pritchard geleitet, der ein guter und sensibler Musiker ist und sich seit Beginn seiner Laufbahn immer wieder auch für zeitgenössische Autoren eingesetzt hat. Die eingangs gespielte, einem ziemlich lerben Realismus huldigenden

„Four Sea Interludes“ (Vor- und Zwischenspiele aus der Oper „Peter Grimes“) von Britten wurden von dem nachfolgenden 1. Klavierkonzert von Brahms ausgelöscht, weggewischt. Vor allem als Komposition. Aber auch die Iriterpretation des mächtigen, anspruchsvoll-schwierigen Werkes gelang überraschend gut, vor allem Dank der hervorragenden Technik und dem Brahmsnahen Naturell des heute knapp 30jährigen John Ogdon. Der massig wirkende bärtige junge Mann wurde, nachdem ihm schon in frühen Jahren zahlreiche Auszeichnungen verliehen worden waren, als 1. Preisträger des Moskauer Tschaikowskij-Wettbewerbs 1962 (im gleichen Jahr also, als Pritchard die Leitung des Orchesters übernahm) weltberühmt. Und dies mit Recht. Sein Brahms-Spiel hat Zartheit, Fülle und eine Wucht, der in der ersten Hälfte des letzten Satzes auch eine Saite des Steinway-Flügels zum Opfer fiel — ein kleines Malheur, das Ogdon durch geschickte Schonung der betreffenden Taste geistesgegenwärtig meisterte. Aber audh das Orchester mit noblen, schönklingenden Streichern und unfehlbarem, sonorem Blech sowie mit renommierten Holzbläsern ließ eine Brahms-Interpretation hören, der man vorbehaltlos zustimmen kann. Daran hat natürlich der ausgezeichnete Dirigent seinen wohlbemessenen Anteil. Dvoraks VIII. Symphonie G-Dur, op. 88 im zweiten Teil bot dann ei ntlich nur noch die Ergänzung im Virtuosen, das mit dem brisanten Vortrag einer Zugabe (Ouvertüre zu „Ruslan und Ludmila“ von Glinka) bestätigt wurde. Lebhafter und langanhaltender Beifall für alle Gäste aus England.

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