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Stagione in der Volksoper

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Sie umfaßte drei Opern: Traviata, Rigoletto und Margarethe (Faust). Es gab eine Szene in der Gounodschen Faustoper — die letzte —, da Virginia Zeani und Alvinio Misciano nicht nur bestes Theater boten, sondern zu echter menschlicher Tragik emporwuchsen. Daneben gab es des Seltsamen genug: die babylonische Sprachenverwirrung auf der Bühne — in manchen Szenen hörte man zugleich in drei Sprachen singen — die in der Quartettszene des „Spaziergangs“ sogar einer gewissen Pikanterie nicht entbehrte, da Faust und Gretchen italienisch, Mephisto und Marthe Schwerdtlein dagegen französisch sangen; die Dekorationen, die ungefähr den Geburtsjahrgängen der Opern entsprachen, vor allem aber das Liebespaar Faust und Margarethe selbst, aus dem Goethischen zunächst ins Französische, von den Darstellern ins noch südlichere Italienische ausgebürgert, aus dem es auch mit den neckischesten Trippelschritten vom Land des Lächelns nicht wieder ins Deutsche zurückfand. Es gab einen sehr überzeugenden Theaterbösewicht Rigoletto (Romano Roma), der manchmal menschlich zu rühren wußte, einen etwas trockenen, aber doch sehr sympathischen Vater Germont und einen glänzenden Valentin, der in seiner Todesszene am lebendigsten war —, und es gab vor allem in allen drei Opern ein sehr diszipliniert musizierendes, wenn auch gelegentlich die Sänger übertönendes Orchester, dessen Dirigent, Maestro Argeo Quadri, der überzeugendste Star des Gastspiels blieb.

Virginia Zeani ist eine der besten Sängerinnen und Darstellerinnen der Traviata, der weder ihre Gilda noch ihre Margarethe nahekam. Ihre Violetta ist eine bis in die feinsten Regungen durchdachte und ausgedeutete Rolle, wie wir schon bei ihrem früheren Gastspiel festzustellen Gelegenheit hatten; um so gespannter wären wir, sie in gleichwertigen Leistungen Puccinischer oder noch neuerer Frauengestalten zu sehen, denn eine Schwalbe macht am Ende auch hier keinen Sommer.

Floriano Labö blieb als Alfred Germond ziemlich farblos und daher doppelt im Schatten dieser leuchtenden Traviata. Giuseppe Valdengo wußte als Valentin sich stimmlich und darstellerisch viel stärker auszugeben — und zu überzeugen — als in der Rolle des Vater Germont. Aehnlich erging es Alvinio Misciano, dessen Herzog (Rigoletto) das Faszinierende fehlte, dessen Faust aber eine sehr respektable Leistung war. Norman. Scott stellte dagegen einen ebenso kraftvoll typisierten Spara-fucile auf die Szene, als er seinem gentlemenliken Mephisto kleine, aber sehr wirksame dämonische und heitere Züge gab. Seine große, sehr .ausdrucksfähige Stimme gehorcht seinem Willen zu kleinsten Nuancierungen. Unter den einheimischen Sängern ragte in besonderer Weise Rosette A n d a y hervor, die ihre Marthe Schwerdtlein nicht nur quicklebendig sang und spielte, sondern die Rolle dem charmanten New-Yorker Metropoliten zuliebe (der Mephisto kam aus der Metropolitan Opera) französisch lernte.

Buntes Theater mit viel schönen Stimmen. Ist es überheblich, wenn wir in Wien, alles in allem gesehen, etwas anspruchsvoller sind? “

Mit der Neueinstudierung von Hans Pfitz-ners „Palestrina“ unter der musikalischen Leitung von Rudolf M o r a 11 hat die Staatsoper einen weiteren wesentlichen Schritt zum Aufbau ihres Repertoires getan, wenn auch dieses monumentale Werk selbst keine Repertoireoper schlechthin bedeutet, dagegen immer einen Gipfelpunkt darstellen wird. Das Geheimnis des Schaffens, ein Teil des Schöpfungsgeheimnisses, ist hier über alle Stile und Musiktendenzen hinweg in zeitlos gültige Musik gesetzt, das freilich Künstler wie Patzak, Schöffler, Kamann, um nur die größten für alle zu nennen, braucht, um auch darstellerisch zu überzeugen, und das Publikum durch alle Längen hindurch über vier Stunden in Spannung zu halten. Einige Umbesetzungen größerer Rollen waren nicht durchweg von Vorteil.

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