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Von Mozart zur Raummusik

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Das Festival Aix-en-Provence will letztlich nicht nur nach einer Spezialität gewürdigt sein, wenngleich Mozart und Latinität die dominierende Note geben; seine Haupttendenz ist: einem gebildeten Publikum reichhaltige Erlebnisse und Anregungen zu vermitteln. Sein unternehmender Generalsekretär, M. Roger Bigonnet, hat in den nunmehrigen zwölf Jahren des Bestandes eine überraschende Fülle von Möglichkeiten spielen lassen, die kühnste Unterfangen, wie die Darstellung der „Mireille“ im Val d’Enfer von Les Baux oder die Carmen-Inszenierung am Fuße des Mont Ste.-Victoire, einschlossen.

Heuer war die allgemeine ökonomische Lage, die der französische wirtschaftliche Neuaufbau bedingt, ein gewisses Hemmnis. An Stelle von fünf Operndarbietungen mußte man sich mit dreien begnügen, die jedoch wieder allen Aixer Charme walten ließen. Im Zentrum stand die europäische Gemeinschaftsarbeit von Haydns „II mondo della Luna", hervorgegangen aus der heurigen Kooperation von Aix und dem Hollandfestival. Ein italienisches Sängerensemble voran M. Cortis als Buonafede und seinem Gegenspieler Ecclitico, L. Alva, auch sonst trefflich, besetzt mit Mariella Adani, Bruna Rizzoli, Bianca- maria Casoni, M. Hamel — Cecco — und P. Redani spielte unter der Regie von Maurice Sarrasin in der wiederum bestrickend-aparten Bilderwelt echt Aixer Stils von J. D. Malcles, und Maestro Carlo-Maria Giulini befeuerte am Pult das exakte Team des Holländischen Kammerorchesters. Die Aufführung darf insgesamt als neue bedeutsame Leistung des Festivals gewertet werden. In teils neuer Besetzung hörte man die „Zauber flöte“ vom Vorjahr und „C o s i fan tutte“, beide unter Alberto Erede. Erwies „Cosi“ in seiner alten Besetzung und scharf satirisch pointierten Spielweise erneut alle Wirkungskraft, so zeugte es von der Stärke der Aixer Inszenierung der „Zauberflöte“, daß einige Fehlbesetzungen den Gesamteindruck nur leicht .trübten, aber keineswegs das positive Bild verwischten. An der Spitze der Leistungen sind hier zu nennen: Teresa Stich-Randall, nicht nur Favoritin, sondern dominierende Künstlerpersönlichkeit des Festivals, die Drei Damen, unter ihnen Hilde Rössel-Majdan, welche uns auch im Konzert eine eindringliche Mahlersche Kindertotenliederinterpretation bescherte, ferner Erich Kunz, der als Papageno die Nachfolge Walter Berrys angetreten hatte, R. Holm Tamino, J. Ch. Benoit Monostatos Christiana Edapierre Papagena.

Im Mittelpunkt der Orchesterkonzerte standen die vier Abende des Orchesters des Belgischen Rundfunks, die I. Markevitch, E. Doneux, P. Boulez und D. Sternefeld leiteten und mit einem vielseitigen Programm von der Klassik bis zur letzten Moderne das beachtliche Können dieses Klangkörpers unter Beweis stellten. An zeitgenössischen Werken hörte man hier: Messiaens frühes Werk „Hymne“, Brittens „Variationen über ein Thema von Purcell“, Weberns grandiose Orchesterstücke op. 10, Bergs.

„Drei Fragmente aus Wozzek" als ausgezeichnete Solistin Helga Pilarczyk, ferner Hindemith, Pro- kofieff, J. Absil u. a. Der Abend unter Leitung von Boulez brachte die interessante Erstaufführung von Henri Pousseurs Raummusik „Rimes pour differentes sources sonores“, welches Werk ein aufgeteil-. tes normales Orchester mit elektronischer Musik verbindet, wobei die Klanglichkeit der einen Gruppe jeweils nach der der anderen tendiert. Das Holländische Kammerorchester bot unter Giulini und Sacher vorzüglich klassische Musik, insbesondere auch Haydn, jedoch auch Strawinskys „Apollon Musa- getes“ und F. Martins „Etudes" und die Premiere eines Klarihettenkonzerts von J. Rivier Solo: L. Cahuzac. Das Conservatoire-Orchester schließlich brachte an neuer Musik neben Daniel Lesurs „Symphonie de Danses“ die Uraufführung der Paul-Klee- inspirierten „Polyphonies concertantes“ für Klavier, Trompete und Orchester von dem aufstrebenden jungen französischen Komponisten M. Jarre Solisten: Monique Berard und L. Menardi unter Leitung von L. Auriacombe. Ein eindrucksvolles Kirchenkonzert in der Kathedrale St.-Sauveur unter P. Dervauxf Bachs Actus tragicu, Faures Requiem mit T. Stich-Randall, J. Villisech und Solisten und guter Chorwiedergabe durch die Choeurs du Conservatoire de Paris, ferner vollendete Wiedergaben mittelalterlicher und Renaissancemusik durch das treffliche Pro-arte-antiqua- Ensemble Stafford Cape und Darbietungen des Pariser Barockensembles, ein Soloabend von T. Stich- Randall mit ausgezeichneten R.-Strauss- und Poulenc- Wiedergaben und zwei Klavierduoabende, insbesondere der von Genevibve Joy und Jacqueline Bonneau, rundeten das reiche Bild des heurigen Festivals, das auch in klassischen Wiedergaben, wie der von Berlioz’ Symphonie Phäntastique Markevitch, Brahms’ II. Symphonie D. Sternefeld oder Beethovens Violinkonzert mit Arthur Grumiaux, Höhepunkte fand.

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