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Ästheten, Schwindler, Caballeros

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Das Linzer Landestheater stellt als Aufführung im „Forum der Zeit” in den Kammerspielen Samuel Becketts „Endspiel” zur Diskussion. Es ist absurdes Theater in reinster Form. Die Personen des Stückes sind weder Individuen noch Typen, sondern Chiffren wirksamer Kräfte. Es gibt keine Dialoge, sondern nur auf einander abgestimmte Monologe. Als Beckett bei den Berliner Festwochen 1967 sein „Endspiel” selbst in Szene setzte, sprach er von einem „Spiel mit makabren Situationen als Schocktherapie gegen allzu unbekümmerte Saturiertheit”.

Dabei übersieht Beckett, daß jede Therapie auf Heilung abgestellt sein muß. Seine Stücke sind jedoch makabre Prophetien des bevorstehenden Endes der Menschheit, die sich apathisch sinnlosem Vegetieren ergibt, eine Verbindung von absurder Abwegigkeit und scheinbarer Tiefsinnigkeit, von Clownerie und Nihilismus. Jedoch soll nicht geleugnet werden, daß einige seiper Stücke beim Publikum, freilich nie beim breiten Publikum, beachtlichen Eindruck hinterlassen. Beckett ist ein versierter Techniker des Theaters und des Wortes. Thomas Mann nannte ihn einmal „Ästhet mit der Tendenz zum Abgrund”.

Die Linzer Aufführung zeichnen eine überlegte Regie von Gerhard Knick, ein Trostlosigkeit symbolisierendes Bühnenbild Heinz Köttels aus. Vorbildliche schauspielerische Leistungen der Herren Gensichen als blinder und gelähmter Hamm, Jaksch als doofer und steifer CIov, Skumanz als verblödeter und naschsüchtiger Nagg sowie von Frau Halovanic als seine ihm würdige Frau Nell imponieren. Sie alle konnten reichen Schlußbeifall für ihre Leistungen buchen.

Die ganze Welt lachte über den Streich des angeblichen Hauptmanns von Köpenick, und noch immer lacht man über Carl Zuckmayers gleichnamige Satire mit 21 Bildern aus dem Leben des langjährigen Zuchthäuslers trotz des tragischen Untertons der Ausweglosigkeit für einen Menschen in einem überbürokrati- sierten Obrigkeitsstaat, in dem der Mensch nur soweit existiert, als er dies durch Papiere nachweisen kann.

Einige Monate nach der Berliner Uraufführung wurde das Stück in Linz gespielt und nun von Hasso Degner in den Kammerspielen wirkungsvoll neu in Szene gesetzt. Das gesamte männliche darstellende Personal ist mit einer, meist mit zwei oder drei Rollen eingesetzt; dazu sieben Damen. Degner zog die 21 Bilder in 18 zusammen, brachte die vorherrschende heitere Note voll zur Geltung. Die Glanzleistung bietet Otto Hans Meinecke als Schuster Voigt und Hauptmann von Köpenick. Die Gestalt ist aus einem Guß und vereinigt die humorvollen, tragischen und auch lyrischen Elemente.

Aus der großen Zahl der Mitwirkenden können nur Träger markanter Rollen genannt werden, die wesentlich zum Erfolg beitrugen wie Georg Matthes als Zuchthausdirektor, der mit seiner Feier des Tages der Schlacht bei Sedan größte Heiterkeit erregte. Ludwig Geiger ist ein sich seiner Würde bewußter königlicher Uniformschneider, Kunibert Gensichen sein dienstbefliesse- ner Zuschneider. Friedrich Grossart gibt seinem Bürgermeister von Köpenick eine leicht komische Note. Hubert Mann und Ernst Zeller können in zwei beziehungsweise drei Rollen ihr Temperament zur Geltung bringen. Manfred Scheibler ist der obrigkeitsergebene kleine Beamte, Maria Falkenhagen die schmissige Plörösenmieze, Maria Hanke die ehrsame Schwester Voigts. Dais Bühnenbild Hannes Raders ermöglicht eine rasche Abfolge der 18 durch Militärmärsche verbundenen Bilder. Das Publikum dankte für die ausgezeichneten Leistungen schon nach einzelnen Bildern und stürmisch am Schluß der Vorstellung.

Johannes Hollnsteiner

Mit der Aufführung von Rossinis Oper „Der Barbier von Sevilla” gelang dem Linzer Landestheater ein ausgesprochener Volltreffer. Bis auf die Spitze getriebene Heiterkeit war das Ziel der quicklebendigen Regie Federik Mirditas. Daß dabei eine vorbildliche Disposition zu bemerken war, hob das Ganze. So gesehen war die Turbulenz nur überstrudelnde Heiterkeit, kein Klamauk. Hannes Rader unterstützte diesen mit einer zweckdienlichen, geschickten Ausstattung.

Unter den Sängern brillierte vor allem Mary O’Brien (Rosina): Sie war eine wahre Ohren- und Augenweide. Heiterste Stimmung auch bei den beiden Bassisten Friedhelm Rosendorff (Bartölo) und Okamura Takao (Basilio). Sie genossen es sichtlich, sich stimmlich und spielerisch mit Bravour austoben zu können. Dabei muß vermerkt werden, daß Okamuras „Verleumder-Arie” ein Kabinettstück für sich war und stürmisch beklatscht wurde. Recht gut, vielleicht noch etwas zu jung, der Figaro Paul Wolfrums. Bei allem vorhandenen schönen Material sollte Herr Wolfrum doch mehr stimmtechnisch arbeiten, um gewisse Mängel zu beheben. Uta Schwappach gefiel als Marzelline, in kleinen Rollen Rudolf Janostik, Alfons Mohilicki und Friedrich Rudolf. Hans Krotthammer ließ sich, um die Vorstellung zu retten, wegen starker Indisposition entschuldigen. Die Übernahme war ein schwieriger Balanceakt, der tapfer durchgestanden wurde.

Am Pult waltete mit viel italienischem Brio, von kleinen Unebenheiten abgesehen, Gerhard Geist. Chor und Orchester boten eine respektable Leistung. Im Publikum herrschte helle Begeisterung und gute Stimmung.

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