"Spielend helfen: Was will ich mehr?“

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Als Mitglied der "Wiener Symphoniker“ und begeisterte Kammermusikerin hat Renate Turon ihren Traumberuf gefunden. Nun gibt sie durch Benefizkonzerte und ihre Patenschaft für einen 18-jährigen Flüchtling einen Teil ihres Glücks zurück.

Renate Turons dieswöchiger Dienstplan ist dicht: Donnerstag ein Konzert im Palais de la Musique in Straßburg; Samstag und Sonntag Auftritte im Großen Saal des Wiener Musikvereins; und hier wie dort ein anspruchsvolles Programm: Ludwig van Beethovens "Egmont“-Ouvertüre, sein Klavierkonzert Nr. 5 in Es-Dur sowie Ottorino Respighis symphonische Dichtungen "Fontane di Roma“ und "Pini di Roma“. Vor einer knappen Woche haben die "Wiener Symphoniker“ die Stücke erstmals mit Gastdirigent Rafael Frühbeck de Burgos proben können. Nun müssen die Phrasierungen und Übergänge sitzen. "Es ist harte Arbeit nötig, bis man alles beherrscht“, sagt die 35-Jährige über ihren Alltag als Musikerin, "aber wenn man dann auf der Bühne sitzt, spürt man eine unglaubliche Freude.“

Am 22. Mai war das Glücksgefühl besonders groß: Gemeinsam mit ihren Symphoniker-Kollegen Christian Ladurner (Viola) und Walter Schulz (Violoncello) sowie der Pianistin Ketevan Sepashvili hat die Geigerin ein Benefizkonzert zugunsten des Vereins "connecting people“ gegeben, der Patenschaften zwischen österreichischen Erwachsenen und unbegleiteten, minderjährigen Flüchtlingen vermittelt. Mit Mozart, Schubert, Haydn und Schumann hat das philantropische Quartett nicht nur die Herzen, sondern auch die Geldbörsen des Publikums geöffnet: Rund 3000 Euro wurden lukriert.

Von der Mutter verkauft

Es war nicht das erste Mal, dass Renate Turon ihre Musik in den Dienst der guten Sache gestellt hat: Für das Projekt "Little Flower“, das Leprakranke in Indien unterstützt, hat sie ebenso zum Bogen gegriffen wie für den Wiener Verein "Biwak“, der schwerstbehinderte Kinder betreut. Das Projekt "connecting people“ ist ihr freilich besonders ans Herz gewachsen: Schließlich ist sie selbst seit einem Jahr Patin des mittlerweile 18-jährigen David, der aus seiner vom Bürgerkrieg zerrütteten Heimat Elfenbeinküste bis nach Österreich geflohen ist.

"Mit sechs Jahren ist David von seiner Mutter als Arbeiter auf den Kakaofeldern verkauft worden“, erzählt die Patin. Heute genieße er "subsidiären Schutz“, absolviere Deutschkurse, plane einen Hauptschulabschluss und träume davon, einmal Schweißer zu werden. Renate Turon und ihr Ehemann, selbst gebürtiger Kolumbianer und studierter Physiker, unterstützen ihn im Rahmen ihrer Möglichkeiten: Sie haben ihm einen Platz in einem Studierendenheim organisiert, helfen ihm bei Behördengängen - und geben ihm vor allem das Gefühl, endlich Teil einer Familie zu sein. "Er sagt sogar manchmal Mami zu mir“, erzählt die Geigerin, die im Oktober ihr erstes Kind erwartet. "Das ist vielleicht komisch, weil er ja schon 18 Jahre alt ist, aber es zeigt, dass er Vertrauen zu uns hat.“

Durch ihre Patenschaft wie auch durch ihre Benefizkonzerte möchte Renate Turon endlich jene Menschen unterstützen, deren Leben nicht ganz so glücklich wie ihr eigenes verlaufen ist. 1975 als jüngste von drei Schwestern in Kirchberg an der Pielach geboren, beginnt sie mit fünf Jahren das Geigenspiel und wird darin von ihrer Mutter umsichtig gefördert. Vier bis fünf Stunden übt sie täglich, nimmt an Wettbewerben teil und gilt spätestens mit elf Jahren nach einem Soloabend als "Wunderkind“. Ein problematisches Etikett, das sich freilich ein Jahr später an der Wiener Musik-Universität relativieren sollte: "In der Klasse meines Lehrers Michael Frischenschlager gab es ja lauter Wunderkinder“, erzählt Turon. "Am Anfang war das sicher hart zu sehen, aber eigentlich war es mir relativ bald egal.“

Heute ist sie froh darüber, Orchestermusikerin und nicht Sologeigerin zu sein. Eine Familie zu gründen, wäre ansonsten kaum möglich - von der nervlichen Belastung einmal abgesehen. Das "Probespiel“ für die Aufnahme bei den "Wiener Symphonikern“ war für sie aufreibend genug: Zwei Mal hatten ihr die Nerven einen Streich gespielt, als sie wie 50 andere Violonistinnen und Violonisten hinter einem Vorhang die Jury überzeugen sollte. Beim dritten Mal bereitete sie sich mit autogenem Training vor - und bekam prompt die Stelle als Zweite Geigerin.

Seit 2005 ist Renate Turon nun begeisterte "Tuttistin“, also Orchestermitglied ohne Stimmführerfunktion. Daneben tourt sie mit dem Wiener Johann Strauß-Orchester durch die Welt, macht mit dem "Via Quartett“ und den drei anderen Damen von "Laetitia Musica“ Kammermusik - und veranstaltet dann und wann Benefizkonzerte. "Es ist wunderschön, mit anderen zusammenzuspielen“, sagt sie im Wiener Konzerthaus, wo bald ihre nächste Probe beginnt. "Da bin ich ganz da, wie beim Meditieren. Und wenn man dann auch noch spielend helfen kann: Was will ich mehr?“

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