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Uraufführung eines Haydn-Werkes

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Vor etwa einem halben Jahr wurde durch den Generalsekretär der Haydn-Society in der „österreichischen Furche“ (vgl. „Die Warte“, 1950, 7. Folge) die Entdeckung eines verlorengeglaubten Violinkonzerts von Joseph Haydn angezeigt. Es handelt sich um eines jener vier für den Geigenvirtuosen Tomasini in Esterhaz geschriebenen Konzerte mit Begleitung von zwei Oboen, zwei Hörnern, Streichorchester und Continuo. In einem der beiden von Haydn selbst angefertigten Kataloge seiner Werke ist auch das neuaufgefundene Konzert invA-dur verzeichnet; übrigens war bereits den Haydn-Forschern E. F. Schmidt und J. P. Larsen das Vorhandensein der Stimmen in der Stiftsbibliothek von Melk bekannt. Die Autorschaft Haydns steht also nicht in Frage. Eine fehlende Oboentimme wurde von Prof. Anton Heiller ergänzt, der mit Hilfe des Themenmaterials der einzelnen Sätze auch drei Kadenzen geschrieben hat. Im ersten Konzert des Wiener Kammerorchesters unter Franz Litschauer mit Edith Bertschinger als Solistin und Christa Fuhrmann, der glücklichen Entdeckerin, am Cembalo wurde das Werk „uraufgeführt“. (Uraufführung ist in diesem Fall cum grano saus zu verstehen, denn selbstverständlich ist das Konzert seinerzeit — wahrscheinlich wiederholt — bereits gespielt worden.) — Zwischen 1761 und 1769 geschrieben, gehört das Violinkonzert zu den älteren Werken des Meisters, welche die Merkmale des frühklassischen Wiener und des italienischen Stils zeigen. Mit dem reifen Orchestersatz und dem Ausdrucksgehalt der späteren Werke Haydns darf man dieses Konzert freilich nicht vergleichen. Daß sich die Geiger des neuentdeckten Werkes annehmen werden, scheint nicht sehr wahrscheinlich'. Die dem Haydn-Konzert vorausgegangene Aufführung der Symphonie Nr. 2 von Ph. E. Bach war sehr instruktiv und zeigte einen der Vorläufer des frühen Haydn-Stils.

Den zweiten Teil des Programms bildeten zw zeitgenössische Werke. Das Konzert für Klavier, Streichorchester und Schlagwerk des Engländers Alan Rawst-horn (geb. 1905) ist ein gefälliges Werkchen mit einem virtuosen Klavierpart (Paul Badura-Skoda), das seine Wirkung vor allem mit lebhaften Rhythmen und aparten Schlagwerk effekten erzielt. (Man sage nicht, daß neu Kompositionen keinen Erfolg in unseren Konzertsälen haben: der letzte Satz von Rawst-horn mußte wiederholt werden!) Weniger effektvoll, aber wesentlich stärker in der Substanz ist Strawinskyt Ballettsuit .Apollon Musagete“, 1927 komponiert und 20 Jahre später überarbeitet. Die Bewunderung des Komponisten für das klassische Ballett und die edle Strenge dieses Stils haben seinerzeit das Werk veranlaßt Der Rückkehr zur Pflege des melodischen Elements entspricht der Verzicht auf den heterogenen Klang des großen Orchesters und die Beschränkung auf ein reines Streicherensemble. Die zehn kurzen Sätze zeigen den Komponisten auf der Höhe seiner Meisterschaft und als Erfinder edler, klassisch-stilisierter Melodien. Wenn der Komponist über dieses Werk schreibt, daß es ihm Bedürfnis war, „in den vielstimmigen Wohlklang der Streicher einzutauchen“, so bedeutet dies bei Stra-winsky, daß er nur bis zum Hals eintaucht; denn der Kopf, der klare Kunstverstand, regiert auch hier. Im Unterschied zu den übrigen Werken des Programms war die Wiedergabe des „Apollon Musagete“ — vielleicht auch durch die Stellung am Ende einer ausgedehnten und bunten Vortragsfolge — nicht ganz befriedigend, was wir um so mehr bedauern, da gerade diese Komposition so selten zu hören ist und da es sich, bei der Neufassung von 1947, um eine Wiener Erstaufführung handelte.

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