Am_Ende_Licht - © Foto: Susanne Hassler-Smith

„Am Ende Licht“: Familienpuzzle in 3D

19451960198020002020

Verfremdungseffekte spielen in „Am Ende Licht“ von Lilja Rupprecht am Akademietheater eine wichtige Rolle.

19451960198020002020

Verfremdungseffekte spielen in „Am Ende Licht“ von Lilja Rupprecht am Akademietheater eine wichtige Rolle.

Werbung
Werbung
Werbung

Christine beschreibt ihren Tod mit den lapidaren Worten: „Es hat nicht wehgetan, in erster Linie war es peinlich.“ Mitten im Supermarkt sackt die alkoholkranke Mutter dreier Kinder zusammen, Hirnblutung, da ist nichts mehr zu machen.

Mit dieser Einstiegssequenz eröffnet Simon Stephens sein tragisch-komisches Familiendrama „Am Ende Licht“ und zeigt in fragmentierten Szenen, was kurz vor und nach diesem Tod den restlichen Familienmitgliedern widerfährt. Der britische Erfolgsdramatiker ist ein meisterhafter Arrangeur entscheidender Momente und düsterer Geschichten.

Am Burgtheater war er zuletzt 2011 mit „Wastwater“, einem stimmungsvollen Stück über menschliche Ängste, zu sehen. Seine Werke sind kraftvoll und in viele ineinander verwobene Handlungen unterteilt, Inszenierungen geraten allerdings schnell zur pathetischen Textschlacht. Die Regisseurin Lilja Rupprecht hat sich für die österreichische Erstaufführung am Akademietheater für eine spielerische und multimediale Umsetzung entschieden. Die Zuschauer bekommen sogar 3D-Brillen mit auf den Weg in den Theatersaal. Es gibt Bildschirme für Close-up-Einstellungen, Lichteffekte, Livemusik und ein riesiges Plastikungetüm im Bühnenhintergrund. Dazu tragen die Schauspieler puppenhafte Masken, die ihre Köpfe grotesk verformen. Dass diese Flut an Verfremdungseffekten nicht zu sehr ablenkt, ist dem konzentrierten Spiel des wunderbaren Ensembles zu verdanken. In leichtfüßigen Dialogen und Monologen kommen Ängste und Schicksalsschläge wie der Suizidversuch der jüngsten Tochter Ashe (Maresi Riegner) ans Licht. Sie wird von ihrem Ex-Freund besucht, der ihr das gemeinsame Kind wegnehmen will.

Ihre Schwester Jess (Marie Luise Stockinger) hat Angst vor Beziehungen und macht es ihrem One-Night-Stand Michael (Philipp Hauß) nicht leicht, sie näher kennenzulernen. Ihr Bruder Steven (Max Gindorff) hadert ebenfalls mit Studium und Partnerschaft. Währenddessen versucht der Vater (Norman Hacker), seinen Frust mit einem Techtelmechtel und reichhaltigen Speisen zu kompensieren. Dass während der einzelnen Handlungsstränge meist alle Schauspieler auf der Bühne verweilen, mit Chipstüte in der Hand das Spiel der anderen verfolgen und gemeinsam Melodien anstimmen, verstärkt den Zusammenhang der Geschehnisse. Sogar die tote Mutter (Dorothee Hartinger) tritt in unterschiedlichen Rollen auf, um ihrer Familie ein letztes Mal nahe zu sein.

Am Ende fallen die Masken, man findet wieder zueinander und macht sich gemeinsam auf den Weg zur Beerdigung. Zeit für das Publikum, die 3D-Brille aufzusetzen und in eine sphärische Planetenwelt einzutauchen. Insgesamt ein rätselhaftes, aber stimmiges Familienpuzzle mit unvorhergesehenem Happy End.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung