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Ambition statt Stars

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Julius Rudel, Intendant der New York City Opera, kümmert sich glücklicherweise nicht um jene Puristen, die ihre Augenbrauen hochziehen, wenn er eine Oper bringt, deren Inszenierung von der Tradition abweicht oder dieselbe Oper (zu einem Preis, der zwei Drittel unter den Preisen der Metropolitan Opera liegt) auch dann in den Spielplan aufnimmt, wenn sie auch gegenüber der Plaza des Lincoln Center von der „großen Schwester“ gespielt wird...

Im ersten Fall handelt es sich um eine Neuinszenierung von Gounods „Faust“, der von Frank Corsaro realistisch und geschichtlich logisch inszeniert wurde als ein genaues Bild grausamen Mittelalters. In der letzten Szene steigt Margarete aus ihrem Kerker eine lange Flucht von Treppen hinauf, in der Tür erscheint der Scharfrichter, der sie dann packt und auf das Schafott schleppt. Viele behaupten, daß dies dem Sinn der Erlösungsszene widerspricht, doch ist diese Szene theatralisch wirksamer als die übliche himmelfahrt-ähnliche der traditionellen Inszenierungen. Der Chor scheint in der Bedeutung der Erlösung durch den Kontrast mit der irdischen Grausamkeit besonders betont.

Musikalisch ist die Aufführung, meist von jungen Sängern gesungen, überaus zufriedenstellend. Carol Neblett als Margarete war recht vielversprechend, wenn sie auch mit der Juwelenarie einige Schwierigkeiten hatte, Nicholas die Virgilio in der Titelrolle, John Darrenkamp als Valentin und William Ledbletter als Wagner brachten ihre Rollen gesanglich und schauspielerisch in einen scharfen Fokus. Im Mittelpunkt aber stand Norman Treigle, dessen Charakterisierung gesanglich und schauspielerisch eine Glanzleistung allerersten Ranges war: Treig-les Mephistopheles ist kein Teufel im allgemeinen Sinne. Er ist ein Charmeur, ein arroganter „Übermensch“, der sich seiner Macht bewußt ist und von ihr gern Gebrauch macht. Er gehört ohne Zweifel heute zur Elite der amerikanischen Sänger und füllt das Haus mit seiner immer wieder packenden, gut balancierten Stimme.

Mozarts „Zauberflöte“ steht der umstrittenen Aufführung der „Met“ mit Chagalls Bühnenbildern weder gesanglich noch szenisch sehr nach.Und da Mozarts Werk in europäischen Häusern seit eh und je eine Repertoireoper ist — soll es auch hierzulande nicht nur für eine Gruppe von Musikfreunden, die Met-Preise erschwingen können, zu hören sein.

Die Inszenierung ist der Grundidee Schikaneders sehr nah (halb Märchen, halb Lehrstück), und Beni Montresors Bühnenbilder sind in ihrem Charme unaufdringlich, lenken von der Handlung nicht ab.

Gustav Meier leitete das Orchester mit Konzentration, die jungen Sänger der New York City Opera servierten gut studierte Ensembles und Arien. Die Klangschönheit des Chons war auffallend. John Stewarts Tamino war ausgezeichnet, expressiv in seinem Bei canto, und Johanna Meiers Pamina nach anfänglicher Nervosität war lyrisch beseelt, besonders in ihrer ausdrucksvollen g-Moll-Arie. Janette Moodys Königin der Nacht hatte noch nicht die Qualitäten, die diese Partie erfordert.

Benjamin Brittens „Turn of the Screw“ gab Gelegenheit, eine bis in die letzte Einzelheit sorgfältig ausgearbeitete Oper zu hören. Theodore Mann hat in Jac Vernas ausgezeichneten Bühnenbildern eine Aufführung geschaffen, der die zwei Welten, die der Haushälterin und Gouvernante auf der einen, die Geistererscheinungen auf der anderen Seite, scharf und wirkungsvoll gegenüberstehen. Der Oper liegt die bekannte Erzählung von Henry James zugrunde, die von dem Kampf berichtet, den Gouvernante und Haushälterin um die Seelen zweier Kinder führen, die von den Geistern zweier abgeschiedener Mitglieder des Haushalts bedroht werden. Ein einstiger Kammerdiener und eine frühere Gouvernante suchen Miles und Flora zu bösen Menschen zu machen. Im Zeitpunkt des Antretens der neuen Hausangestellten haben sie bereits die Macht über die wehrlosen Kinder größtenteils gewonnen. Alle Mitwirkenden, einschließlich der Kinder, sind erstklassige Darsteller, und auch die gesangliche Qualität ist erstklassig. Marian Niska, die Gouvernante, verdient besonderes Lob: ihre kultivierte und ausdrucksvolle Stimme ist ein Genuß zu hören, und Erscheinung sowie Darstellung sind richtig am Platz.

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