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Von Bach zur Gegenwart

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Im Verlaufe dieses Bach-Jahres, da nicht nur Ehrfürchtige und Begeisterte dem Werk des Thomaskantors dienen, sondern da auch der geschäftige Kunstbetrieb sich einzuschalten beginnt, da ein Bach-Fest vorbereitet wird, bei dem alles aufgeboten werden soll, was gut und teuer ist und dessen einzelne Konzerte über zahlreiche Radiostationen bis an den Atlantik ausgestrahlt werden; in einer solchen Zeit war es notwendig und zu begrüßen, daß mit allem Nachdruck auf die G r u n d 1 a g e n der Kunst dieses bescheidensten Meisters der Musik hingewiesen wurde. Das geschah in einer Bach-Feier der evangelischen Gemeinden A. B. W i e n s, in deren Mittelpunkt ein Vortrag des Tübinger Universitätsprofessors D. Dr. Adolf Köberle stand. Bachs Kunst spiegelt nicht — auf unverbindlich theosophische Art — die Harmonie der Sphären, sie ist auch nicht Ausdruck jener höchsten Lust, unbewußt“, die die Romantiker preisen, sondern sie trägt unverkennbare trinitarische und christologische Züge. Und das S. D. G. oder das J. J. über Bachs Partituren sind alles andere als konventionelle Formeln, Wohl wurzelt seine Musik im spezifisch evangelischen Frömmigkeitsstil, aber ihre Wipfel reichen in den überkonfessionellen Raum, wo, durch die Mittel der höchsten Kunst, alle Gegensätze aufgehoben erscheinen. Aber auch Bach als Person hat für unsere Zeit exemplarische Bedeutung. Eine gewaltige synthetische Kraft ermöglichte in ihm den Ausgleich zwischen Gebundenheit und Freiheit, Demut und Würde, Seele und Geist, Orthodoxie und Enthusiasmus. Damit gibt er nicht nur den Künstlern, sondern als Mensch auch allen Menschen gerade unserer Zeit ein hohes Beispiel. — Der musikalische Teil der Feierstunde war würdig und dem Gegenstand angemessen: klangschön und exakt sang der verstärkte Chor der Ev. Bach-Kantorei unter der Leitung Dr. Egon Hajeks zwei Kantaten, von einem Kammerorchester der Tonkünstler und Stadtorganist Wurm an der Orgel begleitet, der als Aufklang Bachs Präludium und Fuge in C-dur spielte. Auch das ad hoc zusammengestellte Soloquartett fügte sich gut in den Stil dieser Feier.

Ernstes Kunststreben und Dienst an einem großen Werk führte vier junge Musiker zusammen, die, nachdem Versuche mit dem Streichquartett unbefriedigend ausgefallen waren, Bachs „Kunst der Fuge“ auf alten Instrumenten spielten: Discant-viole (Altenburger), zwei Altviolen (Hoffell-ner und Melkus) und Tenorgambe (Harnon-court). Das Ergebnis ist als klanglich und dynamisch ideal zu bezeichnen. Das großartige Werk ersteht vor dem Hörer in vollkommener Klarheit. Den Aufführungen in der Albertina, im Hause Rasumovsky und in Graz sollten weitere folgen. Diese Besetzung empfiehlt sich besonders für Radioaufführungen und Schallplatten.

Regers Mozart-Variationen und Beethovens Siebente, dazwischen, als heiteres Intermezzo, Bergers Rondino giocoso: dies war das Programm, das sich Volkmar Andreae wohl nicht selbst zusammengestellt hätte. Die Vorzüge: ein fast untrügliches Gefühl für Grundzeitmaße und plastische Gestaltung. Die Nachteile: stellenweise ungenügende rhythmische Präzision und zu geringe dynamische Abschattierung. Berger nach Reger — das war wohl kein glücklicher Gedanke! Dieses kleine tänzerische Stück mit seiner spezifisch rumänisch-jüdischen Melodik faßt Andreae viel zu fest, viel zu „symphonisch“ an. Der Vergleich mit der Interpretation Lit-schauers drängte sich auf.

Im 5. Philhormonischen Konzert dirigierte Clemens Krauß Schuberts Siebente, Alfred Uhls „Vier Capricen und „Don Juan“ von R. Strauß. — Uhls viersätzige Suite, die an dieser Stelle bereits besprochen wurde, erwies sich als erfolgreiche philharmonische Unterhaltungsmusik. Ihr den — von Krauß und den Philharmonikern hinreißend musizierten — „Don Juan“ folgen zu lassen, könnte man fast als eine unfreiwillige Kritik am Werk des jüngeren Komponisten auffassen.

Das 5. Konzert des Kammerorchesters unter, Franz Litschauer wurde mit einer Novität abgeschlossen, deren zündende Wirkung zum nicht geringen Teil der ausgezeichneten Wiedergabe zu verdanken ist. Strawinskys Konzert in D für Streichorchester“ zeigt alle guten Qualitäten des großen Meisters: Form, Geist, Ironie, rhythmischen Elan und eine Reihe melodischer Trümpfe, die sich bei aufmerksamem Hinhören als Variationen über das Intervall der Sekund entpuppen. Wie das gemacht ist, das müßte auch den griesgrämigsten Verächter der neuen Musik — wenn nicht bekehren, so doch zumindest in gute Laune versetzen.

Ein interessantes Programm danken wir, wie immer, dem Gastspiel Paul Sachers mit den Wiener Symphonikern. Daß die Bühnenmusik zu Shakespeares „König Lear“ von der Musikforschung Haydn ab- und einem anderen Komponisten zugeschrieben wird, macht weiter nichts: sie bleibt trotzdem wertvoll in ihrer edlen Stilisierung. Neu für Wien war auch H i n d e m i t h s Bratschenkonzert nach alten Volksliedern „Der Schwanendreh er“. Das Werk stammt aus dem Jahre 1935, also aus der Mathis-Zeit, und ist eine der vielen Kompositionen für das Lieblingsinstrument Hindemiths, als dessen Spieler er im Amar-Quartett begann. Wer je daran zweifelte, ob Hindemith mehr dem internationalen oder dem spezifisch deutschen Musikstil verbunden ist, wurde nachdrücklich auf den letzteren gewiesen (der Schweizer Bratschist Walter Kaegi spielte virtuos den Solopart). Den zweiten Teil des Programms bildete Prokofieffs Märchen für kleine und große Kinder „Peter und der Wolf“ mit der beim III. Internationalen Musikfest gezeigten Choreographie Rosalia Chladeks. Neu war Hans Thimig als Sprecher.

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