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Aus dem Opernhaus in Rom

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Man spricht heute verhältnismäßig wenig vom Operntheater in Rom. Hört man von der italienischen Oper, so denkt jeder zuerst natürlich an die Scala in Mailand, deren große Tradition alles überschattet, was mit dem italienischen Musikleben zu tun hat. Nach den Triumphen, die dieses Theater vor allem im vergangenen Jahrhundert unter dem persönlichen Wirken Verdis feierte, hatte die geniale und einmalige Persönlichkeit Toscaninis der Scala bis in die zwanziger Jahre unserer Zeit neuen Ruhm beschert, von dem sie heute noch zehrt. Daneben ist das San-Carlo-Theater in Neapel, das schon im Settecento in höchster Blüte stand, heute wiederum in bemerkenswertem künstlerischem Aufschwung bejriffen.

Das Operntheater in Rom hat dagegen eine weitaus kürzere Lebenszeit, denn es ist erst gegen Ende des vorigen Jahrhunderts entstanden, konnte sich aber als „Teatro Costanci“ sehr schnell Bedeutung verschaffen. Nach kritischen Perioden, die es zu überstehen hatte, entfaltet es in den letzten drei Jahren jedoch eine neue Aktivität, durch welche es sich mit Erfolg wieder unter die ersten Bühnen Italiens einzureihen beginnt.

Unter den Repertoirewerken der vergangenen Hauptspielzeit mögen Verdis „Othello“ und „Don Carlos“, Massenets „Manon“ und Mussorgskijs „Boris Godunow“ als stilvollendete Meisteraufführungen hervorgehoben werden. Es ist eine sehr dankenswerte Aufgabe dieses Instituts, daß man neben den Werken, die man in Italien an allen Operntheatern mit recht geringer Phantasie der Auswahl immer wieder zu hören bekommt, weil leider das Bestreben vorherrscht, dem Publikum aus Gründen der Kasseneinnahme die Stücke vorzusetzen, die es gerne hört, auch Experimentelles aufführt. Neben sehr interessanten Premieren von längstvergessenen Kompositionen aus der Frühzeit der Oper finden wir auch im Spielplan der römischen Oper immer wieder Erstaufführungen in- und ausländischer, bisher nicht bekannter Werke.

Der Versuch, Paisiellos reizende Buffo-oper „Die Welt des Mondes“ wieder einmal auf die Bühne zu bringen, wäre gewiß vollkommen geglückt, wenn man bedacht hätte, daß diese nach einem Text Goldonis am Ende des 18. Jahrhunderts komponierte Kammeroper einen stillvollcren äußeren Rahmen verlangte. Das große Haus wollte sich für dieses Stück nicht recht eignen, doch muß anerkannt werden, daß die Regie Riccardo Picozzis es verstand, mit den Gegebenheiten des Raumes sehr gut fertig zu werden. Mehr noch waren es die Sänger, die sich dem Stil der „Commedia dell'arte“ anzupassen wußten. Anscheinend, um beim Argument des Mondes zu bleiben, wurde gleichzeitig mit der Oper Paisiellos ein neues Werk von Adriano L u a 1 d i, „La

Luna dei Carlibi“ gegeben. Andere Grund für die Wahl dieses Stückes, das ein Drama von O'Neill als Einakter in Musik zu setzen versuchte, waren kaum zu erkennen. So blieb der Eindruck dieser Aufführung sehr problematisch.

Einen außerordentlich starken Erfolg errang dagegen Ernst Blochs „M a c b e t h“, der zwar schon 1910 in Paris uraufgeführt wurde, in Italien aber noch so gut wie unbekannt geblieben war. Wir hatten es hier mit einem ausgesprochen musikdramatischen Werk zu tun. Bloch packt das Wesen des Shakespeareschen Werkes zugleich von der Seite des Wortes und der Musik an, und es gelingt ihm, beide Elemente zu einem Guß ra verschmelzen. Von dieser Einheitlichkeit ging di entscheidende Wirkung des Werkes aus. Die beiden Hauptrollen waren mit Rossi Lemini und Gianna Pederzini hervorragend besetzt.

Endlich waren auch wieder einige Ballette *u sehen. In einem „Wintermärchen“ zeigte sich Renzo Rossellini, der Bruder des bekannten Filmregisseurs, nicht so originell wie bei mancher seiner früheren Kompositionen. Die „Seifenblasen“ nach Musik von Franco C a s i v o 1 a wirkten als ausgesprochenes Experiment. Der erst Teil diesea Ballett unter dem Titel „Rechenaufgaben“ wollte gewissermaßen „abstrakten Tanz“ bieten, wobei sich die bizarrsten Formen und choreographischen Kompositionen ergaben. Besonders das lyrische Intermezzo mußte man als sehr gut gelungen empfinden. Im zweiten Teil, unter der Bezeichnung „Viel Lärm um nichts“ folgte die Handlung dagegen dem üblichen konventionellen Schema des Balletts. Den exakten tänzerischen Leistungen ist das Verdienst zuzuschreiben, daß es ihnen gelang, das Ohr von den sehr gewagten, fast unzugänglichen Zwölfton-Geräuschen abzulenken. Das beste der Ballette war jedoch unstreitig die lebendig inszenierte „La Tarantola“ nach einem in sich geschlossenen und gut durchkomponierten Stück von Giuseppe Piccioli.

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