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Sir Thomas, Werner Egk und Conrad Beck

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Sir Thomas B e e c h a m ist die interessanteste und eigenwilligste Erscheinung des englischen Musik: lebens der Gegenwart. Er wurde 1879 geboren unc hat von seinem Vater nicht nur den Adelstitel, sondern auch ein bedeutendes Vermögen geerbt, welches es ihm ermöglichte, in der Zeit von 1909 bis 192C in London rund 120 Opern darunter 60 für England neue Werke aufzuführen. Hierbei war er nichi nur Dirigent und zuweilen auch Regisseur, sonderr auch der Financier. 1932 gründete er das Londonei Philharmonische Orchester, nach 1945 das „Roya Philharmonie Orchestra“, das er ständig leitet und das außer bei den berühmten Sonntagskonzerten, auch in der Covent Garden Opera unc bei den Edinburgher Festspielen mitwirkt. — Wil hörten dieses Orchester unter Sir Thomas Beechami Leitung in zwei Konzerten. Gespielt wurden Werke von Händel, Haydn und Mozart, Paisiello, Schubert, Berlioz, Tschaikowsky und Sibelius. — Präzision und Klangkultur dieses zu etwa zwei Drittel aus jüngerer Musikern bestehenden Ensembles sind erstklassig „Gepflegt“ und „kultiviert“ sind die passender Kennzeichnungen seines Spiels. Der Klang diese! Meisterensembles ist ebenso homogen wie das Musizieren unter Sir Thomas Beechams Leitung. Virtuosei und klanglich Differenziertes „Le Corsaire“ vor Berlioz und „Der Weg zum Paradiesgarten“ vor Delius geraten dabei vollkommener als die leidenschaftliche IV. Symphonie von Tschaikowsky. — Vor Sir Thomas geht ein starker Zauber aus: man fühlt sich als Gast bei einem großen Herrn, hinter dessen Jovialität man auch die Strenge des geborener Orchestererziehers spürt. Ein geringfügiger Anlaf die falsch angegebene Pause im Programmheft boi ihm Gelegenheit, die von vielen erwartete klein« Ansprache an das Publikum zu halten. Es war alsc festlich, intim und glänzend. Das Publikum hat dai sehr genossen und bereitete dem großen alten Manr und seinem Orchester lebhafte Ovationen.

In einem öffentlichen Konzert des Oesterreich! Sehen Rundfunks dirigierte Werner Egli eigene Werke: die „Abraxas“-Suite, „La Ten- tation de Saint Antoine“ für Altstimme Liliar Benningsen, Streichquartett und Streichorchester die Orchestersonate und die Französische Suite nach Rameau. — Lieber die Musik Werner Egks hat Arthur Honegger einmal gesagt, sie sei lebendig kraftvoll und farbig. Ihre Stärke stamme aus dei gleichen Quelle, die die Meisterwerke unserei Jahrhunderts hervorgebracht hat. Egks Sprache — direkt, urwüchsig und oft voll Charme — berührt den Hörer unmittelbar und ist allgemein verständlich. — Hört man einige Werke dieses vitalen Musikers, der auch sein bester Interpret ist Egk dirigierte die Wiener Symphoniker, so fällen zwei natürliche Affinitäten auf: die zum romanischen Kulturkreis, insbesondere zu Frankreich, und zum Ballett. Denn auch’ die nicht für die szenische Darstellung bestimmten Kompositionen, wie etwa die Orchestersonate oder die Französische Suite, sind so gestisch und rhythmisch empfunden, daß sie sich als Ballettmusik vorzüglich eignen ■würden.

Conrad Beck, der 3901 in der Nähe von Schaffhausen geboren wurde und nach zeh:» Lehrjahren in Paris u. a. bei Arthur Honegger heute zu den führenden Schweizer Komponisten gehört,, wohnte persönlich einer Aufführung seines großen Misereres „Der Tqd zu Basel“ .für Soli, Sprecher, Chor und Orchester bei, das 1952 geschrieben und vom Oesterreichischen Rundfunk unter der Leitung von Kurt Richter erstaufgeführt wurde. — Das etwa einstündige Werk wurde durch die Imagines mortis Hans Holbeins d. J. angeregt und schildert die nach dem großen Erdbeben von 13 56 über die Stadt Basel hereingebrochenen Nöte: Hunger, Krieg, Feuersbrunst und Verbrechen aller Art. Die zum Teil dialektisch gefärbten Texte entnahm der Komponist alten Schriften, und die ausdrucksstarke, düstere, zuweilen holzschnittartige Musik ist dem Gegenstand vollkommen angemessen. In der ganzen Art der Anlage und der Durchführung weist das Werk Conrad Becks gewisse Aehnlichkeiten mit Honeggers großen musikdramatischen „Fresken" auf. Was ihm fehlt, ist die wirkungsvolle dramaturgische Gliederung, welche durch die gleichbleibende Düster-Werkes erschwert ist. Innerhalb dieses Ausdrucksbereiches gibt es freilich Abwechslung genug: dramatische und meditative Chorsätze, heftige Orchesterzwischenspiele, originell und kammermusikalisch begleitete melodramatische Teile, eigenartig variierte Volkslieder und Choräle. Nur am Schluß weichen die apokalyptischen Bilder und Vergänglichkeitsvisionen der Verheißung: „Wir warten aber eines neuen Himmels und einer neuen Erde, in welcher Gerechtigkeit wohnet.“ — Komponist, Dirigent und alle Ausführenden wurden nach der eindrucksvollen Aufführung lebhaft gefeiert.

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