Vom Aussterben der Paradiesvögel

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Kaum ein Tag vergeht, an dem man nicht vom Aussterben vertrauter Spezies erfährt. "Paradiesvögel" nennt die Sängerin Christa Ludwig jene Diven, die nicht nur in der Kunst, sondern in allen Bereichen des Lebens notwendig sind. Ja, früher einmal, da gab es Künstler wie die Callas, den Karajan, den Oskar Werner und noch so viele mehr.

Ruhelose, feinsinnige Grenzgänger waren sie; spürbare Spannungsfelder gingen von ihnen aus. Sie verletzten und waren verletzlich. Sie waren undiplomatisch, extravagant und auf ihre Art Spieler, die viel, manchmal auch zu viel riskierten. Die das sichere System immer wieder verließen, es in Frage stellten und sich in Neuland vorwagten, mit ihren Sprüchen und Ansprüchen, ihrem übersteigerten und oft nur gespielten Selbstbewusstsein wütende Ablehnung, aber auch begeisterte Zustimmung erhielten. Der Preis, sich so kompromisslos in den Dienst der höchsten Kunst zu stellen ist höher, als man sich vorstellen kann. Unverständnis, Neid, Einsamkeit und zerrüttetes Privatleben gehören zu den Schattenseiten. Erfolg, die Liebe des Publikums und die künstlerische Erfüllung, die freilich nie eine Vollkommene sein kann, sind der Lohn.

Wie wichtig für uns waren ihre kreativen Schübe, ihre Denkanstöße, ihr Größenwahnsinn, ihre Maßlosigkeit, ihre Kraft, aufzurütteln und nicht in Bequemlichkeit und Korruption zu versinken. Sie haben keinen Platz mehr in einer Welt, die sich mit Mittelmaß und geisttötendem Wohlstandsplunder begnügt; die sich die Übersättigung, Trägheit und Käuflichkeit zum Lebensziel gemacht hat; die das Erreichbare so nieder ansetzt, dass es für jeden erreichbar ist. Wir sind zu bürgerlich geworden. Paradiesvögel haben keinen Platz mehr bei uns und das dürfen wir nicht hinnehmen. Mit gezähmten Vögeln,die nur darauf aus sind, sich ihre Vertreibung aus dem Paradies mit beachtlichen Honoraren entgelten zu lassen, lässt sich unsere Zukunft nicht gestalten.

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