Adern - © Foto: Matthias Horn

„Adern“: Patchwork 1953

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Im Akademietheater wird in der Regie von David Bösch das in Tirol angesiedelte Drama „Adern“ von Lisa Wentz uraufgeführt.

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Im Akademietheater wird in der Regie von David Bösch das in Tirol angesiedelte Drama „Adern“ von Lisa Wentz uraufgeführt.

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Das sogenannte autofiktionale Schreiben, das autobiographische mit fiktionalen, also erfundenen Elementen zu einem eigenen Genre zusammenführt, steht (gegenwärtig) hoch im Kurs. Seit Monika Helfers fulminantem Erfolg bei Kritik und Publikum mit ihrer Familientrilogie („Die Bagage“, „Vati“ und „Löwenherz“) ist die literarische Gattung wieder verstärkt ins öffentliche Bewusstsein geraten und hat weiteren Auftrieb erhalten.

Die 1995 im tirolerischen Schwaz geborene Lisa Wentz hatte sich im Seminar an der Universität der Künste Berlin, wo sie seit 2018 Szenisches Schreiben studierte, auf eine ähnliche Spurensuche begeben. Entstanden ist aus der vordem „ungewussten Geschichte“ vom Leben im Schatten des Eiblschrofen, wo nicht nur Erz und Silber abgebaut, sondern während des Zweiten Weltkriegs auch die geheimen Fertigungshallen für den Bau von Kampfflugzeugen durch Zwangsarbeiter in den Berg geschlagen wurden, allerdings kein Herkunftsbuch mit dem typischen Element der reflexiven Verschränkung von Leben und Text, sondern eine Art Volkstheaterstück mit dem Titel „Adern“. Darin schildert sie, wie im Tiroler Brixlegg zwei Menschen ganz unsentimental, weil vor allem pragmatisch, entscheiden, im Leben fortan zusammenzugehen, um auf diese Weise auch der gesellschaftlichen Stigmatisierung zu entgehen.

Preisgekrönter Text

Mit dem 1953 einsetzenden und einen Zeitraum von knapp zwei Jahrzehnten umfassenden Dorfdrama hat die junge Autorin im letzten Jahr den Retzhofer Dramapreis gewonnen. Dieser wird seit 2003 alle zwei Jahre an Nachwuchsdramatiker(innen) vergeben, die nicht nur 5000 Euro erhalten, sondern auch mit einer Inszenierung am Wiener Burgtheater belohnt werden.

In der von David Bösch am Akademietheater besorgten Uraufführungsinszenierung spielt Sarah Viktoria Frick die junge alleinerziehende Mutter Aloisia. Sie sucht einen Vater für ihre Tochter, ein Besatzungskind, er, Rudolf, ein nicht mehr ganz junger Bergarbeiter, dargestellt von Markus Hering, eine Mutter für seine fünf Kinder. Patrick Bannwarts Bühne lässt mit wenigen Gegenständen ein Gefühl für das entbehrungsreiche Leben der Nachkriegszeit entstehen. In der Bühnenmitte steht ein einfaches Schema eines Hauses, links ein Bett, rechts ein kleiner Kochherd, dazwischen ein Stuhl vor einem Kreuz. Kinder – Küche – Kirche, ist man versucht zu meinen. Aber falsch vermutet. Der Trias konservativer Geschlechterrollen wird hier nicht entsprochen. Denn es ist vor allem der Blick auf den weiblichen Lebensentwurf, den das Stück von Wentz aus der zunächst seltsam aus der Gegenwart entrückten Thematik zurück in eben diese befördert. Und der Anteil, den die Darstellung von Sarah Viktoria Frick daran hat, soll nicht unterschätzt werden. Denn hier steht eine junge Frau, die neben dem Vater auch einen Ehemann an ihrer Seite wissen will. Als der zögerliche Rudi selbst nach der Heirat noch Zeit in der Küche verbringen will, ist sie es, die ihn nun ins gemeinsame Bett auffordert oder, als das nichts nützt, neben ihm auf der unbequemen Küchenbank liegen bleibt. Seinem „das ist aber nicht gemütlich“ entgegnet sie mit knappen Worten: „Aber so ist das Leben halt.“

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