6669340-1960_52_39.jpg
Digital In Arbeit

Symphonische Phantasie und ritueller Tanz

Werbung
Werbung
Werbung

In der Orchesterphantasie op. 51 von Boris B1 a c h e r, deren Erstaufführung durch die Wiener Symphoniker unter Ferdinand Leitner zu hören war, ist der musikalischen Redseligkeit ein End' gemacht, sind Form und Aussage so verknappt, daß man von Stenogrammen reden könnte, für die allerding der instrumentale Apparat sehr groß ist. Bei aller Dürftigkeit ist aber die unverkennbar persön-Ifelefflndschrift ,jocjj“Iclar ürid sicher; was durch Wä-Gffte'der Aufführungunterstrichen wurde. Dem Konzert für Klavier und Orchester, op. 54, von Robert Schumann gab das alle romantischen Linien ausleuchtende Spiel von Jörg D e m u s neuen frischen Glanz und das präzise Zusammenspiel mit dem Orchester vollends ein festliches Erleben, das durch die VII. Symphonie op. 70 von Anton Dvorak in ihrer Intensität und zündenden Rhythmik noch gesteigert wurde. Der Dirigent führte mit überzeugender Sicherheit, getragen von der spürbaren Sympathie von Seiten des Orchesters sowie der Zuhörer.

Im a-cappella-Konzert des Wiener Singvereins erfreuten vor allem die schönen Stimmen (besonders Soprane) und der ausgewogene Klangkörper, die unbeirrbar sichere Intonation und hervorragende Atemtechnik. Das alles kam uns schöner vor als bisher und ist ein unbedingtes Verdienst des Dirigenten und Chorerziehers Reinhold Schmid. Palest r i n a s „Stabat mater“ sowie drei Madrigale von Monteverdi gelangen denn auch als die Kostbarkeiten alten Stils mit ihrer Terrassendynamik vorbildlich. Ihnen stellten sich im zweiten Teil drei Chorlieder von Zöltan K o d ä 1 y zur Seite, während die „Sieben Bilder aus Venedig“ von Reinhold Schmid etwas blaß blieben. In Johann Sebastian Bach Motette für Doppelchor „Singet dem Herrn ein neues Lied“ machte sich der Widerspruch zwischen dem großen, naturgemäß schwerer beweglichen Chor und dem Florilegium der Stimmen zwangsweise bemerkbar; weniger in der sechzehnstimmigen „Hymne“ von Richard S t r a u s s, die harmonisch sehr einfach, in ihrem Duktus aber spannungslos und süßlich ist.

Nach einer ziemlich durchschnittlich geratenen Wiedergabe der Haydn-Symphonie Nr. 88 bot das Kammerorchester der Wiener Konzerthausgesellschaft unter Paul Angerer im Klavierkonzert Es-dur (KV 482) von W. A. Mozart mit Alfred Brendel als Solisten eine sehr beschwingte Leistung, die sich in der folgenden Serenade (KV 320) auf gleicher Höhe hielt, in den konzertanten Sätzchen darin sogar noch steigerte. Das Animo des Orchesters schafft Eindrücke, die auch den Hörer mitreißen, der die „Angerer-Matineen“ längst schätzen gelernt hat.

Das Musikvereinsquartett (3. Abend) spielte Mozart, Schostakowitsch und Brahms. Die Mozartsche Intimität (Streichquartett B-dur, KV 589) schien uns in allzuviel Dünne abzugleiten. Da Streichquartett a-moll op. 69 von S che- t a- k o w i t s c h aber entfesselte alle Tonfülle und alle kontrastierende und gestaltende Spielkunst der Ausführenden, die im „Rezitativ“ und im „Adagio“ süperbe Wirkung erreichte. In edler Abgeklärtheit erklang das Streichsextett op. 36 von Johannes Brahms, bei dem Wilhelm Hübner (Viola) und Robert Scheiwein (Cello) Helfer waren.

„Dreistimmige Fuge aus dem Wohltemperierten Klavier von J. S. B a c h, eingerichtet für Violine, Viola und Violoncello und mit einem langsamen Satz versehen von Wolfgang Amadeusjozjitf — mit diesem Stück eröffnete das K o n z er tha,'us q _u'är-tett sein 2. Konzert. Mit dem für Gottfried van Swieten arrangierten Stück verhält es sich natürlich wie mit den meisten Arrangements: wir ziehen das Original vor, die Bearbeitung entlockt uns ein nur musikgeschichtliches Interesse. Das „ruppige“ Streichquartett f-moll, op. 95 von Beethoven erzwang dagegen persönliche Anteilnahme, die sich in Beethovens „Trio für Klavier, Violine und Violoncello“ (mit Walter Kamper am Klavier) steigerte und im Streichquartett a-moll op. 51 von Johannes Brahm ihren Höhepunkt erreichte. Die Ausführung hatte Wärme und Unmittelbarkeit und die gewohnte hohe Qualität des Konzerthausquartetts.

Franz Krieg

Das letzte öffentliche Konzert des Österreichischen Rundfunks am vergangenen Sonntagvormittag, von den Wiener Symphonikern unter Wilhelm L o i b n e r ausgeführt, wurde mit der „Symphoniededanses“ von Andre J o 1 i v e t eröffnet. Dieses Werk ist für den Stil und das Streben des 1905 geborenen französischen Komponisten, der ein Schüler von Edgar Varese war und später der Gruppe „Jeune France“ angehörte, sehr charakteristisch. Jolivet will die Musik aus ihren traditionellen Formschemen lösen und ihr wieder den ursprünglichen magisch-sakralen Charakter zurückgewinnen. Er versucht dies mit exotischen Rhythmen, freier Tonalität und rauschhaften Klangfarben, die ihren besonderen Charakter von einem großen, hochdifferenzierten Schlagwerkensemble empfangen. (Hier, in der „Symphonie de danses“, einem suitenartigen Werk, waren es gleich zwei.) Im gleichen Konzert spielte Riccardo Odnoposoff das Violinkonzert D-dur von Tschaikowsky, den Abschluß bildete Franz Schmidt II. Symphonie.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung